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Spenden für Einrichtungsgegenstände reichen kaum noch aus, um Kosten zu decken Schöne Sofas zum kleinen Preis: Immer mehr Bedürftige nutzen Soziale Möbellager

06.02.2012, 04:27

Jeder fünfte Mensch in Sachsen-Anhalt ist von Armut gefährdet. Betroffene können es sich oft nicht leisten, ihre Wohnungen mit neuen, teureren Möbeln einzurichten. Hilfe und Unterstützung finden die Bedürftigen bei Sozialen Möbellagern - zum Beispiel in Burg.

Burg/Genthin l Langsam geht die Frau durch die Reihen, die ausschließlich von Schränken und Regalen gebildet wird. Immer wieder bleibt sie stehen, öffnet eine Tür, nimmt die Möbelstücke genau unter die Lupe. Die junge Mutter ist vielleicht gerade einmal 30 Jahre alt, doch ihr eingefallenes Gesicht lässt sie deutlich älter erscheinen. "Was kosten die beiden Schränke dort vorn?", fragt sie den älteren Mann, der mit schnellem Schritt durch den Gang gelaufen kommt. "Die da?" fragt der Mitarbeiter des Sozialen Möbellagers und zeigt auf eine kleine Schrankwand aus massivem Kiefernholz. "25 Euro", antwortet er ihr. "Und das orangefarbene Sofa hier?", fragt sie zurück. "35 Euro", sagt Mitarbeiter knapp. Die junge Frau fängt an zu lächeln, denn das kann sie sich leisten - genau 60 Euro beträgt ihr Budget. "Ich nehme Beides", sagt sie und läuft stolz mit ihm zur Kasse, um alles Weitere zu besprechen. Die junge Mutter ist arbeitslos, doch sie hat sich soeben ihr Wohnzimmer neu eingerichtet.

Begegnungen wie diese erleben die Mitarbeiter der Sozialen Möbellager in Burg und Genthin jeden Tag. "Es gibt Menschen, die so bedürftig sind, dass sie sich von ihrem Geld keine neuen Möbel leisten können", erklärt Bettina Körtge, die die Arbeit des Sozialen Möbellagers in Burg leitet. Sie ergänzt: "Dann kommen sie zu uns und können sich mit unserer Unterstützung trotzdem ihre Wohnung einrichten." Dass die Zahl der bedürftigen Menschen, die diese Hilfe benötigen, in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen ist, bestätigt Bettina Körtge. "Egal ob junge und oft von Arbeitslosigkeit betroffene Familien oder Rentner, deren Einkommen kaum zum Lebensunterhalt ausreicht - immer mehr Bedürftige nutzen die Möbelweitergabe im Jerichower Land", sagt sie.

Gegenstände sollten noch gebrauchsfähig sein

Spielsachen, Schränke, Fernseher, Sofas, Teller und Tassen, Gardinen und Vorhänge - das "Angebot" in den Sozialen Möbellagern ist groß. "Die Dinge aus einem Haushalt, die in Ordnung und noch gebrauchsfähig sind, nehmen wir an", sagt Ulrich Geisheimer, Leiter des Sozialen Möbellagers in Genthin. Er erklärt, dass die wenigsten Menschen, die Sachen abzugeben haben, selber in den Möbellagern vorbeikommen. "In der Regel werden wir kontaktiert, wenn eine Wohnungsauflösung stattfindet: Dann fahren wir los und holen die Sachen ab." Dass auch heute noch viele Möbelstücke als Sperrmüll entsorgt werden, die auch gut eine Zweitverwendung bei Bedürftigen finden könnten, ärgert den Genthiner manchmal. "Noch immer wissen viele Menschen nicht, dass es uns gibt oder sie denken in den Situationen dann nicht daran, uns anzurufen."

Wenn selten auch mal etwas hochwertigere Gegenstände im Möbellager ankommen, sind diese meist schnell wieder weg. "Aber auch ansonsten stehen die meisten Sachen nicht lang herum. Wer wirklich etwas dringend sucht und benötigt, wird hier in der Regel fündig", sagt Bettina Körtge, die von einer Möbelweitergabe spricht. "Das, was wir hier tun, ist kein Verkauf. Wir wollen den Menschen helfen und geben die Sachen, die oft einen größeren Wert haben, gegen eine Spende ab." Dass über den Betrag trotzdem verhandelt wird, kommt vor. "Wir sind kein Flohmarkt, aber hin und wieder feilschen die Menschen auch um den Preis", sagt Ulrich Geisheimer, der als Leiter versucht, die anfallenden Kosten wie Miete, Betriebs- und Spritkosten im Blick zu behalten.

Diakonisches Werk muss Minus der Möbellager ausgleichen

Doch das Konzept mit den Spenden für die Möbelstücke stellt das Diakonische Werk im Jerichower Land zunehmend vor Herausforderungen. "Unsere Möbellager sind leider schon seit Jahren wegen der hohen Betriebskosten, wie die Unterhaltung der Autos und der Lager, defizitär. Dies gilt vor allem für das Genthiner Möbellager, da hier 2011 Gasnachzahlungen in fünfstelliger Höhe fällig wurden, die wir in Raten noch einige Jahre lang zurückzahlen werden", sagt Dr. Martina von Witten, Geschäftsführerin des Diakonischen Werkes im Jerichower Land. Dennoch soll sich der Arbeitszweig auch in Zukunft möglichst durch Spenden tragen.

Die junge Mutter, die sich neue Schränke und ein neues Sofa angeschafft hat, bezahlt diesen Obolus gern. Sie ist froh, dass es das Soziale Möbellager gibt und sie sich ihr Wohnzimmer neu einrichten kann. "Und sie liefern mir die Sachen wirklich bis nach Hause?", fragt sie den Mitarbeiter an der Kasse ungläubig. "Natürlich", sagt er, "und das sogar zu ihrem Wunschtermin."