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AfD-Kreischef Eine zweifelhafte Patenschaft?

Der AfD-Kreischef der Westaltmark pflegt ganz privat einen der Gedenksteine an die Todesmärsche in Gardelegen. Passt das?

Von Gesine Biermann 01.12.2018, 05:00

Gardelegen l Das Gras ist sauber geschnitten und frei von Laub. Kein Zweifel, dieser Gedenkstein, aufgestellt an der Strecke der Todesmärsche im April 1945, wird regelmäßig gepflegt. Pate Sebastian Koch (31) aus Gardelegen ist 2017 einer der ersten Gardeleger, die nach dem Aufruf des Fördervereines Gedenkstätte Isenschnibbe eine Patenschaft übernehmen. „Und der Stein macht seither auch immer einen sehr ordentlichen Eindruck“ betont Fördervereinschef Konrad Fuchs während der jüngsten Vorstandssitzung.

Doch jetzt sorgt diese Patenschaft für Zweifel. Denn Koch ist nicht nur ein kleines Licht bei der kommunalen AfD. Seit 2017 ist er der Kreisvorsitzende der Westaltmark und Gründungsmitglied der Jungen Alternativen – der Jugendorganisation der AfD.

Koch, so zeigen Recherchen der Volksstimme, ist zudem offenbar auch selbst in der rechten Szene unterwegs. Fotos, die der Volksstimme vorliegen, zeigen den Gardeleger unter anderem auf einer Demo der Partei "Die Rechte" in Stendal. Mittendrin, nicht nur am Rand.

Bis mindestens 2016 habe Koch „eindeutig neonazistische Aufmärsche in Sachsen-Anhalt und darüber hinaus besucht“, bestätigt auf Nachfrage Martin Burgdorf vom Verein Miteinander in Salzwedel. „Im selben Jahr soll er einem Internetartikel zufolge gemeinsam mit mehreren Salzwedeler Neonazis bei einer geheimen Demoschulung der Neonazistruktur Rechtes Plenum im Raum Chemnitz teilgenommen haben.“

Koch indes sieht sich nicht als einer Szene zugehörig. Ein persönliches Gespräch mit der Volksstimme lehnt der AfD-Kreischef zwar ab, schriftlich gibt es aber ein Statement von ihm: In seiner Vergangenheit habe er „an vielen Veranstaltungen unterschiedlichster politischer Richtungen teilgenommen“, erklärt er auf die Frage zu seiner Anwesenheit auf rechten Demos. Ihm sei jedoch „kein Treffen mit Menschen bekannt, die sich klar zum Nationalsozialismus bekannten und sich auch so äußerten“. Und für „das Gedankengut Dritter“ könne schließlich niemand „in Sippenhaft genommen werden.“

Nicht nur für die Bundeszentrale für politische Aufklärung, auch für den Verein Miteinander ist die Partei Die Rechte in Stendal, auf deren Demo Koch noch 2016 teilnahm, indes ganz klar eine neonazistische Partei, die „unter anderem als Auffangbecken für Mitglieder verbotener Kameradschaften dient“, macht Martin Burgdorf deutlich. Viele Aktivisten der Partei seien einschlägig vorbestraft. „Lebensweltlich und ideologisch scheint er seither auch keinen wirklichen Bruch mit der Szene vollzogen zu haben.“ Noch im Februar dieses Jahres habe Koch auf der Seite der AfD Altmark West für eine von der NPD organisierten Kundgebung gegen eine Moschee in Lüchow geworben. Koch selbst fühlt sich „von der linken Seite einem Lager zugeordnet.“ Er selbst, so Koch, sehe sich im „Mitte-Rechts-Spektrum“ und werde sich als Mitglied einer Mitte-Rechts-Partei davon auch nicht distanzieren.

Bei Fördervereinschef Konrad Fuchs kommen diese Informationen verständlicherweise nicht gut an. „Für uns steht fest, wenn sich jemand zum Nationalsozialismus bekennt, wäre das das Ende einer Patenschaft“, sagt er. Das sei einfach unvereinbar mit der ehrenvollen Pflicht und dem Ansinnen des Vereines. Deshalb will er die neuen Erkenntnisse nun auch erst einmal mit dem Vorstand besprechen.

Während ihrer jüngsten Sitzung hatten die Vereinsmitglieder die ganze Angelegenheit eigentlich noch ziemlich entspannt betrachtet. Da allerdings waren alle noch davon ausgegangen, dass einer ihrer Steinpaten lediglich AfD-Mitglied ist. Die Pflege sei doch „eine ganz persönliche und individuelle Entscheidung, bei der ein politischer Hintergrund außen vor bleiben müsse“, findet Klaus-Peter Schuckies. Auch Torsten Haarseim sah keinen Grund zur Sorge: Schließlich pflege ja niemand einen der Steine, „weil er dagegen ist“. Ganz pragmatisch sieht Ruth Rothe die Sache. „Wenn er das macht, widerspricht das ja eigentlich der Ideologie seiner Partei“, sagt die Kreisvorsitzende der Linken im Altmarkkreis schulterzuckend, „und das muss er seinen Leuten gegenüber schon selbst verantworten.“ Allerdings, so Rothe, „brüstet er sich damit bei Facebook.“

Der Volksstimme gegenüber behauptet Koch zwar, die Patenschaft zu einem KZ-Gedenkstein als „stillschweigende Pflicht“ angesehen zu haben. Am 9. Oktober hatte er auf der Facebook-Seite des AfD-Kreisverbandes aber tatsächlich von einem Besuch der Gardeleger AfD-Ortsgruppe auf der Gedenkstätte Feldscheune Isenschnibbe Gardelegen und auch von seiner Pflegepatenschaft berichtet.

Er sei stolz darauf, mit seiner Patenschaft „ein Stück der Geschichte für die Nachwelt zur Erinnerung zu erhalten“, betont der Gardeleger auf Nachfrage. Er gehe schließlich auch „jedes Jahr, einige Tage nach der offiziellen Gedenkstunde, zur Feldscheune und lege dort Blumen nieder“. Tatsächlich war Koch auch in diesem Jahr am Volkstrauertag unterwegs, um Kränze niederzulegen, wie Fotos auf der Internetpräsenz der Kreis-AfD zeigen. „Wir gedenken der Opfer und Helden“, steht auf den Schleifen des Verbandes. Auf den Kränzen der Jungen Alternative Altmark findet sich der Spruch „Ehre, wem Ehre gebührt“.

Ein solches neonazistisches Heldengedenken verweise auf ein extrem rechtes geschichtspolitisches Verständnis, erinnert Martin Burgdorf. Die Entscheidung, wie sie auf die Pflegepatenschaft von Koch regieren wollen, müssen nun die Vorstandsmitglieder des Vereines Gedenkstätte Isenschnibbe treffen. Der Verein Miteinander bietet dafür seine Beratung an.