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Wolfsrisse Kreistag sieht keinen Notstand

Trotz des Anstiegs von Wolfsrissen in Burg und Genthin sieht der Kreistag keinen Handlungsbedarf. Ein Wolfsnotstand wird nicht ausgerufen.

Von Thomas Skiba 05.06.2020, 04:00

Burg/Genthin l Der Forderung der AfD/Endert-Fraktion nach der Ausrufung des Wolfsnotstandes folgte im Kreistag eine betont sachliche Diskussion. Die Fraktion Bündnis 90/Grüne suchte den Kompromiss mit dem Antrag auf eine Übergabe der brisanten Thematik an den Umweltausschuss. Das wurde von allen Fraktionen befürwortet und einstimmig beschlossen.

Am Anfang gab es Statistik: „Zehn Tiere gerissen – im Zeitraum Januar bis Mai 2019“, präsentiert Phillipp-Anders Rau, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der AfD, Zahlen. „Im gleichen Zeitraum 2020 gerissen: 57 Tiere.“ Der Landkreis verzeichne derzeit die höchste Wolfsdichte bundesweit. Die Zahlen und viele Gespräche mit Bürgern seien für die AfD/Endert-Fraktion Anlass gewesen, im Kreistag die Ausrufung des Wolfsnotstandes zu fordern. Dieser Status sei wesentlich, so Rau weiter, um Wolfsschutzmaßnahmen im Landkreis schneller umzusetzen und die dafür benötigten Finanzmittel zu bekommen.

Lutz Nitz (Fraktion Bündnis 90/Grüne) stimmte zu, dass über das Thema Wolf geredet werden muss. „Nur die Formulierung, dass es in dem Antrag heißt: ,Wie lange wollen wir noch warten, bis unsere Kinder im Wald zerfetzt werden?‘ stößt mir bitter auf." Man wolle besser in einer fachlichen Diskussion die unterschiedlichen Positionen beleuchten und zusammenbringen, so Nitz. Hier sehe er den Umweltausschuss als kompetente Plattform an.

Gabriele Herrmann von der Fraktion Die Linke unterstützte den Vorschlag der Bündnis 90/Grüne-Fraktion, den Antrag an den Fachausschuss zu überweisen: „Wir können mit dem Begriff Wolfsnotstand nichts anfangen.“ Ohne eine Definition und rechtliche Konsequenzen bleibe der Wolfsnotstand ein Schlagwort ohne Inhalt. Herrmann will im Landkreis wieder einen Wolfsbeauftragten einsetzen, im Umweltausschuss einen entsprechenden Antrag stellen.

Für die CDU-Fraktion nahm Markus Kurze Stellung und sprach ebenfalls für die Übergabe des Themas in den Umweltausschuss. „So wie es mit den Wölfen aktuell ist, braucht man sich derzeit nicht wundern, dass es auch harte Worte gibt und manch einer Angst um seine Kinder hat.“ Zudem machte er seine persönliche Betroffenheit klar: Er sei auch schon einem Wolf begegnet, so Kurze, und, „es hat mich erschreckt“. Es mache Sinn, so Kurze weiter, eine gemeinsame Vorgehensweise zu erarbeiten und die Emotionen, soweit es geht, herauszuhalten. Vor allem müsse es schnelle Lösungen für geschädigte Landwirte geben – ohne Beschränkungen. „So bekommt ein Landwirt keinen Weidenschutzzaun gefördert, wenn er einen Hund besitzt“, bringt Kurze kopfschüttelnd als Beispiel an. Hier müssten einfache, pragmatische Regelungen geschaffen werden.

AfD-Mann Rau antwortete, dass man sich einer weiteren Beratung nicht verschließen werde und darum auch seine Fraktion für eine Übergabe in den Umweltausschuss stimme.

2018/19 haben sich insgesamt vier Wolfsrudel im Jerichower Land mit folgenden Standorten angesiedelt: Parchen, Möckern, Stresower Heide und Altengrabow, bestätigt das Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt auf Anfrage der Volksstimme. Ein Rudel besteht aus den Eltern, den Jungtieren dieses Jahres und einiger Jährlinge. Nachgewiesen waren im letzten Monitoring-Jahr mindestens 26 Individuen.

Unter Einbeziehung der Grenze zu Brandenburg sei die Anzahl von Wolfs-Territorien im Jerichower Land im Vergleich zu anderen Landkreisen Sachsen-Anhalts eher moderat. Der Einschätzung, der Landkreis Jerichower Land habe die bundesweit höchste Dichte an Wölfen, stimme das Landesamt nicht zu. So habe der Landkreis Wittenberg die höchste Anzahl von Territorien in Sachsen-Anhalt (6), gefolgt vom Altmarkkreis Salzwedel (4 bis 5).

Sorgen bereite dennoch die Riss-Statistik: 2019 gab es 25 Rissfälle im Jerichower Land mit insgesamt 66 getöteten Tieren. In diesem Jahr wurden bisher 17 solcher Fälle mit 64 getöteten Tieren dokumentiert. Die Anzahl von Rissvorfällen sei nicht von der Wolfsdichte, sondern vom funktionalen Herdenschutz abhängig, so die Behörde weiter. Herdenschutzmaßnahmen – auch für Hobbyhalter - werden für verschiedene Nutztierarten bis zu 100 Prozent vom Land gefördert. Eine kostenlose Beratung biete das Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt an.

Für Menschen bestünde grundsätzlich keine Gefahr und kein Anlass, Wälder aus Angst vor Wölfen zu meiden. Tipps zum Verhalten bei Begegnungen gibt es auf der Website des Landesamtes für Umweltschutz.