Gardelegen Ein Extra-Raum im Raum

Wenngleich auch coronabedingt geschlossen, wird trotzdem im neuen Besucher- und Dokumentationszentrum der Gedenkstätte gearbeitet.

Von Cornelia Ahlfeld 23.04.2020, 21:00

Gardelegen l Lange war sie verschwunden, tauchte dann irgendwann als Rückwand eines Schuppens auf dem städtischen Friedhof auf, ging 1993 für eine Ausstellung nach Hannover – und dann verlor sich erneut die Spur der Originaltafel, die die US-Soldaten der 102. Infanteriedivision mit Kommandeur Frank A. Keating im April 1945 am Friedhof der Gedenkstätte Feldscheune Isenschnibbe hatten aufstellen lassen. Im vorigen Jahr tauchte sie wieder auf. Entdeckt wurde sie in einem nicht öffentlich zugängigen Raum im Stadtarchiv. Jetzt hat die Originaltafel einen würdigen Platz erhalten, und das nun auch dauerhaft. Sie ist als Leihgabe der Stadt Bestandteil der Ausstellung im neuen Besucher- und Dokumentationszentrum auf der Gedenkstätte Feldscheune Isenschnibbe. „Damit ist die Originaltafel an ihren historische Ort zurückgekehrt“, sagte Andreas Froese, Leiter der Gedenkstätte mit dem Besucher- und Dokumentationszentrum.

Das ist zwar aufgrund der Corona-Pandemie für Besucher geschlossen. Gearbeitet wird aber dennoch am Aufbau der Ausstellung, die zwei der letzten großen Kriegsverbrechen der Nationalsozialisten kurz vor Kriegsende dokumentieren soll: die Todesmärsche und der bestialische Mord an 1016 KZ-Häftlingen aus vielen Ländern Europas im April 1945 in der Feldscheune Isenschnibbe vor den Toren der Stadt Gardelegen. Nur wenige Menschen überlebten das grausame Massaker. Zurzeit sind noch Handwerker vor Ort, um Vitrinen aufzubauen. Großflächige Bilder werden an den Wänden angebracht. Im Inneren des großen Ausstellungsraumes wird ein extra Raum für audiovisuelle Informationsangebote aufgebaut. Zu sehen und zu hören sind dort dann unter anderem Originalfilmaufnahmen von 1945, Ausschnitte aus Interviews und Verhören bei Kriegsverbrecherprozessen, Radioaufnahmen von 1945 und viele andere Informationen in Bild, Text und gesprochenen Worten. In der Ausstellung wird die Geschichte – angefangen von der europaweiten Räumung der Konzentrationslager im Jahr 1944, über Kriegsverbrechen mit Schwerpunkt des Verbrechens in Gardelegen im April 1945 bis in die Gegenwart hinein – dokumentiert und aufgearbeitet, erläuterte Froese.

Unterdessen sei auch die Freifläche am neuen Gebäude gestaltet worden. Ebenso seien die Bauarbeiten für einen Parkplatz abgeschlossen. Der befindet sich an der Rufbushaltestelle mit 15 Pkw-Stellplätzen und zwei Busstellplätzen sowie einem Wendekreis. Ursprünglich war eine große Eröffnungsveranstaltung mit dem Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier und internationaler Beteiligung anlässlich des 75. Jahrestages des Kriegsendes und des faschistischen Massakers in Gardelegen geplant. Die musste abgesagt werden. Man hätte im Normalfall die Arbeiten auch bis dahin geschafft, aber es habe coronabedingt auch personelle Ausfälle in den Firmen und Engpässe bei Materiallieferungen gegeben, so Froese. Eine Eröffnung in besonderer Form wird es aber auf jeden Fall geben. Wann und wie, das sei derzeit allerdings noch unklar. Dennoch hoffe er, dass das Zentrum als Ort der Begegnung und Information für Besucher bald geöffnet werden kann.

„Bis dahin findet aber vieles auch digital statt“, so Froese. Die Gedenkstätte sei mittlerweile auch in den Netzwerken, wie Facebook, Instagramm und Twitter präsent. Diese Angebote würden sehr gut angenommen, auch international. Neben Deutschland nutzen die Netzwerke auch Menschen unter anderem aus den USA, Polen und Frankreich. Im Besucher- und Dokumentationszentrum sind derzeit drei Mitarbeiter beschäftigt: neben Froese ein Mitarbeiter für Gedenkstättenpädagogik und eine Verwaltungsmitarbeiterin. Die Originaltafel sei zugleich als Grundlage für den Friedhof mit den 1016 ermordeten KZ-Häftlingen zu sehen, so Froese. Mit dieser Tafel legten die US-Soldaten im April 1945 den Gardelegener Einwohnern die lebenslange Verpflichtung auf, den Friedhof zu pflegen und die Erinnerung an die Opfer des faschistischen Verbrechens immer wach zu halten. Die Einweihung des Friedhofes mit den weißen Kreuzen jährt sich am 25. April ebenfalls zum 75. Mal.