Der heutige Blumenthaler gibt Einblicke in 40 Jahre Tätigkeit bei der Deutschen Bahn Klaus Franke über seine Bahn-Zeit: "Sie ahnen ja nicht, was ich alles gesehen habe"
Wieso gibt es laufend Verspätungen bei der Bahn? Wie konnte das Unglück in Hordorf geschehen? Dr. Klaus Franke erklärte dem Heimatverein Parchau das System Deutsche Bahn und sprach über spannende und traurige Ereignisse während seiner Tätigkeit im Bahnwesen.
Parchau l Über 40 Jahre war Dr. Klaus Franke im deutschen Bahnwesen in leitenden Positionen tätig. Nachdem er 1971 sein Studium des Ingenieurwesens beendete, begann er eine Karriere bei der Deutschen Bundesbahn, wurde 1980 zum Amtsvorstand befördert und für bis zu 3500 Mitarbeiter zuständig. Unter sich hatte er den ganzen laufenden Bahnbetrieb einer Region. "Ich war wirklich überall", sagt er, "Hannover, Köln, Frankfurt oder Essen. Am Freitag erfuhr ich, wo ich am nächsten Montag eingesetzt werde." Neue Strecken und Bahnhöfe hat er geplant, Personal und Dienstpläne organisiert.
Die Leidenschaft für die Bahn hatte er von Kindheit an. "Natürlich habe ich als Kind gern mit der Eisenbahn gespielt, aber noch lieber habe ich Strecken aufgebaut", scherzt er. Das Planerische und Organisatorische lag ihm immer: 1988 verließ er die Deutsche Bahn und wurde Betriebsdirektor einer Privatbahn in Hamburg.
Warum kommt die Bahn immer zu spät? - Eine Frage, die den Parchauern während des Vortrages auf den Nägeln brannte. "Das ganze Fahrplansystem ist wie ein Uhrwerk, das ineinandergreift. Wenn etwas an einer Stelle nicht stimmt, hat das Auswirkungen auf ganz Deutschland", erklärt Dr. Franke. Dieses System nennt sich "Integrierter Taktfahrplan": Züge sind an Anschlusszüge gekoppelt. Wenn aber der erste Zug nicht pünktlich kommt, hat der zweite nur eine begrenzte Wartezeit, sonst fährt er ab. Dieses Phänomen kennt jeder Fahrgast nur allzu gut. Früher waren die Fahrpläne nicht so starr geplant, so dass sich Verspätungen nicht so stark auf das ganze Netz auswirkten. "Sinnvoller wäre eine dichte Zugfolge wie zum Beispiel bei der S-Bahn. Denn da wären immer Anschlüsse gegeben, ohne dass Züge aufeinander warten müssten", erklärt Dr. Franke. Seiner Meinung nach wäre das besser, um Verspätungen zu vermeiden.
Vieles hat sich seit 1970 geändert. Die Zeit der Streckenläufer ist vorbei. Alle zwei Tage musste früher ein Mitarbeiter die ganze Strecke nach Fehlern absuchen. Heute übernimmt das ein computergesteuerter Zug. Er fährt über die Gleise und analysiert ihren Zustand anhand technischer Daten. Auch die Unkrautbekämpfung erfolgt heute durch Züge, die Herbizide versprühen.
Was sagt der Experte zum Unglück in Hordorf? "Das verstehe ich einfach nicht", meint Dr. Franke. "Es gibt genau dafür eine Technik, die an der Stelle nicht installiert war". Ein sogenannter Gleismagnet wird vor Gefahrenstellen, wo zwei Züge aufeinandertreffen könnten, angebracht. Er kann Warnungen abgeben und sorgt für eine Zwangsbremsung des Zuges, wenn ein rotes Signal überfahren wurde. "Und das ist nicht mal neue Technik. Das gibt es seit Jahrzehnten. Sicher sind viele Zugunglücke Folge menschlichen Versagens. Aber das kann mit dieser Technik abgefangen werden".
Aber auch Dr. Franke musste Bahnunglücke miterleben. Ein Schulbus überfuhr bei Wiesbaden einen Bahnübergang, der versehentlich nicht geschlossen wurde. Sieben Tote gab es zu beklagen. Und Dr. Franke war verantwortlich für den Streckenteil. Er erklärt die Tragödie so: Die Fahrdienstleiter regelten den Zugverkehr auf der Strecke. Einer meldete dem nächsten die vorraussichtliche Abfahrzeit eines Zuges. Der Schrankenwärter musste dann rechtzeitig die Bahnschranke herunterlassen. "Manchmal hat sich ein Schrankenwärter mit der Zeit vertan und die Schranken nicht rechtzeitig geschlossen. Dann konnten so schreckliche Unfälle geschehen. Heute gibt es solche Schranken nicht mehr, dafür haben wir heute automatische Schranken."
Generell hat er eine Leichtfertigkeit der Menschen an Bahnübergängen beobachtet. "Sie glauben ja nicht, was ich alles gesehen habe. Da gab es Kinder, ja sogar Polizisten, die einfach unter geschlossenen Bahnschranken durchgekrochen sind oder Autofahrer, die um die Halbschranken herum fuhren." Das waren keine Einzelfälle. "Das kommt auch daher, weil man manchmal so lange an der Bahnschranke wartet. Die Leute denken, der Zug kommt ewig nicht", erklärt er den weit verbreiteten Trugschluss, der zu schlimmen Unfällen führt. Auch in Burg wartet man ewig. "Der Zug kann noch nicht einmal in den Bahnhof einfahren, ist die Schranke nicht geschlossen." Die maximalen sechs Minuten Wartezeit an der Bahnschranke sind das Maximum "Die Zeit sollte aber kürzer sein. So dass die Leute bei geschlossener Bahnschranke wissen: ¿Achtung, jetzt kommt wirklich gleich ein Zug\'".
Dr. Klaus Franke ist seit 2011 in Rente und lebt in Blumenthal. Nach der Zeit in Hamburg hat es ihn wieder in seine Heimat verschlagen: Geboren ist er in Derben.