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Familie aus Mieste verlor bei Wohnungsbrand gesamtes Hab und Gut / Notunterkunft in Gästewohnung "Ich sah zum ersten Mal, dass Luft brennen kann"

09.11.2011, 04:25

Nach dem Brand in ihrem Wirtschaftsraum ist die Wohnung der Familie Breitkopf nicht mehr bewohnbar. Die Familie hatte diese gerade renoviert. Kurz vorher hatten sie ihre Hausratsversicherung aus Kostengründen gekündigt.

Mieste (ssi) l "Wir haben nichts mehr", sagt Familienvater Sven Breitkopf und versucht, sich ein freundliches Lächeln abzuringen. Am Sonnabend hatte es in einem Zimmer in seiner Wohnung gebrannt. "Glücklicherweise haben wir es rechtzeitig bemerkt", sagt Breitkopf. Unverletzt konnten sich die Familienmitglieder samt Hund Charly in Sicherheit bringen. Aber ihr gesamtes Hab und Gut ist zerstört.

Alles sei sehr schnell gegangen, erzählt er über den Brand in seiner Wohnung. "Wir hatten den Hausputz erledigt, Waschmaschine und Trockner liefen, und wir schalteten den Fernseher ein, um etwas zu entspannen", erzählt er. Dieser sei plötzlich ausgefallen, Licht und elektrische Uhren funktionierten noch. Seine Frau Kerstin hat nachgesehen, ob denn auch der Trockner noch läuft. "Als ich die Tür öffnete, war schon alles voller Rauch, und Hitze schlug mir entgegen", sagt sie. "Es brennt", habe sie ihren Mann angeschrien, sich ihren sechsjährigen Sohn Jannik gegriffen und die Wohnung verlassen. Der 34-Jährige versuchte noch, mit einem Feuerlöscher gegen die Flammen anzugehen. Stoßweise sprühte er in die schwarze Wand hinein, so, wie er es einst bei der Feuerwehr gelernt hatte. "Ich hatte keine Chance", sagt er. "Die Flammen waren schon überall, die Decke brannte. Ich habe zum ersten Mal gesehen, dass Luft brennen kann", berichtet er. Daraufhin flüchtete er auch aus der Wohnung.

Ruß und Gestank liegen auf allen Kleidungsstücken

Seine Frau hatte mittlerweile die Nachbarn und die Feuerwehr alarmiert. "Für mich lief alles wie im Film ab", erinnert er sich.

"Als dann die Nachricht kam, die Wohnung sei unbewohnbar, wollte ich es erst nicht recht glauben", erklärt Breitkopf. Schließlich habe nur ein Zimmer gebrannt. Doch als er nach dem Brand die Wohnung wieder betreten durfte, stellte sich die traurige Gewissheit ein. "Es ist alles kaputt, beschädigt, dreckig", sagt er. Die Feuerwehr geht davon aus, dass vermutlich der Trockner einen Defekt hatte und den Brand auslöste (Volksstimme berichtete).

Neben dem Schaden, den die Flammen und die Löscharbeiten angerichtet hatten, hatte sich überall Ruß abgesetzt. Brandgeruch hatte sich in Polstern, Teppichen und Kleidungsstücken festgesetzt. Als Sven Breitkopf gestern, drei Tage nach dem Brand, die Wohnung zeigte, roch es noch immer giftig. Die Fußböden sind schwarz und rutschig, die Tapeten von einer klebrigen Schicht überzogen. "Der Ruß hat sich überall abgesetzt. Er ist auch in die Schränke gezogen. Auch in den Zimmern, die auf der anderen Seite des Flures liegen. Wir müssen alles wegwerfen", sagt er.

Nur wenige Kleidungsstücke konnten die beiden Eheleute noch retten. "Die Sachen, die gut verpackt waren, riechen kaum. Jedenfalls, nachdem sie drei-, viermal gewaschen wurden", sagt Kerstin Breitkopf (43) nüchtern.

Vor zwei Wochen hatten die beiden Arbeitslosen die Wohnung erst renoviert. "Jannik wurde eingeschult, dafür haben wir sein Zimmer neu hergerichtet, den Flur und die Türen gestrichen. Wir wollten ihm einen anständigen Schulstart bereiten", erklärt Sven Breitkopf. Der gelernte Maurer und Gleisbauer hatte im vergangenen Jahr wegen einer schlechten Auftragslage seine Anstellung in Wolfsburg verloren, seine Frau ist saisonal im Eiscafé in Mieste eingestellt. Seit einigen Wochen ist sie wieder zu Hause. "Die Renovierung haben wir uns vom Munde abgespart, wir haben unser Auto verkauft, damit wir besser über die Runden kommen", berichtet Sven Breitkopf weiter.

Um noch etwas mehr Geld zu sparen, hatten die beiden kürzlich auch ihre Hausratsversicherung gekündigt. "Das war ein Fehler", sagt Breitkopf und blickt zu Boden. "Die 30 Euro waren für uns viel Geld im Monat. Und nun ist alles weg."

Viele Helfer machen der Familie wieder Mut

Die kleine Familie ist in einer Gästewohnung untergekommen. "Wir sind allen Beteiligten so dankbar für die schnelle, unkomplizierte Hilfe", sagt Breitkopf. "Vor allem Ortsbürgermeister Kai-Michael Neubüser, der schon da war, als es noch brannte, und sich um unsere Unterbringung gekümmert hat. Der Wohnungsverwaltung der Gästewohnung, dass sie uns hier kostenfrei übernachten lässt und unserer Wohnungsverwaltung, die uns Mut macht und bei Anträgen hilft", sagt der Familienvater. "Vielen Dank auch an unsere Nachbarn Carmen, Gerd und Ursula Lossin sowie Bernd Riediger. Sie haben uns zu essen gegeben und mit den nötigsten Sachen ausgeholfen", erzählt er weiter. "Sie haben auch bestimmt zehn Maschinen Wäsche gewaschen, damit wir überhaupt etwas anziehen können", erzählt er dankbar.

Dankbar sei er auch seinem Bruder Michael, der gleich aus Berlin anreiste und für Jannik einige neue Kleidung kaufte, sowie den Eltern seiner Frau, Justinus und Wilfriede Petrosat aus Kalbe, die ihnen ebenfalls helfend zur Seite stehen. "Es tut gut zu sehen, dass so viele Menschen sich für einen einsetzen", meinte Breitkopf. Und fügte fast trotzig an: "Wir kommen wieder auf die Beine."

Bis dahin versuchen die beiden, wenigstens für ihren Sohn wieder Alltag einkehren zu lassen.