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Jagd Wölfe reißen tragende Stute

Drei Wolfsangriffe an einem Wochenend in Möckern und Tucheim. Nutztierhalter und Jäger fordern die Bejagung des Wolfes.

Von Mario Kraus 29.09.2020, 01:01

Jerichow/Möckern l Dirk Freudenhagen hat es irgendwann einmal kommen sehen. Der Besitzer eines Stutenmilchhofes in Mangelsdorf bei Jerichow konnte mit dem Wolf schon Bekanntschaft machen – auf der Wildkamera in der Nähe des kleinen Dorfes. Jetzt hat Isegrim eines der Pferde seiner Partnerin gerissen – auf einer Wiese bei Möckern. „Das ist die Folge, wenn sich der Wolf immer mehr vermehren kann“, ist der Unternehmer verbittert. Die Wolfsangriffe haben für ihn damit eine „neue Dimension“ erreicht. Waren es bislang überwiegend Schafe oder Kälber, „wagen sich die Tiere nun auch schon an große Pferde“. Hinzu komme, dass die 13-jährige Appaloosa-Stute auch noch tragend gewesen sei. Der Schaden geht in die Tausende. Allein das Pferd hätte einen Wert von rund 6000 Euro gehabt. Es stand auf einer Koppel eines Bekannten und war mit einem 1,20 Meter hohen Zaun, an dem 4000 Volt gekoppelt waren, gesichert. Für Isegrim kein Hindernis. „Das Pferd ist eindeutig mit einem Kehlbiss getötet worden“, sagt Freudenhagen. Die Stute sei im dritten Monat tragend gewesen, informierte gestern der Besitzer der Weide bei Möckern, Florian Zedschak. Ihm zufolge habe es hier in der Vergangenheit immer wieder Wolfsbeobachtungen gegeben. Vor etwa drei Wochen seien auf dem Feldweg die Überreste eines gerissenen Wildschweines gefunden worden. Zedschak vermutet, dass das Pferd von mehreren Wölfen angegriffen wurde und ein Alttier den jüngeren Tieren das Jagen beibringen wollte.

Amtlicherseits ist man hingegen zurückhaltend. Wie Ines Wahl, Pressesprecherin des Landesamtes für Umweltschutz, auf Anfrage mitteilte, seien bisher noch nicht die Umstände eindeutig geklärt, wie die Stute zu Tode kam. Der Mitarbeiter des Wolfskompetenzentrums Iden, der vor Ort war, habe aufgrund des Regens keine DNA-Probe mehr nehmen können. Einen Tötungsbiss habe es nicht gegeben. Die getötete Stute sei zu einer weiteren Begutachtung zum Stendaler Veterinäramt gebracht worden.

Böse Erfahrungen mit Isegrim machte am Wochenende auch Patrick Gellrich aus Tucheim. Auf seinem Grundstück entdeckte er am Sonntag die Folgen eines Gemetzels. Hier rissen Wölfe sechs Kamerunschafe, zwei wurden schwer verletzt. Für Gellrich sind die Übergriffe nichts Neues. Bereits im Frühjahr bahnten sich Wölfe den Weg auf die Koppel und rissen drei Schafe. Von der elfköpfigen Herde sind jetzt noch zwei Tiere am Leben.

Einen weiteren Wolfsriss soll es nach Mitteilung von Mathias Holzberger, Vorsitzender der Jägerschaft Genthin, bei Loburg gegeben haben. Er geht mit der Politik hart ins Gericht. „Es handelt sich um den ersten Riss eines Großpferdes in Sachsen-Anhalt. Wie schlimm soll es eigentlich noch werden, bevor gehandelt wird?“ Das Jerichower Land und vor allem die Region Genthin entwickele sich immer mehr zu einem Hotspot. „Wölfe dringen jetzt auch vermehrt in die Ortschaften ein, um Nutztiere zu reißen, wie zum Beispiel vor einigen Wochen in Kade.“ Auch in Karow und Dörfern des angrenzenden Landkreises Potsdam-Mittelmark habe der Wolf bei Nutztieren in den zurückliegenden Wochen seinen Hunger gestillt. Die Bluttaten seien vielfach nicht gemeldet worden, weil keine Aussicht auf Entschädigung bestanden hätte. Deshalb müsse dort, wo es zu solchen Übergriffen komme, der Wolf auch schnell bejagt werden, so Holzberger. Wie im Fiener: Nach den jüngsten Rissen geht der Vorsitzende der Jägerschaft von einem alten Wolf aus. „Durch den Regen der letzten Tage und den feuchten Boden waren die Fährten sehr gut zu erkennen. Etwa 13 Zentimeter Fährtendurchmesser, auf weichem Untergrund teils 14 Zentimeter, deuteten darauf hin.“ Holzberger vermutet, dass es sich bei allen Rissen in den Orten um Genthin „um ein und den selben Wolf handelt, auch wenn die vertilgte Fleischmenge in Tucheim auf zwei Tiere schließen lassen könnte“.

Eine weitere Folge der „übermäßigen Wolfsbestände“ sei die Tatsache, dass die Jagdstrecken bei Rot-, Dam- und Rehwild um bis zu 40 Prozent zurückgegangen seien. „Das Muffelwild ist mittlerweile durch den Wolf völlig ausgerottet“, so Holzberger. Schützenhilfe leistet der Vorsitzende der Burger Jägerschaft, Pieter Ziems. Er fordert „eine konsequente Umsetzung aller vorhandenen rechtlichen Möglichkeiten, um die zunehmenden Nutztierrisse zu verhindern. Die Wölfe müssen ihre natürliche Scheu wiedererlangen, sonst kann auch eine Gefährdung von Menschen nicht ausgeschlossen werden.“

Auch Kreisjägermeister Hartmut Meyer sieht „ein massives Wolfsproblem im Jerichower Land“. Er weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass im Jerichower Land sechs Prozent der bejagbaren Fläche im Bundesland lägen, der Landkreis aber überproportional die bestätigten Risse repräsentiere.

Landrat Steffen Burchhardt (SPD) sieht nun das Land in der Pflicht. Nachdem schon im vergangenen Kreis-Umweltausschuss eine deutliche Mehrheit dafür votiert hatte, die Wolfs-Resolution zu erneuern, da sich die Situation spürbar verschärft habe, bleibe aus Sicht der Kreisverwaltung keine andere Lösung, als den Wolf dort zu entnehmen, wo dieser wiederkehrend Nutztiere reißt und dem Menschen sehr nahe kommt. Die rechtlichen Möglichkeiten, die Population des streng geschützten Wolfes zu verringern, seien im Bundesnaturschutzgesetz erleichtert worden. Landrat Burchhardt richtet in einer Pressemitteilung einen Appell an Ministerpräsident Haseloff: „Ich sehe das Land jetzt in der Pflicht zu reagieren. Der Wolf ist kein flächendeckendes Thema, aber Regionen, die so stark betroffen sind wie wir, benötigen dringend Hilfe. Die Zeit des Redens ist vorbei, jetzt muss gehandelt werden.“