Umwelt Jungstörche drohen zu verhungern
Die anhaltende Dürre rund um Burg zwingt Storcheneltern zu drastischen Maßnahmen: Sie werfen ihre Jungen aus dem Nest.
Burg l Der junge Storch hat es sich im Nest neben seinen Geschwistern gemütlich gemacht, da kommen die Eltern – und werfen ihn über den Nestrand. Hart schlägt das Jungtier auf dem Boden auf – schwer verletzt oder tot.
So wie diesem Jungstorch ergeht es derzeit vielen Tieren im Jerichower Land: Weil der Regen fehlt, ziehen sich Regenwürmer, ein Hauptnahrungsmittel der Störche, tiefer in die Erde zurück. Gibt es nicht genügend Futter, entscheiden sich die Storcheneltern immer häufiger, das schwächste Jungtier aus dem Nest zu werfen.
Michael Kaatz vom Loburger Storchenhof berichtet: „Täglich erfahren wir von abgeworfenen Jungstörchen, die größtenteils auch bei uns abgegeben werden. Meist überleben sie nicht, wenn doch, sind sie schwer verletzt.“
Einen Sturz aus bis zu zehn Metern Höhe überlebe nur jedes 20. Jungtier, erklärt Kaatz. Bei Hautverletzungen tragen er und sein Team Wundsalben auf, gebrochene Beine und Flügel werden geschient. „Unser Bestreben ist es natürlich, die genesenen Jungstörche so schnell wie möglich wieder in ein passendes Nest zu setzen“, so Kaatz. In Loburg hätten die Mitarbeiter des Storchenhofes etwa ein Jungtier in ein bestehendes Nest mit Nachwuchs gesetzt. Der neue Storch sei daraufhin gut von den Eltern angenommen und versorgt worden.
20 Jungstörche befinden sich derzeit im Storchenhof Loburg in Pflege – ein Viertel davon sind Jungtiere, die aus dem Nest geworfen wurden.
In einem guten Jahr, mit ausreichend Nahrung, werden im Jerichower Land etwa 40 Jungstörche geboren, so Peter Gottschalk, Horstbeauftragter im Altkreis Burg. 2017 wurden nur 28 Jungstörche gezählt, in diesem Jahr befürchten Naturschützer einen noch geringeren Bestand.
Die genaue Zahl der Jungtiere kann erst nach dem Beringungstermin Ende Juni genannt werden – wenn die Storchenbeauftragten die Tiere mit Ringen an den Beinen versehen, um ihre Flugroute nachzuverfolgen, und dabei die Nester inspizieren, um die Jungtiere zu zählen.
Ebenfalls an der Tagesordnung sei es, dass Storchenküken, die wenige Tage nach dem Schlüpfen verhungern, von den Altstörchen gefressen werden, so Gottschalk. Die Anzahl dieser sofort beseitigten Küken könne im Nachhinein nur schwer festgestellt werden.
Mario Firla, Weißstorchbeauftragter des Altkreises Genthin, sieht die Nahrungssuche weniger problematisch: „Durch das warme Wetter dürften sich Grashüpfer und Heuschrecken stärker vermehrt haben, und auch diese werden von den Jungstörchen gerne gefressen“, erklärt der Storchenexperte.
Dennoch zeige die Statistik, so Firla, dass bereits 2017 ein schlechtes Storchenjahr gewesen sei – es habe nicht ein volles Nest mit vier bebrüteten Eiern gegeben.
Während im vergangenen Jahr zu viel Regen dazu geführt hatte, dass die Jungstörche in ihren Horsten verendeten, könnten sich die Storcheneltern in diesem Jahr an die Hitze anpassen – und ihrem Nachwuchs mit ihrem Körper Schatten spenden. Schwieriger werde es, so Firla, wenn kalte Temperaturen die Jungstörche auskühlen lassen. „An Orten, wo die Störche ganz fehlen, ist das ein Zeichen, dass die Umwelt kaputt ist“, sagt Firla.
In ganz Sachsen-Anhalt gibt es derzeit 650 Horstpaare mit etwa 1200 Storchenjungen jährlich – das entspricht zwei Jungstörchen pro Paar. In diesem Jahr könnte die Zahl auf unter 1000 Jungtiere fallen.
1000 Gramm Futter pro Tag benötige ein Jungstorch in der Hauptfutterphase, um sein Gewicht von 70 auf 3500 Gramm zu steigern, erklärt Storchenhofleiter Michael Kaatz. „Dabei ist er nicht wählerisch, frisst alles, was in seinen Schnabel passt“, sagt Kaatz.
Wenn Spaziergänger abgeworfene Jungstörche finden, die verletzt sind, sollten sie diese zuerst zu einem Tierarzt bringen.
Danach kümmert sich der Storchenhof darum, dass die Tiere gesund gepflegt und anschließend wieder ausgewildert werden.