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Urlaub auf Rügen Besonderes Ostsee-Camp für Gardelegener: Wie Asbestplatten Gager retteten

Sommer, Sonne, Strand und Meer – das gibt es seit über 63 Jahren für zahlreiche Kinder und Jugendliche aus Gardelegen und der Altmark im Sommerferiencamp Gager auf Rügen.

Von Elke Weisbach 28.06.2022, 12:00
Urlaub an der Ostsee –  das ist für Kinder aus der Altmark seit 1959 möglich. Damals wurde das heutige Feriencamp Gager des Altmarkkreises als Schwimmlager des Altkreises Gardelegen eingerichtet.
Urlaub an der Ostsee – das ist für Kinder aus der Altmark seit 1959 möglich. Damals wurde das heutige Feriencamp Gager des Altmarkkreises als Schwimmlager des Altkreises Gardelegen eingerichtet. Foto: Kreisverwaltung

Gardelegen/Gager - In drei Durchgängen können auch in diesem Jahr wieder Kinder des Altmarkkreises Salzwedel in den großen Sommerferien 13 Tage lang „Urlaub“ an der Ostsee machen, und zwar im Feriencamp Gager auf der Halbinsel Mönchgut. Und das hat eine lange Geschichte und war sogar einmal in Gefahr. Die Rettung kam dank Asbestplatten.

„Das Objekt liegt in einer ehemaligen Kieskuhle zwischen Klein Zicker und Gager und ist nur wenige Gehminuten vom Ostseestrand entfernt“, beschreibt der Altmarkkreis die Lage. Die Unterbringung erfolgt in Bungalows für bis zu acht Personen. Duschen und Toiletten befinden sich in einem zentralen Sanitärgebäude. Eine Küche steht zur Nutzung bereit. „Die Betreuer haben jede Menge Spiele und Überraschungen für die Teilnehmer vorbereitet“, versichert der Altmarkkreis.

Die Baracken von heute gab es in den ersten Jahren des Ferienlagers Gager nicht. Das weiß Eva Wölm aus Gardelegen ganz genau, denn ihr Mann Erwin war die ersten Jahre als Wirtschaftsleiter im Sommerferiencamp Gager auf Rügen tätig, das damals noch ein Schwimmlager war. Auch sie war zur Betreuung der Kinder mit vor Ort. 1965 das erste Mal. „Da waren unsere beiden ältesten Kinder alt genug und konnten mitkommen.“ Eva und Erwin Wölm waren beide bis kurz nach der Wende als Lehrer tätig.

1959, berichtete Eva Wölm, hatte ein Bauer aus Groß Zicker seine Kieskuhle an die Abteilung Volksbildung des Altkreises Gardelegen verpachtet. Die Kinder sollten dort ihre Sommerferien verbringen können und Schwimmen lernen. Dafür wurde ein Zeltlager eingerichtet, und zwar von den Lehrlingen der Berufsschule in Gardelegen. Auch Klaus Albrecht (†), der spätere Mitbegründer des Feuerwehrverbandes Gardelegen, war als 14-Jähriger dabei und hat die großen Zelte mit aufgebaut.

Auch die Betreuer, zumeist Lehrer und Erzieher, wohnten in Zelten, oft in ihren eigenen, die sie mitgebracht hatten. Viele hatten auch ihre Familien dabei. Für die war es Urlaub an der Ostsee.

Ein Blockhaus als Küche

Für die Küche wurde ein Blockhaus gebaut, in dem es auch ein Zimmer für die Köchin gab. Die wurde jeweils von den Schulküchen, die es in Mieste, Jävenitz, Letzlingen, Solpke und Estedt gab, geschickt. „Auch die Kinder mussten in der Küche helfen, zum Beispiel beim Kartoffelschälen“, erzählte die Seniorin, aber auch die Erwachsenen vor Ort griffen überall mit zu. „Als einmal die Köchin nicht rechtzeitig da war, haben wir gekocht.“

Das „Badezimmer“ war aus Stämmen errichtet und mit einem Dach versehen. Die Toiletten waren „Plumpsklos“ im Wäldchen neben der Einfahrt. „Das waren schöne tiefe Löcher mit einem Gestell drüber“, erinnert sich die ehemalige Lehrerin schmunzelnd. Einfach, aber ausreichend. Am Ende der Ferienzeit habe dann ein Gruppe Lehrer die Zelte abgebaut und über den Winter eingelagert.

Doch kaum begonnen, wäre das Schwimmlager Gager bald wieder Geschichte gewesen. Es war zwischen 1961 und 1965, ganz genau weiß Wölm es nicht mehr, da hatten die Jungs die Schwimmer an den Fischernetzen abgeschnitten. Das habe ein großes Donnerwetter gegeben. Die Jungs mussten sich entschuldigen. Dennoch kam der damalige Bürgermeister von Gager ins Lager und erklärte, dass der Pachtvertrag für die Kieskuhle gekündigt werde.

Ihr Mann Erwin habe dann mit ihm gesprochen, dass das nicht gehe. Der Aufbau sei doch gerade fertig und die Kinder begeistert. Dann habe er ganz nebenbei gefragt, ob man vielleicht mit etwas helfen könnte. Ja, habe der Bürgermeister geantwortet, in Gardelegen gebe es doch ein Asbestzementwerk, und man bräuchte unbedingt Platten für ein Bauvorhaben.

Asbestplatten retten Lager

Daraufhin habe ihr Mann mit dem damaligen Betriebsleiter des Asbestzementwerkes in Gardelegen gesprochen und wirklich eine Freigabe für Platten erhalten. Der Bürgermeister von Gager holte diese persönlich mit seiner Sekretärin in Gardelegen ab und besuchte dabei auch Familie Wölm. „Damit war die Kündigung des Pachtvertrages dann vom Tisch.“

Auch Klaus Albrecht war als 14-jähriger Lehrling zum Zeltaufbau in Gager.
Auch Klaus Albrecht war als 14-jähriger Lehrling zum Zeltaufbau in Gager.
Foto: Archiv Albrecht

Zum Verpächter habe man in all den Jahren ein gutes Verhältnis gehabt. Dessen Kinder gingen im Lager ein und aus. Und einmal konnten die Altmärker ihm sogar helfen. An dem Tag war er, wie Wölm erzählte, mit einem Pferdewagen ins Lager gekommen, seine Tochter saß mit drauf und fiel kurz vor dem Ziel herunter. Sofort habe sich die medizinische Fachkraft um das Mädchen gekümmert. Und da im Lager auch immer ein Auto vor Ort war, habe man sie dann ins Krankenhaus gefahren. Das habe der Verpächter ihnen nie vergessen.

Zu Beginn wohnten die Kinder in Zelten, die die Lehrlinge der Berufsschule aufbauten.
Zu Beginn wohnten die Kinder in Zelten, die die Lehrlinge der Berufsschule aufbauten.
Foto: Archiv Albrecht