Wenn ein Hund hilft Blindes Vertrauen

Ein Hund als Mobilitätshilfe - vor zwei Jahren wurden Peter Tränkler aus Burg und Labrador Monti zu einem Team.

Von Juliane Just 02.01.2017, 00:01

Burg l Als sie sich das erste Mal fühlten, waren sie beide aufgeregt. Im thüringischen Bittstädt in der Nähe von Erfurt lernten sie sich kennen – der eine blind, der andere sprachlos. Der schwarze Labrador wedelte mit seiner Rute und schleckte seinem künftigen Herrchen über den Arm – ein gutes Zeichen in der Mensch-Hund-Kommunikation. Sie gingen spazieren, alles war noch ein wenig verkrampft. Gemeinsam verbrachten sie eine Nacht im Hotelzimmer. Die Chemie stimmte „So ist das zwischen mir und Monti entstanden“, sagt Peter Tränkler schmunzelnd.

Als sie am nächsten Tag Gassi gingen, waren sie sich schon vertrauter. Und als der schwarze Labrador nach einigen Wochen nach Burg zog und das Bundesland wechselte, war die Partnerschaft endgültig besiegelt. Das Gespann, wie es in der Fachsprache genannt wird, versteht sich seither blind. Peter Tränkler weiß mit dem Rüden einen treuen Weggefährten an seiner Seite.

In der Wohnung von Peter Tränkler ist es still, nur ab und an hört man ein leises Klingeln. Bis der gebürtige Burger seinen Hund ruft, dann kommt das Klingeln näher. Ein kleines, goldenes Glöckchen um den Hals des Tieres verrät seinem Herrchen immer, wo Monti sich gerade befindet.

Mit ruhigem Blick schaut der treue Gefährte seinen Halter im Flur sitzend mit seinen braunen Augen an und wartet auf die Kommandos. Dann legt Peter Tränkler ihm zuerst um seine leuchtend orangene Schärpe mit der Aufschrift „Blindenführhund“ um den Hals und anschließend Halterung um den Brustkorb. Nun ist Monti im Job. Er ist Mobilitätshilfe, Freund und seelischer Begleiter für Peter Tränkler. „Ich möchte ihn nicht mehr missen“, sagt er. Monti ist ein Familienmitglied für ihn.

Bevor der Blindenführhund in das Leben des Burgers kam, vergingen einige Lebensjahre, in denen das Augenlicht allmählich nachließ. Peter Tränkler hat einen erblichen Augendefekt, Grauen Star sowie einen sogenannten Röhrenblick. All das entwickelte sich erst im Laufe der Jahre. Als er 1959 seine Ausbildung in einer Lederhandschuhfabrik begann, sah er nach eigenen Angaben noch relativ gut.

Durch eine Verschlechterung über Jahre entschied er sich für eine Operation, die ihm ein klares Sehen für kurze Zeit ermöglichte. Er akzeptierte die Krankheit. Heute ist er auf dem linken Auge blind, auf dem rechten sind mit zwei Prozent Sehvermögen noch Schatten wahrnehmbar. „Ich bin hellblind. Ich sehe also nur weiß“, sagt Peter Tränkler. Dies gehe mit einer Lichtempfindlichkeit einher, weswegen er eine orange getönte Brille sowie eine Mütze mit Blendschirm trägt, wenn er im Tageslicht unterwegs ist.

In diesen Momenten ist Monti dann an seiner Seite und mimt seine Augen. In den Ihlegärten in Richtung Stadt ist es still. Monti führt sein Herrchen an der dortigen Baustelle vorbei. Mit Kommandos wie „Rechts voran“, „Such Weg“ oder „Zum Bordstein“ gibt der 72-Jährige seinem Hund die Richtung vor. Angekommen am Burger Markt ist es laut, der Verkehrslärm schluckt nahezu alle Geräusche um sich herum. Die Überquerung der Straße ist hier schon für Sehende eine gefährliche Tour.

Das eingespielte Team muss sich nun konzentrieren. Monti kann sein Herrchen zwar über die Straße führen, aber er kann nicht einschätzen, wie schnell die Fahrzeuge unterwegs sind. Hält das Fahrzeug jedoch an, kann Monti es als Hindernis erkennen. Deswegen muss Peter Tränkler genau auf die Geräusche um sich herum achten. „Voran“, sagt er und die beiden setzen sich in Bewegung. „Viele Autofahrer nehmen Rücksicht auf mich. Dafür bin ich sehr dankbar“, sagt der Sehgeschädigte.

Angekommen in der Schartauer Straße werden die Motorengeräusche langsam leiser. Menschen schwatzen miteinander, ein Koffer rollt mit einem monotonen Klackern vorbei. Nun steht dem Gespann ein neues Problem bevor: Werbeaufsteller. „Solche Aufsteller haben in den vergangenen Jahren zugenommen. Für uns ist das natürlich anstrengend“, erzählt der gebürtige Burger.

Bei einem Hindernis jeglicher Art – einem Aufsteller, einem Papierkorb oder einem Fahrradständer – bleibt Monti stehen. Damit weiß sein Herrchen, dass sich etwas vor ihnen befindet. Dann muss Peter Tränkler mit seinem Blindenführstock ertasten, worum es sich dabei handelt.

In der Schartauer Straße gibt es jedoch einen Laden, an dem die feine Spürnase einfach nicht vorbeikommt. „Ich weiß genau, wo wir sind, wenn Monti seine Schritte verlangsamt“, sagt Peter Tränkler lachend. Denn dort riecht es so lecker nach frischem Fleisch – die Filiale von Geflügel Richter lässt die Beine des Labradors jedes Mal kurz weich werden.

Der gutmütige Labrador hat ab und zu seinen eigenen Kopf. Das ist Peter Tränkler bewusst. „Er ist eben auch keine Maschine und trifft Entscheidungen mitunter falsch“, sagt er. So habe er sich auch schon gestoßen, weil Monti unachtsam war. Der 72-Jährige lässt sich jedoch nicht aus der Ruhe bringen, auch wenn mal etwas nicht perfekt abläuft.

Im örtlichen Supermarkt werden Montis Dienste vorerst nicht gebraucht. Er bleibt vor dem Drehkreuz im Eingangsbereich liegen, während eine Verkäuferin seinem Herrchen alles Gewünschte in den Wagen legt. Vertrauen muss Peter Tränkler den Menschen im Handel entgegenbringen. Während der 72-Jährige den Einkauf macht, wartet Monti geduldig. Viele Kunden schmunzeln, wenn sie Monti dort liegen sehen und kraulen ihm im Vorbeigehen den Kopf. Doch erst, wenn er sein Herrchen an der Kasse sieht, setzt er sich auf. Dann ist das Team wieder zusammen und es geht voran in Richtung „Heimat“.