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Waldwirtschaft Der Wald und seine Produkte: viel benutzt, aber wenig beachtet

Der Wald produziert Holz und Sauerstoff. Doch er nimmt auch viele andere wichtige Rollen ein – eine davon würden wir spätestens auf dem Klo vermissen.

Von Stefanie Brandt Aktualisiert: 25.5.2021, 14:00
Der Wald dient nicht nur als Holzlieferant.
Der Wald dient nicht nur als Holzlieferant. Foto: Stefanie Brandt

Gardelegen - „Kein Tag vergeht, an dem wir nicht irgendetwas aus dem Wald nutzen“, stellt Britta Homm, Revierförsterin beim Betreuungsforstamt Letzlingen, klar.

Das wichtigste Produkt des Waldes ist natürlich der Sauerstoff. Pro Jahr und Hektar werden zwischen 15 und 30 Tonnen des lebenswichtigen Stoffes vom Wald freigesetzt. Kein freier Atemzug wäre ohne den Wald möglich.

Vom Toilettenpapier bis hin zum Baumaterial

Als würde das nicht reichen, begleiten uns Dinge, die es ohne den Wald nicht gäbe, durch den ganzen Tag. Beginnen wir am Morgen mit dem Lattenrost, auf dem wir aufwachen, der Treppe, auf der wir hinunter in die Küche gehen, dem Laminat, auf dem wir laufen. Den Zellstoff aus Holz brauchen wir für Damenhygieneartikel, Windeln, Verbandsmaterial. Und können Sie sich noch an das begehrteste Gut zu Beginn der Corona-Pandemie erinnern? Ja, genau: Was wären wir nur ohne das Toilettenpapier?

„Die morgendliche Zeitungsschau auf dem Küchenstuhl, am Küchentisch. Möbel, Dachkonstruktionen, das prasselnde Kaminfeuer – das alles sind nur einige Beispiele für Produkte, die irgendwann mal ein Wald beziehungsweise ein Baum waren“, zählt die Försterin auf und nennt weitere Fakten. So bindet der Wald jedes Jahr pro Hektar im Durchschnitt zehn Tonnen Kohlendioxid (CO2).

Aber was passiert damit, wenn man einen Baum fällt, um daraus zum Beispiel einen Tisch herzustellen? „Das CO2 bleibt in dem Tisch gespeichert. Wenn ein Baum jedoch abstirbt, wird das CO2 freigesetzt“, informiert Homm. Obwohl das so ist, verzichtet die deutsche Forstwirtschaft, in der nicht mehr Holz geerntet werden darf als nachwächst, dennoch nicht auf Totholz.

Auch tote Bäume haben einen Nutzen

„Im Durchschnitt werden bei uns pro Hektar zehn tote Bäume belassen“, sagt die Fachfrau. Das ist wichtig, denn zum Beispiel können an einer abgestorbenen Eiche 500 Insektenarten und bis zu 700 Pilzarten leben. Durch diese Lebewesen werden unter anderem verendete Tiere zersetzt. Herabfallendes Laub wird zu Humus umgewandelt. „Würde das nicht passieren, würden wir auf einem Berg aus pflanzlichen und tierischen Resten leben müssen“, weiß Homm.

Försterin Britta Homm erklärt, wie wichtig die Produkte des Waldes sind.
Försterin Britta Homm erklärt, wie wichtig die Produkte des Waldes sind.
Foto: Stefanie Brandt

Der Wald kann aber noch viel mehr. Er sorgt für saubere Luft, denn jährlich werden pro Hektar 30 Tonnen Staub aus der Atmosphäre gefiltert. Er filtert das Regenwasser, bildet zwischen 80.000 und 160.000 Kubikmeter Grundwasser. Außerdem nutzen Erholungssuchende und Sportler den Wald. Wenn im Herbst die leckeren Maronen und Steinpilze wachsen, pilgern die Menschen in den Wald und versuchen, sie aufzuspüren.

Arbeitsplatz für 100.000 Menschen

Nun könnte man meinen, eine so eindrucksvolle „Waldfabrik“ finanziert sich von selbst und läuft von allein. Dem ist aber nicht so. Rund 100.000 Menschen arbeiten deutschlandweit im Wald.

In Sachsen-Anhalt ist rund ein Drittel der Fläche mit Wald bedeckt, 54 Prozent davon gehören privaten Waldbesitzern. Sie tragen die Kosten, die im Wald anfallen, und nehmen die Erlöse ein. Hat ein Waldbesitzer Glück und der eigene Wald hat Trockenheit, Schädlinge, Sturm und Brand überstanden, kann er den begehrten Rohstoff ernten, von dem mehrere Millionen Menschen und ganze Industriezweige abhängig sind, wie Papier- und Zellstoffindustrie, Schreiner oder Möbelhersteller.

Nach der Ernte muss jedoch wieder aufgeforstet werden. Ist ein Mischbestand gewünscht, muss der Waldbesitzer hier pro Hektar mit Kosten von rund 10.000 Euro für die Flächenvorbereitung, die Pflanzen, die Pflanzung und den Zaunbau rechnen. Weitere Kosten fallen für Pflegeeingriffe in den nächsten Jahren an.

Der Bedeutung nicht gerecht

Werden Waldbestände nämlich vernachlässigt, nicht gepflegt und kontrolliert, werden sie instabil und sind nicht widerstandsfähig. Sie können dann leichter Schädlingen und anderen Faktoren wie zum Beispiel Stürmen zum Opfer fallen. Viele Entscheidungen sind zu treffen, um den Wald gesund zu erhalten. Wird kein Totholz im Wald belassen, ist die Artenvielfalt geringer. Es wird zum Beispiel weniger Boden durch Asseln und Würmer gebildet. Wird zu viel Totholz im Wald belassen, wird hingegen zu viel CO2 freigesetzt. Wird nicht wieder mit standortgerechten Baumarten aufgeforstet, fehlen den nachstehenden Generationen entscheidende Wertträger für die Holzproduktion.

„Es ist ein Kreislauf, für den wir alle verantwortlich sind und an dem wir alle mitwirken sollten. Durch ein umweltbewusstes Leben und die Nichtverschwendung von Ressourcen kann jeder seinen Beitrag dazu leisten“, betont Homm. Aber auch die Regierung sei gefragt, die Waldbesitzer zu unterstützen. Trotz derzeit hoher Preise für den Baustoff Holz bleibt der Rohstoff Holz nämlich aktuell eher ein Minusgeschäft. Der Bedeutung des Waldes als Wirtschaftsfaktor wird das wohl kaum gerecht.