Amtsgericht Einspruch wird Eigentor

Nicht nur weil er schwarz gefahren ist, sondern auch weil er den Zugbegleiter beleidigt hat, muss ein 29-Jähriger 525 Euro Strafe zahlen.

Von Gesine Biermann 03.10.2016, 09:00

Gardelegen l Nicht jede Anklage der Staatsanwaltschaft endet tatsächlich mit einem Gerichtsverfahren. Sogenannte Bagatelldelikte werden auch mal mit einem Strafbefehl beendet (s. Infokasten). Das spart Zeit und letztendlich auch Kosten. Wer mit der Strafe im schriftlichen Urteil nicht einverstanden ist, kann allerdings Einspruch einlegen.

Und genau das tat ein 29-jähriger Hartz-IV-Empfänger aus Gardelegen. Er war im Februar schwarz gefahren – sprich: Er war ohne Zugticket im Regionalzug von Wolfsburg nach Mieste erwischt worden und dafür im Strafbefehl mit einer Geldstrafe von 150 Euro belegt worden. Das wiederum sah er nicht ein, protestierte schriftlich und wurde daraufhin zur Hauptverhandlung vorgeladen.

Seine Begründung dort: Er habe doch im Zug bereits den erhöhten Beförderungsbeitrag und einen Schadensersatz von 40 Euro bezahlt. Von Schwarzfahren könne also keine Rede sein. Am bewussten Tag habe er sich aus Zeitgründen am Wolfsburger Bahnhof leider kein Ticket mehr kaufen können, begründete er seinen Einspruch. Deshalb sei er ohne Fahrschein in den Zug eingestiegen, den er unbedingt erreichen musste. Im Waggon habe er sich dann neben den Fahrkartenautomaten gesetzt und einen 50-Euro-Schein aus der Börse geholt. Warum er damit kein Ticket am Zugautomaten zog, begründete er selbstbewusst: „Ich wusste ja, dass der Automat keinen Fünfziger nimmt.“ So habe er eben auf den Schaffner gewartet.

Und der kam schließlich auch. Allerdings lief er zunächst an dem Herrn ohne Fahrschein, aber mit Geldschein vorbei: „Er hat nicht mal hingeguckt, dabei hatte ich den deutlich sichtbar in der Hand!“ Erst nach geraumer Zeit sei er wieder aufgetaucht und habe nach seinem Fahrschein gefragt, und, weil er den nicht vorweisen konnte, sofort den Ausweis verlangt und die Polizei angerufen.

Der Zugbegleiter – als Zeuge vorgeladen, macht zunächst einmal klar, dass der Angeklagte kein Unbekannter für ihn ist: „„Ich kannte den bereits von anderen Fällen.“ Zudem habe er die Personalien nicht rausgeben wollen und habe ihn auch noch mit den Worten bedroht: „Wenn der Zug nicht so voll wäre, würde ich Dir aufs Maul hauen.“ Dann sei er ausgestiegen, ohne auf die Polizei zu warten, und beim Aussteigen habe er ihm dann auch noch den Mittelfinger gezeigt. Da ihm der Mann namentlich ja bekannt war, habe er ihn dann angezeigt.

Richter Axel Bormann sah die Schwarzfahrt damit als klar erwiesen an. Er nehme ihm ab, dass er es eilig hatte, so Bormann. Ohne Fahrschein hätte er aber den Schaffner von sich aus ansprechen müssen. Zusätzlich muss der Arbeitslose nun aber auch noch eine Geldstrafe für die Beleidigung des Zugbegleiters zahlen. Bormann folgte nämlich dem Antrag der Staatsanwältin, dafür noch weitere 30 Tagessätze zu verhängen, denn „der Mann muss sich nicht bepöbeln lassen!“ Zudem erhöhte der Richter den Tagessatz von 10 (im Strafbefehl) auf 15 Euro, „denn immerhin bekommen Hartz-IV-Empfänger ja auch die Miete bezahlt“.
Außerdem muss der Mann nun die Gerichtskosten bezahlen. Alles in allem ein teurer Einspruch.