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Start in Magdeburg Unterwegs nach Berlin anno 1929

Vom glatten Asphalt und der abwechslungsreichen Landschaft schwärmte 1929 der Journalist bei seiner Tour von der Elbe zur Havel. Stinkende Autos fielen ihm auch auf.

Von Manuela Langner 01.01.2024, 11:00
Nach Berlin bitte dem Pfeil folgen - Wegweiser in Burg.
Nach Berlin bitte dem Pfeil folgen - Wegweiser in Burg. Foto: A. Krickau

Biederitz/Möser/Burg. - Eine spiegelglatte Fläche ohne schwierige Kurven, eine sehr gut zu übersehende Fahrbahn in wechselhaft gestalteter Gegend: Ein Genuss sei es für jeden Autler (Autofahrer) die Straße von Magdeburg nach Berlin zu fahren. Zumal Fußgänger und Viehgespanne kaum noch den Verkehrsfluss störten, sich lediglich noch Krafträder und Radfahrer neben den Motorkarossen behaupteten. Im Herbst 1929 schrieb Walter Sens unter der Überschrift „Auf Chausseeasphalt von der Elbe bis zur Havel“ für das Jerichowsche Tageblatt über seine Tour von Magdeburg in Richtung Berlin.

„Was früher eine staunenswerte Tagesleistung war, ist heute kaum beachtenswertes Stundenquantum geworden.“

Von Berlin über Magdeburg in den Harz

In so einem „erstklassigen Zustande“ sei die Berliner Chaussee, heute Bundesstraße 1, jedoch nicht immer gewesen. Die verschiedenen Straßenpflaster und Schotterungen ihrer ersten rund hundert Jahre seien nicht mit dem neuen „Teerasphaltbelag“ zu vergleichen.

Vom Frühjahr bis zum Einsetzen von Schnee und Glatteis sei die Straße ohne Unterbrechung sehr belebt, vor allem an den Wochenenden, „als wenn ganz Berlin mit dem Auto in den Harz ziehen will und Sonntagnacht wieder heimeilt“.

Ein kritischer Punkt „allererster Ordnung“

Aber, Achtung! Gleich hinter der „unwahrscheinlich langen Brücke“ bei Heyrothsberge, „unter der in besonderen Notzeiten die schmutziggelben Fluten im Umflutkanal gurgeln“, erwarte den Autler einen „kritischen Punkt allererster Ordnung, die unübersichtliche Stelle, an der die Loburger Straße auf Königsborn zu abzweigt“.

Lag zur Eröffnung der Kunststraße (in Etappen ab 1819/20) über „Meilen hindurch kein Ort an der Provinzen verbindenden Chaussee“, habe sich (Neu-)Gerwisch inzwischen zu einem „stattlichen Dorf ausgewachsen“. An dem aus einer Sicht „proportionswidrigen Turmabschluss“ der Kirche entlang der Ortsdurchfahrt fand Walter Sens allerdings keinen Gefallen.

Weiter in Richtung Möser steigt die Straße „ganz allmählich, aber stetig.“ Vorbei an den alten Magdeburger Rieselfeldern „erklimmen wir die Höhe von Möser“. Der Fernblick reiche bis nach Burg.

Wirtschaftliche Not

Ab Schermen wandele sich der Landschaftscharakter erneut. Schon zwischen „Biederitz mit dem auenwaldgleichen Busch“ und Gerwisch mit den „schon weniger stattlichen Kiefernwald“ hatte sich dem Autler und seinen Passagieren die wechselhafte Landschaft bemerkbar gemacht. Während Walter Sens von Lostau und Hohenwarthe schwärmte, fand er für die Umgebung von Woltersdorf und Körbelitz nicht so herzliche Worte („nichtssagende Hügel“).

Die Doppeltürme der alten Kirchen und den modernen Wasserturm, der mit seiner Fassade allerdings die Romantik einiger verflossener Jahrhunderte vortäusche, beschrieb Walter Sens bei seiner Einfahrt nach Burg. Sein Blick ging ebenso zu den Fabrikschloten. Einige rauchten, andere nicht. „Die wenigsten spenden noch Brot.“ Die wirtschaftliche Not war spürbar.

Burger Straßengewirr

Erst in den 1970er Jahren würde in Burg die Umgehungsstraße gebaut werden. Bis dahin musste sich sämtlicher Verkehr durch die Innenstadt wälzen. „Sehr vorsichtig passieren wir das kurvenreiche Straßengewirr von Burg, gleiten anfangs an dem imponierenden Komplex der Tackschen Schuhfabrik vorbei, ducken uns an der Straßenüberführung, die den freien Blick auf das in Blattfiligran gehüllte Mauerwerk der Unterkirche hindert, umfahren auf der schlauchartig erweiterten, Marktplatz sein wollenden Straße im Herzen der Stadt das verkehrshindernde und doch auch wieder verkehrsregelnde Denkmal, sehen die Ihle unter unseren Rädern plätschern, keuchen den Berg zum alten Rathaus hinauf und gewinnen auf einer reifenmaternden Ausfahrt endlich in der Gegend der Bismarck-Warte die freie Straße nach Reesen.“

Das Dorf fliegt am Autofahrer geradezu vorbei, schon naht Hohenseeden. Auf der gebogenen Straße im Dorf ist Vorsicht geboten, mahnt Walter Sens, „denn hier münden die vielbefahrenen Chausseen von Ziesar und Güsen herein“. Bis nach Parchen geht es dann „bergauf, bergab durch träumerische Waldesstille“. Die frische Luft im Kiefernwald verstänkern allerdings die überholenden und begegnenden Autos.