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Kaufhausschließung Eine Tüte Milch reicht nicht aus

Die PUG-Verkaufsstelle in Letzlingen soll kurzfristig geschlossen werden. Die Einwohner können das nicht fassen.

Von Gesine Biermann 30.05.2018, 12:00

Letzlingen l „Wir kennen dich“, freuen sich die beiden Kindergartenkinder, die gerade ihr Eis aufs Kassenband legen. „Und ich kenn euch auch“, antwortet fröhlich die Kassiererin. So ist es eben in Letzlingen. Man kennt sich. Und man trifft sich im Dorfladen. Und dort herrscht gestern morgen auch reger Betrieb. Hinter den beiden Kindern der Vorschulgruppe der Kita, die mit ihrer Erzieherin Ilka Wogand Eis kaufen, bringt ein Soldat aus den nahen Gefechtsübungszentrum Leergut zurück. Holger Hennings aus Letzlingen hat sich „was Frisches“ zum Mittag ausgesucht, und Veronika Böge kauft für ihren 81-jährigen Vater ein. Die Tür steht nicht still. Und so mancher bleibt kurz stehen, um zu plaudern. Denn ein Thema beschäftigt sie alle: „Ihr“ Dorfladen soll demnächst geschlossen werden. Unvorstellbar für viele Letzlinger. „Besonders für die alten Leutchen ist das schlimm“, sagt Rosemarie Helmke. „Wie sollen die denn nach Gardelegen kommen?“ An dem Tag, an dem sie das erfahren habe, mit der Schließung, konnte sie gar nicht einschlafen. „Ich bin gedanklich von Tür zu Tür gegangen und habe immer gedacht: Der lebt allein und hat kein Auto, und der auch und die auch...“

Rosemarie Helmke hängt ohnehin besonders an dem Laden. „Ich hab hier gelernt“, erzählt die Letzlingerin. 48 Jahre hat sie als Verkäuferin gearbeitet. In der Filiale auf dem Markt war sie von Anfang an dabei. 1976 im Mai wurde die eröffnet.

Doch nun soll demnächst zum letzten Mal der Schlüssel im Geschäft der PUG-Genossenschaft umgedreht werden: Seit der vergangenen Woche sei es offiziell, bestätigt die Vorstandsvorsitzende Helga Schulz aus Salzwedel auf Nachfrage . Als Grund für die Schließung nennt sie „Unwirtschaftlichkeit“. Der Laden rentiere sich nicht, dafür sei „Gardelegen viel zu dicht dran“. In den Einkaufsmärkten in der Stadt werde der Großeinkauf erledigt. „Aber von einer Tüte Milch, die hier schnell mal rausgeholt wird, können wir nicht überleben“, macht sie deutlich. Auch dass die Bundeswehr vor Ort ist, reiche nicht aus.

Zum 31. Juli werde das Objekt deshalb dem Eigentümer übergeben. Wann der Laden zum letzten Mal geöffnet sein wird, konnte die Vorstandsvorsitzende auf Nachfrage nicht genau sagen. Den drei Mitarbeitern, die in Letzlingen die Kundschaft bedienen und an der Kasse sitzen, werde ein anderer Arbeitsplatz angeboten, so Schulz.

PUG ist Teil des Edeka-Konzerns und betreibt ehemalige Konsum-Läden in den Dörfern. Aber in zurückliegender Zeit wurden immer mehr Filialen in der Region geschlossen, vor rund zwei Jahren auch an der Nicolaistraße in Gardelegen.

„Die sehen einfach nur die Zahlen und nicht die Menschen, sagt Rosemarie Helmke ärgerlich. Über das rigorose Vorgehen der PUG-Kauf ärgern sich indes nicht nur die Kunden. „Für mich ist das keine Art und Weise, in der Fläche zu arbeiten“, sagt Ortsbürgermeisterin Regina Lessing. Sie ärgert sich vor allem darüber, wie kurzfristig die Schließung erfolgt. „Wenn die PUG sagt, es gibt schon länger Probleme, warum wird das dann nicht schon vorher angesprochen?“ Innerhalb von acht Wochen könne niemand reagieren, ist Lessing wütend. Kürzlich habe es ein Gespräch mit Ortschaftsrat, dem Besitzer der Immobilie und „zwei verantwortlichen Damen von PUG“ gegeben. Sie habe ihren Unmut zum Ausdruck gebracht, so Lessing. An der Entscheidung werde das aber wohl nichts ändern.

„Auf jeden Fall wollen wir nun gucken, und zwar in alle Richtungen“, ob es noch Möglichkeiten gebe, eine Einkaufsmöglichkeit zu schaffen, verspricht Lessing. Unterstützung hätten auch Gardelegens Bürgermeisterin Mandy Zepig und Wirtschaftsförderin Julia Schlüsselburg zugesagt.

Und Unterstützung gibt es auch von den Pfeifferschen Stiftungen. „Wir müssen unser Angebot im Helferkreis ausbreiten und in die Fläche gehen“, erklärt Sophie Schönemann vom ambulanten Betreuungsdienst. Wer Probleme mit der Versorgung bekommt, kann sich bei ihr melden. Ehrenamtliche des Helferkreises werden entweder gemeinsam mit dem Hilfebedürftigen einkaufen fahren oder ihm etwas mitbringen. Der ambulante Betreuungsdienst der Pfeifferschen Stiftungen ist telefonisch unter 0173/467 84 67 erreichbar.