Gardelegens Wall Die einsame Sonnenuhr

Die Sonnenuhr auf dem Wall kommt - wie die anderen Skulpturen dort auch - aus Magdeburg. Für sie war allerdings ein anderer Künstler verantwortlich.

09.07.2020, 02:00

Gardelegen l Von insgesamt sechs Kunstwerken, die um den Stadtgraben stehen, fällt eines aus dem Rahmen – auf mehr als eine Weise. Denn Motiv, Stil und Material sind ganz anders als bei den fünf Skulpturen der „Ummendorfer Gruppe“ aus Magdeburg. Die Sonnenuhr besteht aus Metall statt Stein und zeigt keine Frauen, Hopfenpflanzen oder eine „vegetative Form“. Außerdem hat sie neben einem ästhetischen noch den praktischen Zweck der Zeitmessung.

Auch ihre Verfassung ist anders: Litten die Steinstatuen sichtlich unter Wind und Wetter, hat die metallene Sonnenuhr die Witterung weitaus besser überstanden. Ein paar Grünfärbungen weist sie schon auf, aber wo von anderen ganze Teile abgetragen wurden, hat sie ihre Form behalten.

Was die Natur nicht geschafft hat, übernahmen dafür Menschen, wie die Filzstift-Kritzeleien und Klebereste an ihr zeigen.

Zwei Sachen hat sie dafür mit den anderen Statuen gemein: Entstehungsjahr und -ort. Wie das Stadtarchiv Gardelegen mitteilt, steht sie nämlich auch seit 1979 dort, so wie die fünf Steinstatuen. Geschaffen hat sie, wie die fünf anderen, ein Magdeburger: der Metallkünstler Wilfried Heider.

Heider wurde im März 1939 geboren und erlernte zunächst den Schlosserberuf. Später stieg er auf die Tätigkeit als Metallgestalter um und fertigte Windspiele, Brunnen und andere Ausstattungen für Magdeburg, Stendal oder Gardelegen an.

Die Gardelegener Uhr ist nicht seine einzige: Eine steht zum Beispiel in Magdeburg – auch von 1979, mit derselben Bauart. Nur die Halterung ist etwas anders. Mindestens zwei befinden sich laut einem Katalog seiner Werke außerdem in Privatbesitz, wie Künstler Reginald Richter („Gläserne Blume“) auf Volksstimme-Anfrage informierte.

Die genauen Umstände, wie Heiders Sonnenuhr nach Gardelegen kam, liegen der Volksstimme allerdings nicht vor. Heider verstarb 1999, da ist also keine Nachfrage möglich. Auch die „Galerie Himmelreich“ in Magdeburg, die 2019 eine Ausstellung für ihn organisierte, konnte keine Auskunft geben.

Richter, an den sie weiterleitete, half dafür mit dem Werkkatalog. Dass sie im selben Jahr angefertigt wurde wie die Statuen der „Ummendorfer“, legt zumindest nahe, dass sie auch Teil der Stadtgraben-Verschönerung 1979 war – eventuell auch anlässlich der Feierlichkeiten zum 30. DDR-Jahrestag.

Das sind aber nur Mutmaßungen, auch, weil sie nicht in den Aufzeichnungen zu den Steinstatuen vorkommt. Und wo sich zu denen zwischen Sommer und Herbst noch ein kleiner Eintrag im Volksstimme-Archiv fand, war Heiders Uhr in den Ausgaben gar nicht aufzufinden. Sie könnte also ebenso gut vorher oder hinterher aufgestellt worden sein.

Was aber aus Heiders Biographie hervorgeht, ist, dass er nicht nur zur Stadtgraben-Verschönerung beitrug. Denn diese erwähnt – ebenfalls 1979 – einen Brunnen auf dem Rathausplatz. Somit ist die Uhr nicht sein eigenes Gardelegener Kunstwerk.

Was jetzt neben dem Rathaus steht, hat jedoch nichts mit Heiders Stil zu tun. Das zeigt schon allein das Steinmaterial, auch bei Brunnen setzte Heider auf Metall – zu sehen etwa beim Fischbrunnen in Magdeburg. Der neue Brunnen entstand 2002, gebaut von André Schmiede (Entwurf), Sven Schubert (Steinbildhauer) und Andree Kuschel (Wassertechnik).

Er sollte Heiders Brunnen ersetzen, der nach etwa 20 Jahren seinen Platz gewechselt hatte, weil er „Verwaltung und Politik nicht mehr genug“ war, heißt es in einem Volksstimme-Artikel aus der Zeit. Das Kreis-Krankenhaus gab sich dafür mit ihm zufrieden – dort ziert er nun den Park.

Bis die Verwaltung einen Brunnen fand, der ihren neuen Ansprüchen gewachsen war, hat es übrigens lange gedauert: Der Stadtratsbeschluss, einen neuen zu errichten, erfolgte 1999. Über eine Ausschreibung sollte ein passender Entwurf gefunden werden. Dieser wurde erst nach Abgabefrist eingereicht, und selbst danach verzögerten Denkmalschutz, fehlende Unterlagen und Schmiedes Wehrdienst das Unterfangen weiter und trieben die Kosten in die Höhe.