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100 Jahre Lernen Volkshochschule im Wandel der Zeit

Die Burger Schule wurde 1919 eröffnet. Die Lehrtechnik hat sich in der Zeit verändert, die Idee ist aber dieselbe geblieben.

Von Thomas Pusch 04.01.2020, 00:01

Burg l Die Moderne hat Einzug gehalten in den Standorten Burg und Genthin der Kreisvolkshochschule: Es gibt digitale Tafeln. Dennoch fühlt man sich der 100-jährigen Geschichte verpflichtet und für Leiterin Yvonne Nitzsche ist das Motto der Anfangszeit – Burg gehörte 1919 zu den ersten Volkshochschulen in Deutschland – nach wie vor aktuell, Wissen teilen: Nicht zuletzt, weil die Volkshochschulen nur sehr selten festangestellte Dozenten haben, vielmehr lehren Menschen aus der Gesellschaft. „Und die Menschen haben nach wie vor Interesse an unseren Angeboten“, sagt sie.

Die haben sich mit den Jahren natürlich verändert. Der Grundgedanke der ersten Volkshochschulen nach dem ersten Weltkrieg war, Bildung für Menschen zugänglich zu machen, für die sie sonst verschlossen blieb. In der DDR war die Volkshochschule zunächst eine Einrichtung, an der Schulabschlüsse nachgeholt werden konnten. Ab den 1970er Jahren kamen auch die üblichen Angebote wie Fremdsprachen, Naturwissenschaften, Kunst und Kultur hinzu.

Eine spannende Zeit erlebte der Lehrer Rüdiger Schöll in den 90ern an der Burger Kreisvolkshochschule, an die er 1987 gekommen war. Während vor der Wende die Bildung wie der Abschluss der 10. Klasse und das Abitur im Vordergrund gestanden hätten, sei es danach um praktische Lebenshilfe gegangen. Auch bevor die europäische Währung eingeführt wurde, gab es eine Veranstaltung zum Thema „Was bringt der Euro?“.

Dass ein Kurs für praktische Lebenshilfe auch zur Liebeshilfe werden kann, hat Henry Liebe erlebt. Er war 1992 als Junglehrer an die Genthiner Kreisvolkshochschule gekommen, wechselte 2002 in die Kreisverwaltung. „Wir hatten einen Kurs zum Scheidungsrecht“, erzählt er. Dort haben sich dann zwei kennengelernt, die sich erst scheiden ließen und dann heirateten. Heutzutage hat praktische Lebenshilfe oft mit dem Bekämpfen des sogenannten funktionalen Analphabetismus zu tun. „Das sind Menschen, die zwar Wörter lesen, sie aber nicht zu Sätzen verknüpfen können“, erklärt Leiterin Nitzsche. Sie wurde im April 2011 Nachfolgerin von Rüdiger Schöll, der von 2002 an der Spitze der fusionierten Kreisvolkshochschule Jerichower Land gestanden hatte.

Sprachen bilden noch immer den größten Anteil im Volkshochschulangebot. Doch die Kurse über den Umgang mit dem Computer, die ein Zwischentief hatten, sind auch wieder im Kommen. „Ich erinnere mich noch an eine Rechnung für zehn Computer aus dem Jahr 1992“, erzählt Schöll. Ein PC habe damals 2800 Mark gekostet und eine Speicherkapazität von 40 MB gehabt. „Heutzutage hat jede Speicherkarte ein Vielfaches“, sagt er lachend.

Die Volkshochschule ist immer auch ein Spiegel der gesellschaftlichen Entwicklung. So begannen 2016 im Zuge der Flüchtlingswelle Integrationskurse. Und daraus wurden sogar zwei Dozentinnen gewonnen: eine Englischdozentin aus Syrien und eine Yoga-Lehrerin aus Russland. Neue Lehrkräfte lassen sich auch an Orten finden, wo man nicht unbedingt damit rechnet. So war Yvonne Nitzsche der Akzent einer Supermarktkassieretin aufgefallen. Sie ist nun Französischdozentin, als Muttersprachlerin. Die menschlichen Begegnungen, sie sind es, die für die drei neben den Bildungserfolgen besonders charakteristisch für die Volkshochschule sind. „Viele ehemalige Teilnehmer grüßen noch heute“, nennt Liebe dafür ein Beispiel.