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Wolfsangriff Schafe und Damwild gerissen

Wölfe haben 8 Schafe bei Lostau und Blumenthal gerissen. Tierhalter verstärken Sicherheitsvorkehrungen.

Von Mario Kraus 25.02.2020, 00:01

Lostau/Burg l Wanderschäfer Andreas Karwath und der Wolf – seit etwa zehn Jahren haben beide eine besondere Beziehung. Mehr als 80 Tiere hat der 60-Jährige bereits durch Übergriffe von Isegrim verloren. An den Anblick kann er sich trotzdem nicht gewöhnen. Und auch in der Nacht zum Montag hatte er schon ein mulmiges Gefühl. Als gegen 3 Uhr sein Telefon klingelte, wusste er, dass er wieder einmal Recht behalten sollte. Zu dieser Zeit hatte ihm die Polizei mitgeteilt, dass einzelne Schafe auf der Landstraße bei Lostau umherliefen.

Karwath war sofort klar: Die Schafe müssen aus Angst vor dem Wolf ausgebrochen sein. Wenige Minuten später lotste der Schäfer die völlig verstörten Tiere zurück auf die Weide, wo er noch im Dunkeln Gänsehaut bekam. Es dauerte nicht lange, bis er die blutigen Kadaver im satten Wiesengrün entdeckte, darunter auch kleine Lämmer, die ihr Tierleben noch vor sich hatten. „Wölfe sind in die Koppel eingedrungen, so dass die Schafe Hals über Kopf ausgerissen sind“, sagt Karwath, der solche Situationen schon oft erlebt hat. Insgesamt lagen acht Tiere verstreut umher, die Peter Oestreich vom Wolfskompetenzzentrum Iden (WZI) am Mittag untersuchte und von denen er genetische Proben entnahm. „Endgültige Gewissheit wird die Untersuchung bringen“, sagte der Fachmann.

Bis gestern Abend wurden noch vier verletzte Schafe entdeckt, möglicherweise müssen zwei heute eingeschläfert werden. Für Karwath steht indessen felsenfest, dass der Wolf wieder einmal seinen Hunger gestillt hat. Den Schaden beziffert er auf mehr als 1000 Euro. Für ihn beginnt nun wieder die bürokratische Arbeit um eine Erstattung. „Das kann aber nicht die Lösung sein. Die Politik muss endlich Regelungen schaffen, um die Wolfsbestände zu reduzieren“, sagt er. „Sonst gibt es eines Tages keine Schäfer mehr. Wer will sich den ständigen Übergriffen noch aussetzen?“, fragt er.

Auch Klaus Franke sieht mit der Zunahme der Wolfsrudel eine Gefahr. „Nicht nur durch die Tiere selbst, sondern auch dadurch, dass sie in Herden eindringen und es durch freilaufende Schafe oder Rinder zu schweren Unfällen kommen kann“, sagt der Blumenthaler. Er hat am Sonnabend erlebt, dass sich Wölfe unter einen Zaun durchbuddeln und auch vor Damwild nicht zurückschrecken. In einem etwa zwei Hektar großen Gatter, das nur etwa 80 Meter von einem Wohnhaus entfernt ist, töteten die Wölfe vier Tiere, darunter ein Kalb. Auch in diesem Fall entnahmen die WZI-Mitarbeiter entsprechende Proben. Franke, der in dem Burger Ortsteil einen landwirtschaftlichen Betrieb führt, ließ den Gatterzaun gestern am Boden verstärken, damit es Wölfe künftig schwerer haben, auf Beutesuche zu gehen. „Ich hoffe, dass dieser Schutz ausreicht“, sagt Franke. Doch es bleibe eine große Portion Ungewissheit. „Es ist eben höchste Zeit für eine Bejagung.“

Allerdings: Den Jägern sind die Hände gebunden. „Dafür gibt es keine ausreichende rechtliche Handhabe“, sagt Wilko Florstedt, Geschäftsführer des Landesjagdverbandes.

Für Sachsen-Anhalt gilt die Leitlinie Wolf, die weiterhin einen strengen Schutz des Wolfes beinhaltet. So ist die Möglichkeit eines Abschusses auch weiter auf auffällige Einzeltiere begrenzt und darf nur nach strenger Prüfung per Genehmigung durch mehrere Behörden erfolgen. Das Land fördert bisher den Kauf von Elektrozäunen und Schutzhunden.

Andreas Karwath kann nur den Kopf schütteln. „Die Schäfer müssen doch immer tiefer in die eigene Tasche greifen, um für einen entsprechenden Schutz zu sorgen. Und gleichzeitig steigt die Anzahl der Wölfe immer weiter an.“ Und: Schafhalter müssten schon deshalb künftig mit mehr Wölfen rechnen, „weil es mittlerweile kaum noch Rehe gibt“, meint der Schäfer. In Sachsen-Anhalt lebten 2018/19 laut Monitoring des Landes 98 Wölfe in 15 Rudeln. Im Jerichower Land gibt es das Altengrabower, Möckeraner und Parchener Rudel. Zwischenzeitlich soll sich auch ein Rudel in der Stresower Heide gebildet haben.