1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Gardelegen
  6. >
  7. Friedensbewegter Hausfriedensbruch

Gericht Friedensbewegter Hausfriedensbruch

Aktivisten der Bürgerinitiative Offene Heide standen vor Gericht. Vorwurf: Hausfriedensbruch in der Bundeswehr-Übungsstadt Schnöggersburg.

Von Petra Hartmann 31.03.2018, 03:00

Gardelegen l Helmut Adolf, Ingrid Fröhlich-Groddeck und Malte Fröhlich waren am 5. August des vergangenen Jahres in die Übungsstadt auf dem Truppenübungsplatz in der Colbitz-Letzlinger Heide eingedrungen. Ein Fall von Hausfriedensbruch, wie die Staatsanwaltschaft feststellte. Die drei Prozesse vor dem Gardeleger Amtsgericht waren für die Angeklagten vor allem ein Podium, um die Ziele ihrer Initiative darzustellen. Mitglieder der Bürgerinitiative (BI) Offene Heide veranstalteten vor dem Gerichtsgebäude eine Kundgebung, rund 30 Zuhörer verfolgten den Prozess und bekundeten ihren Beifall, als die drei Angeklagten ihre Stellungnahmen verlasen. Ihrer Meinung nach werde auf dem Truppenübungsplatz das Völkerrecht verletzt. Die Kriege, auf die sich die Bundeswehr dort vorbereite, seien völkerrechtswidrig. In ihren Reden beriefen sie sich auf das biblische Gebot „Du sollst nicht töten“, die UN-Menschenrechtscharta und den Notstandsparagraphen 34 des Strafgesetzbuches.

„Mir wird Hausfriedensbruch vorgeworfen. Da, wo Kriege vorbereitet werden, soll ich den Hausfrieden gebrochen haben?“, fasste Adolf die ihm absurd erscheinende Anklage zusammen.

„Das Strafrecht gilt auch für die Friedensbewegung“, stellte Richter Axel Bormann klar. Er versuchte, dem 69-Jährigen eine goldene Brücke zu bauen: Adolf solle den Strafbefehl, den er erhalten hatte, akzeptieren und käme mit 100 Euro davon. Wenn der Friedensaktivist den Prozess wirklich durchziehen wolle, werde es teuer. Ob es nicht sinnvoll sei, nur einen einzigen Prozess durch alle Instanzen gehen zu lassen?, fragte der Richter. Die Verfahren würden doch die Kassen der Initiative belasten. „Das Forum, das Sie wollten, haben Sie ja bekommen“, sagte er und bot der Initiative Beratungszeit an.

Dies nutzte die Gruppe zwar und verließ für einige Minuten den Saal. Doch Adolf blieb eisern: Er wolle den Prozess durchziehen. Er kündigte weitere Aktionen am Truppenübungsplatz an. „Da können Sie auch eine Nebenstelle des Gerichts anlegen“, meinte er. Bormann: „Habe ich mir gerade auch überlegt.“

Dass er in das Gelände eingedrungen war, leugnete Adolf nicht. Auch Malte Fröhlich, dessen Tat im Anschluss verhandelt wurde, gab das zu. Es handele sich um eine „extralegale Stadt“ sagte er. Er lehne militärischen Schutz für sich selbst ab, er müsse ihn als eine „Bedrohung und Gefährdung von anderen Menschen sehen“, auch weil „alle Aggressoren vorgeben, immer irgend etwas zu verteidigen, seien es als Menschenrechte getarnte Schürfrechte an Rohstoffen oder Einflussgebiete.“

Bormann verurteilte Adolf zu 10 Tagessätzen à 90 Euro und Fröhlich zu 10 Tagessätzen à 40 Euro. Beide müssen die Verfahrenskosten tragen.

Nicht abgeschlossen wurde der Prozess gegen Ingrid Fröhlich-Groddeck. Die 80-Jährige hörte die Anklage an und begann dann ihrerseits mit der Verlesung einer Anklageschrift, denn: „Ich bin nicht hier, um mich zu verteidigen, ich bin hier, um anzuklagen.“ Auch sie bestritt den Hausfriedensbruch nicht. „Ja, ich war zu dem Zeitpunkt in Schnöggersburg, und mein Ziel war es, entdeckt zu werden und angeklagt zu werden“, stellte sie klar. Danach trug Fröhlich-Groddeck Seite um Seite ihres Manifestes vor, in dem es um Neoliberalismus, Faschismus und Krieg ging. Als sie auch noch aus der Wikipedia zitierte, fragte der Richter, ob das denn sein müsse. Angeklagte und Zuhörer versicherten, ja, es müsse sein. Darauf ließ Bormann ihr fast eine Stunde Redezeit, bis er wieder unterbrach. Es seien nur noch fünf Seiten, so die Rentnerin. Zu viel für diesen Tag, entschied der Richter und beraumte einen Fortsetzungstermin für kommende Woche an.

Der Bürgerinitiative Offene Heide riet Bormann, doch einmal ihre Methoden zu überdenken. „Es ist sehr wohl möglich, seinen Protest zu zeigen und sich politisch Ausdruck zu verschaffen, ohne die Gesetze zu verletzen“, betonte Bormann. Er könne sich durchaus vorstellen, sich einmal privat mit der Initiative zu treffen. „Solange das im vernünftigen und friedlichen Bereich läuft, ist das überhaupt kein Thema.“ Eine Einladung zum Ostermarsch schlug er allerdings aus. „Ostern gehört bei uns der Familie“, sagte er.