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Gutachten Hitzige Debatte um Motorsport

Wirbel um die Motorsport-Strecke bei Körbelitz. Kritiker befürchten Lärm, Müll und Schäden für die Natur.

Von Anke Reppin 16.06.2020, 06:00

Körbelitz l Mehr als ein Dutzend und damit ungewöhnlich viele Einwohner für einen kleinen Ort wie Körbelitz kamen zur Sitzung des Ortschaftsrates. Sie waren aufgeschreckt von einem Schreiben des Möseraners Hans Stephani, das sie in ihren Briefkästen vorgefunden hatten. Stephani erklärt darin, dass er Bedenken gegen ein Genehmigungsverfahren des Landkreises nach Immissionsschutzgesetz vorgebracht habe, weil dieses ohne Beteiligung der Öffentlichkeit stattgefunden habe. Die Behörde habe aber einen Sofortvollzug der Genehmigung angeordnet, wogegen er nun beim Verwaltungsgericht Magdeburg vorgehe. Stephani sieht nach eigenen Angaben durch den Motorsport die Schutz- und Erholungsfunktion des Waldes, Naturhaushalt und Klima gefährdet. Hintergrund dürfte aber auch sein, dass er nur knapp einen Kilometer weit von dem Gelände entfernt wohnt.

Auch der Körbelitzer Stefan Schweigel beklagt in einem Leserbrief an die Redaktion, dass es keine Bürgerbeteiligung gegeben habe. „Es ist sicherlich leicht nachvollziehbar, dass die Aussicht auf Lärm jedes Wochenende und jeden Feiertag bei dem ein oder anderen Einwohner schon erheblichen Unmut und Klärungsbedarf hervorgerufen hat“, so Schweigel.

Eine Beteiligung der Öffentlichkeit ist im so genannten vereinfachten immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren allerdings nicht vorgesehen, wie Claudia Hopf-Koßmann, Pressesprecherin des Landkreises, erklärt. Dennoch habe das Verfahren zweieinhalb Jahre gedauert. Alle betroffenen Fachbehörden seien beteiligt worden.

Im August 2017 hatten – organisiert vom MSC – auf dem Gelände die Enduro-Europameisterschaften stattgefunden. 200 Fahrer aus ganz Europa reisten damals an. Nur wenige Tage später untersagte der Landkreis Jerichower Land die weitere Nutzung des Geländes, weil die immissionsschutzrechtliche Genehmigung fehlte. Das Verfahren wurde neu aufgerollt.

Mitte Mai dieses Jahres erteilte der Landkreis dem Motorsportclub dann die Genehmigung. Im Rahmen dieser Genehmigung sei es dem Verein gestattet, das Gelände „zu Trainingszwecken mit Enduro-Fahrzeugen, Motocross-Fahrzeugen, Tourenwagen (600 bis 1600 Kubikzentimeter) sowie RC-Modellen zu befahren“. (Anmerkung der Redaktion: RC-Modelle sind ferngesteuerte Modellautos.) Darüber hinaus seien pro Jahr an maximal drei Tagen Motor-Rennen zulässig, so Hopf-Koßmann. Das Motorsporttraining dürfe nur sonnabends und sonntags sowie an den gesetzlichen Feiertagen des Landes Sachsen-Anhalt in der Zeit von 10 bis 13 Uhr und 14 bis 18 Uhr erfolgen, sagt Hopf-Koßmann.

Unter anderem zu diesen Trainingszeiten trugen Einwohner nun ihre Bedenken dem Körbelitzer Ortschaftsrat vor. Schon jetzt würden regelmäßig Crossräder durch den Ort „donnern“. Nun sollten auch noch Tourenwagen mit bis zu 1600 Kubikzentimeter erlaubt sein. Das werde den Lärm noch erhöhen, vermuten die Anwohner. Einige sehen auch die Vorbereitungen auf dem Gelände mit Sorge. Bäume seien illegal gefällt worden, um Strecken einzurichten. Müll liege herum.

Mit der Antwort von Ortsbürgermeisterin Ingeborg Schwenck, der Ortschaftsrat könne dazu nichts Konkretes sagen, waren die anwesenden Einwohner nicht einverstanden. Schwenck schlug deshalb einen Termin mit dem Motorsportclub vor. Hier könnten interessierte Einwohner Antworten auf ihre Fragen erhalten. Wann er stattfindet, soll noch öffentlich bekannt gegeben werden.

Der Volksstimme sagte Ingeborg Schwenck, sowohl der Gemeinderat Möser als auch der Körbelitzer Ortschaftsrat hätten eine „weitere sportliche Nutzung des Geländes“ gewollt und dem zugestimmt.

Das Gelände, das schon zu DDR-Zeiten Übungsstrecke der Gesellschaft für Sport und Technik (GST) war, gehört der Gemeinde Möser. Im Flächennutzungsplan ist der Bereich auf Beschluss des Gemeinderates als „Sonderbaufläche Endurostrecke“ ausgewiesen. Den Pachtvertrag mit dem Motorsportclub hatte die Gemeinde 2018 für zehn Jahre verlängert. Die Kritiker beklagen nun auch, dass hier laut Flächennutzungsplan nur eine Endurostrecke vorgesehen ist, nicht aber das Fahren mit Tourenwagen. Dazu sagt Mösers Bauamtsleiter Uwe Gent: „Der Flächennutzungsplan bietet lediglich die bauplanungsrechtliche Grundlage.“ Alles andere entscheide die zuständige Behörde auf Antrag, in diesem Fall der Landkreis.

Dessen Pressesprecherin verweist zur Lärmproblematik darauf, dass im Rahmen des Verfahrens durch den Motorsportclub eine Schallimmissionsprognose als Nachweis über die Einhaltung der Immissionsrichtwerte eingereicht worden war. Ein Ingenieurbüro habe dazu Geräuschmessungen vor Ort durchgeführt. Aus den Ergebnissen werde ersichtlich, „dass beim genehmigten Anlagenbetrieb keine schädlichen Lärmimmissionen an den nächstgelegenen schutzbedürftigen Wohnbebauungen zu befürchten sind“, sagt Claudia Hopf-Koßmann zum Ergebnis. Fahrten außerhalb des Anlagengeländes seien nicht genehmigt, erklärt die Pressesprecherin weiter.

Mösers Gemeindefeuerwehrleiter Dirk Jeitner kann die von den Kritikern erhobenen Vorwürfe nicht nachvollziehen. „Das war schon immer Übungsgelände“, sagt er. Und: „Das stört doch keinen.“ Der Betonbrecher eines Unternehmens im nahen Gewerbegebiet Möser sei sehr viel lauter, und das gehe den ganzen Tag.

Die Bäume sind laut Jeitner nicht durch den Motorsportclub, sondern durch die Gemeindefeuerwehr gefällt worden. Im Rahmen einer Übung hätten die Kameraden im vergangenen Jahr abgestorbene und nicht mehr standsichere Bäume entfernt. Jeitner ist auch Baumsachverständiger bei der Straßenmeisterei. Er sagt: „Der Motorsportclub wird dafür im Herbst Ersatzpflanzungen vornehmen.“

Auch über den Vorwurf, der Verein „vermülle“ das Gelände, ist Dirk Jeitner verwundert. Das Gegenteil sei der Fall. Die Vereinsmitglieder hätten jede Menge Müll beseitigt.

Im Internet und bei Facebook entbrannte am vergangenen Wochenende eine hitzige kontroverse Diskussion um das Gelände. Während die Kritiker-Seite von illegal und „wild in den Wald gepflügten Motorcrossstrecken“ und einem „massiv naturschädigenden Eingriff“ berichtet, sprechen sich hier auch viele für die Nutzung des Geländes durch den Motorsportclub aus. Dadurch würde etwas für die Jugend getan, es sei ein Sport wie jeder andere, und die Vereinsarbeit des MSC sollte unterstützt werden. Der Verein engagiere sich stark in der Kinder- und Jugendarbeit, so die Meinungen. Auch berichten bei Facecook einige Anwohner, man hätte das Fahren der Maschinen gar nicht gehört, wenn die Strecke in der Vergangenheit genutzt wurde.

Michael Kahlfuss vom MSC ist enttäuscht von „Hass und der Hysterie“, die jetzt zum Teil verbreitet werden. Dabei nehme der Verein die Bedenken ernst und wolle den Dialog suchen und das Vorhaben vorstellen. Denkbar ist das aus seiner Sicht bei einem Ortschafts- oder Gemeinderat. Ihm sei bewusst, dass Motorsport nicht jedermanns Sache sei. Aber: „Motorsport gehört zum Jerichower Land genauso wie der Pferdesport und der Fußball.“ Man müsse das nicht mögen, aber er würde sich ein bisschen Toleranz wünschen. Oft werde der Begriff Motorcross verwendet, was hier nicht richtig sei. Denn Rennen in dem Sinne, dass 20 Maschinen auf einmal um die Wette losfahren – dafür sei die Strecke nicht geeignet. Geplant ist eine Offroad-Freizeitstrecke“, sagt Kahlfuss. Außerdem drei Enduro-Veranstaltungen pro Jahr, wie etwa der Sachsen-Anhalt-Pokal. Auch BMX-Fahrräder sollen hier trainieren dürfen.

Zu den in der Genehmigung genannten Tourenwagen erklärt Kahlfuss: „Vier haben im Verein drei, vier Leute, die einen kleinen Geländewagen haben.“ Sie würden auf dem Gelände so genannte Jeep-Trials, das heißt Geschicklichkeitsfahrten, durchführen wollen.

Michael Kahlfuss ist bewusst, dass Motorsport und Umweltschutz erstmal nicht zusammen passen. Man könne es aber versuchen, sagt er. Geplant sei, die Ersatzpflanzungen und das Anbringen von Nistkästen in kleinen Schulprojekten zu organisieren.