1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Gardelegen
  6. >
  7. Ein Blick 15 Jahre zurück

Vortrag Ein Blick 15 Jahre zurück

Informationen zur historischen Einordnung forderte Jürgen M. Pietsch. Er hatte vor 15 Jahren Gedenksteine fotografiert - und nun erneut.

Von Ilka Marten 26.04.2016, 03:00

Gardelegen l Es war ein Blick in die Vergangenheit, der zeigte, was sich in 15 Jahren verändert hat – und wo er Veränderungen erwartet. Der Fotograf Jürgen M. Pietsch aus Delitzsch präsentierte am Freitag im Rathaussaal bei seinem Vortrag „Gedenken vergessen?“ Gedenksteine, die an die Opfer erinnern, die bei den Todesmärschen im April 1945 ermordet wurden. Er sei Fotograf, er dokumentiere: „Ich vertraue der Sprache der Realität.“ Die Fotos zeigten immer ein Motiv des Gedenkortes vor 15 Jahren und ein aktuelles. Und Pietsch übte durchaus Kritik am Zustand. Ein Beispiel das Schild am Miester Friedhof: „Vielleicht ist irgendwann ein besseres möglich.“ Bei der Gedenkstätte auf dem Friedhof wird „das rote Dreieck für jedes Opfer genutzt“. Dabei seien die roten Winkel in den Konzentrationslagern Zeichen für politische Häftlinge gewesen. Außerdem fehle ihm Information: „Es bedarf eines Kommentars. Hier liegen soundso viele Frauen und Männer.“ Als sehr gepflegt bezeichnete Pietsch den Gedenkstein am Miester Bahnhof – groß war der Unterschied zum Foto vor 15 Jahren: „Die Tafel dort am Bahnhof hat mich sehr beeindruckt.“

Auch Bilder vom Breitenfelder Friedhof präsentierte Pietsch: Vor 15 Jahren lagen die Steine alle zusammen auf einem Haufen, heute steht keiner von ihnen auf dem Breitenfelder Friedhof, da sie in Salzwedel im Museum aufbewahrt werden.

Zum Breitenfelder Friedhof sagte Konrad Fuchs, Vorsitzender des Fördervereins der Gedenkstätte Feldscheune Isenschnibbe, dass es heute dazu einen Vor-Ort-Termin in Breitenfeld gebe: „Da sind wir aktiv dran. Der Förderverein möchte dort mit Fördermitteln eine würdige Gedenkstätte gestalten.“

Bei der Gedenkstätte Feldscheune Isenschnibbe sieht Pietsch die Distanz zwischen Scheune und Gräberfeld als Problem. Die Wegführung bringe die Besucher zum Ort des Geschehens, aber alles wirke zubetoniert: „So viel Beton, so viel Weg.“ Aus seiner Sicht müsse die Anlage dringend verändert werden. Als ein Beispiel nannte er die Plastik dort: „Für wen steht sie?“ Da bedürfe es dringend einer Kommentierung. Die Feuerschale in Form des roten Dreiecks sei völlig daneben, ein „Übersymbol“ und „sehr deplatziert“. Pietschs ganz persönliche Meinung: „Das Scheunengelände sollte aus Achtung vor den Opfern nicht betreten werden.“

Der Fotograf lobte den sehr gepflegten Zustand der Anlage – das Foto von vor 15 Jahren zeigte umgekippte Holzkreuze. Pietsch sprach von einem „gespenstischen Zustand“ damals. Er zeigte sich angetan vom Totenbuch: „Hochachtung dafür, dass Sie das getan haben. Alles, was aus der Anonymität herausgehoben wird, hat etwas mit echtem Gedenken zu tun.“ Sein Wunsch wäre eine Sichtachse zwischen dem Ort des Geschehens, der Scheune, und dem Friedhof, damit die Distanz optisch verringert werde.

Fuchs konnte die Kritik des Fotografen nicht nachvollziehen und erinnerte daran „wie schwer es war, Veränderungen umzusetzen“. Allein die Umgestaltung von Holz- zu Metallkreuzen „war ein Kapitel für sich“. Er sei froh und zufrieden, was bisher erreicht worden sei. „Da steckt so viel Arbeit drin, über Jahre – und das alles ehrenamtlich“, so Fuchs, und er hob dabei das Engagement von Paul Schmidt und Torsten Haarseim hervor.

Der Leiter der Gedenkstätte, Andreas Froese-Karow sagte auf Anfrage, „dass sich die Fragen von Pietsch stellen werden“. Auch wie die DDR-Geschichte, „die auf der gesamten Anlage deutlich wirkt“, historisiert werde, „wird eine Herausforderung“. Er betonte allerdings: „Der Förderverein und die Stadt haben im Rahmen ihrer Möglichkeiten das gemacht, was sie machen konnten.“

Der nächste Vortrag findet am Donnerstag, 28. April, um 19 Uhr im Rathaussaal statt. Der Titel: „Der gute Ort Gardelegen? Problematiken zur Beisetzungstradition von Juden als Opfer des Nationalsozialismus“. Referentin ist die Autorin Juna Grossmann aus Berlin. Der Eintritt ist frei.