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Amtgericht Misshandelte Frau schweigt

Weil eine 43-Jährige im Gardeleger Amtsgericht nicht gegen ihren 32-jährigen Verlobten aussagen will, könnte dieser straffrei ausgehen.

Von Gesine Biermann 28.09.2016, 03:00

Gardelegen l Von ihren Verletzungen zeugen nur noch die Fotos in der Gerichtsakte, äußerlich ist der attraktiven Frau, die im Zeugenstand des Gardeleger Amtsgerichtes sitzt, überhaupt nichts mehr anzusehen. Dass ihr weh getan wurde, ist aber nun mal aktenkundig. Immerhin hatte sie sich nach einem nächtlichen Angriff zu Freunden geflüchtet, die nicht weit entfernt von ihr wohnen. Von dort aus hatte sie die Polizei angerufen, und von dort aus war sie mit dem Rettungswagen ins Gardeleger Krankenhaus gebracht worden. Noch in der Wohnung der Freunde hatte sie den Polizeibeamten auch in einer ersten Befragung berichtet, dass ihr Lebensgefährte „ausgerastet“ sei, erinnert sich ein Polizist. Erzählt hatte sie dem später im Krankenhaus auch noch, was passiert war. Vor Gericht wiedergeben durfte der Beamte die Tatbeschreibung indes nicht. Denn die Frau hat sich mittlerweile mit ihrem potenziellen Peiniger verlobt, musste deshalb selbst keine Angaben mehr zum Tatgeschehen machen und sorgte mit der Inanspruchnahme ihres Zeugnisverweigerungsrechtes gleichzeitig dafür, dass auch ihre damaligen Angaben gegenüber der Polizei nicht mehr zur Beweisaufnahme verwendet werden durften.

Was sich an dem Aprilabend dieses Jahres in der Wohnung des Gardeleger Paares abgespielt hat, soll also das Geheimnis der beiden bleiben. Was sie am Tatabend aber selbst der Polizei erzählt hatte, blieb nicht geheim: „Der Angeklagte sei alkoholisiert in den Schlafbereich“ eingedrungen, las die Staatsanwältin aus der Klageschrift vor. Er wird beschuldigt, seine Lebensgefährtin an den Haaren gezogen zu haben, „dann öffnete er mit der Hand ihre Augen und goss eine unbekannte Flüssigkeit hinein.“ Das habe zur Folge gehabt, dass die Geschädigte kurze Zeit nichts sehen konnte, beschrieb die Staatsanwältin. Kurz darauf habe der 32-Jährige seine Freundin zudem mehrfach gegen den Kopf und auch mit der Faust ins Gesicht geschlagen.

Beweise für die Gewalttat fanden später offenbar nicht nur die Ärzte an ihrem Körper, auch die Polizei wurde in der Wohnung des Paares fündig. Die Geschädigte hatte den Beamten in der Tatnacht selbst den Schlüssel ausgehändigt und ihnen erlaubt, sich dort umzusehen. Zwar war der Beschuldigte nicht vor Ort, in der Wohnung gab es aber noch zahlreiche Spuren, unter anderem Blutanhaftungen an Staubsauger und Badewanne.

Auch über den möglichen Grund des Streites konnte einer der Polizisten etwas sagen. Es sei offenbar um eine Abmachung zwischen dem Beschuldigten und der Freundin der Geschädigten gegangen – jene, bei der die 43-Jährige später Zuflucht suchte. „Demnach wollte er ihr Barhocker schenken“, gab der Polizist zu Protokoll. Diese habe der Angeklagte dann aber nicht rausgeben wollen. Seine Lebensgefährtin – „damals waren sie noch nicht verlobt“ – habe ihn deshalb ermahnt, sich an das Versprechen zu halten. Die Stühle seien dann auch übergeben worden. Später hatte der Angeklagte dann aber möglicherweise seinen Ärger darüber an seiner Freundin ausgelassen.

Dass sie ihm mittlerweile verziehen hat – beide arbeiten nach eigener Aussage auch gemeinsam in einem Gardeleger Handwerksbetrieb – war während der gestrigen Verhandlung nicht zu übersehen. Dass ohne ihre Aussage möglicherweise eine brutale Tat ungesühnt bleibt, machte Strafrichter Axel Bormann der Frau zwar klar: „Da geht jetzt eine Frau, die von jemandem verletzt wurde, nach Hause, ohne dass irgend etwas passiert!“ Dennoch blieb die Geschädigte bei ihrem Entschluss.

Um mehr zu erfahren, soll nun das befreundete Paar der Geschädigten vernommen werden. Die Verhandlung wurde vertagt. Ob Richter Axel Bormann sie weiterführen wird, steht indes noch nicht fest. Der Verteidiger des Angeklagten stellte am Dienstag nämlich einen Befangenheitsantrag gegen ihn. Bormann hatte die Beteuerung des Polizisten, die Geschädigte am Tatabend offiziell befragt und zuvor belehrt zu haben, mit den Worten „das ist in diesem Fall schlecht“ kommentiert. In den Augen des Anwaltes ein Indiz dafür, dass der Vorsitzende bedauere, „dass mein Mandant nicht verurteilt werden kann.“