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Holocaust Wenn alle Nein gesagt hätten

In Gardelegen wird derzeit eine Ausstellung gezeigt, die sich der Thematik widmet, wie im Nationalsozialismus der Holocaust möglich wurde.

Von Doreen Schulze 06.09.2019, 04:00

Gardelegen l Wie konnte es soweit kommen? Wie konnte es passieren, dass Menschen während der Zeit des Nationalsozialismus ausgegrenzt, gar vernichtet wurden? Dieser Frage widmet sich derzeit die Ausstellung „Einige waren Nachbarn – Täterschaft, Mitläufertum und Widerstand während des Holocaust“, die derzeit in der Stadt-, Kreis- und Gymnasialbibliothek in Gardelegen gezeigt wird. Die Schau ist eine Ausstellung des United States Holocaust Memorial Museum Washington, D.C., präsentiert vom Verein Miteinander in Kooperation mit der Einheitsgemeinde Gardelegen und der Gedenkstätte Feldscheune Isenschnibbe und wird gefördert von der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“. Es ist eine Ausstellung, die nach Berlin und Halle nun in Gardelegen gezeigt wird.

Beantwortet werden diese Fragen in der Ausstellung nicht. Sie ermöglicht aber einen Blick auf die Geschehnisse jener Zeit. Fokus wird dabei auf das private Umfeld gelegt. Der Blick richtet sich auf die Nachbarschaft. Und schließlich ist der Betrachter dazu aufgefordert, sich selbst die Frage zu stellen, wie er, wie jeder einzelne in dieser Situation reagiert hätte. Aktiver Täter? Mitläufer und Kollaborateur? Einfach wegsehen? Leisen oder aktiven Widerstand leisten?

Zur Ausstellungseröffnung kam auch Klaus Mueller vom United States Holocaust Memorial Museum Washington, D.C. nach Gardelegen. Er stellte die Frage, was die Menschen dazu getrieben haben könnte, beim „staatlich geförderten systematischen Mord“ mitzumachen. War es vielleicht Gleichgültigkeit, vielleicht das Streben nach kollektiver Anerkennung? Vielleicht aber auch die Hoffnung auf einen Karrieresprung. Ein Teil der Antwort liege also bei den Mitmenschen, in der „Gleichgültigkeit der meisten“, so Mueller, darin, dass Ausgrenzung plötzlich zur Volksgemeinschaft gehörte. Mueller schlug den Bogen in die Gegenwart. Auch heute sei es wieder an der Zeit, achtsam zu sein. Nicht einfach zu schweigen, Populisten und Mitläufern nicht stillschweigend das Feld zu überlassen.

„Der Holocaust begann nicht in Auschwitz. Der Holocaust begann mitten in der Gesellschaft“, machte auch Andreas Froese, Leiter der Gedenkstätte Feldscheune Isenschnibbe, deutlich. Nicht wegsehen, nicht schweigen, ist auch die Botschaft, die Gardelegens Bürgermeisterin Mandy Schumacher übermittelte. „Was wäre, wenn das Volk Nein gesagt hätte? Was hätte das Regime dann gemacht?“, so Schumacher. Machte das Schweigen den Holocaust erst möglich? Schumacher hofft, dass viele Lehrer mit Schulklassen diese Ausstellung besuchen.

Die Ausstellungseröffnung spannte auch einen Bogen zu den Ereignissen in Gardelegen zur Zeit des Nationalsozialismus. So wurde ein kurzer Film der Arbeitsgemeinschaft (AG) Stolpersteine des Geschwister-Scholl-Gymnasiums Gardelegen eingespielt. Darin wurden einzelne Schicksale jüdischer Familien in Gardelegen vorgestellt. Den Opfern wurde so ein Gesicht gegeben.