Krimi-Dinner der Musical Factory Gardelegen hatte am Sonnabend Premiere/Gelungenes Experiment Kommissar Zuschauer auf Mördersuche in Elfis Bar
Am Sonnabendabend hatte das Krimi-Dinner "Bar jeder Vernunft" im Wirtshaus Premiere. Für die Musical Factory Gardelegen wieder einmal ein Experiment - ein gelungenes.
Gardelegen l Elfi Schulz hat ihre Bar gleich neben dem Finanzamt eröffnet. Für sie ganz logisch: Weil viele Finanzbeamte ihre Stammkunden sind, bekommt sie etwas Geld von dem zurück, das die nebenan von ihr eintreiben. Und weil Finanzbeamte "nichts annehmen, nicht einmal Vernunft", ist auch der Name ihres Lokals für Elfi ganz selbstverständlich: Bar jeder Vernunft.
So heißt auch das Stück, das die Musical Factory Gardelegen für ihr erstes Krimi-Dinner ausgewählt hat. Schauplatz ist eine Bar, in diesem Fall die des Wirtshauses. An der Theke und davor agieren die Darsteller, während die Zuschauer, an langen Tafeln sitzend, das Geschehen verfolgen. Ein viergeteiltes Geschehen, denn zwischen den Krimi-Auftritten wird das Dinner serviert. Dazu lädt Wirtin Elfi Schulz - eine ideale Rolle für Franziska Kobert - immer wieder persönlich ein.
Nach dem Begrüßungstrunk für die Zuschauer trudeln so nach und nach die Finanzbeamten ein: Amtsvorsteher Karl-Robert Riedinger (Ulf Wilmerstaedt), Wolfgang Kipilla (Volker Winkel), Ursula Garnreiter (Anke Frieß), Andreas Tischer (Sebastian Prignitz) und Edith Marschner (Sieglinde Hintze). Der Zuschauer lernt in dieser ersten Szene die Charaktere kennen: den etwas begriffsstutzigen Tischer, der intellektuell schon an einfachen Witzen scheitert und keine Pointe versteht; die devote Beamtin Garnreiter, die sich gern beim Chef einschmeichelt; den Möchtegern-Komiker und Jungesellen Kipilla; den überkorrekten Riedinger und die ruhige Frau Marschner, die heimlich in ihren Chef verliebt ist. Gerade diese Eingangsphase lebt von der gut gespielten Verflechtung bekannter und weniger bekannter Witze, meist über das Finanzamt - "Ein Finanzamt macht mehr Männer zu Lügnern als die Ehe" - und über Beamte - "Beamte werden nicht bestattet, die werden umgebettet". Hinzu kommen noch ein paar Sprüche wie "Lieber Speck auf der Hüfte als Magersucht im Hirn" - und für einen unterhaltsamen Abend ist schon mal ein Grundstein gelegt. Kurze Pause und Zeit für den ersten Gang: Salat. Und Zeit vielleicht für noch eine erwähnenswerte Lebensweisheit, vorgetragen von Edith Marschner als Kommentar an den selbstverliebten Wolfgang Kipilla: "Wofür feiern wir überhaupt noch Weihnachten? Es wird doch jeden Tag ein Mann geboren, der sich für Gott hält."
Im zweiten Teil kommt dann so richtig Leben in die Bude, denn die neue stellvertretende Leiterin Katja Schwarz ist aus Magdeburg eingetroffen - Anna Bosse lebt auf der Bühne die Rolle des arroganten, machtsüchtigen und intriganten Finanzamt-Biestes aus, das auch über Leichen geht. Allerdings kann sie dies in diesem Fall nicht (mehr), denn sie liegt wenig später selbst leblos vor der Damentoilette - erschossen. Doch vorher gibt es noch den zweiten Gang: Suppe.
Im dritten Teil treibt es die Neue dann auf die Spitze. Sie bringt alle gegen sich auf. Der Zuschauer bekommt Einblicke in die Gefühlswelt der Kollegen, in ihre Ängste und Nöte. Da heißt es, auf jedes Wort, auf jede Geste besonders zu achten. Denn schließlich soll Kommissar Zuschauer das mörderische Rätsel am Ende lösen. Als der Schuss gefallen ist, kann die Mördersuche beginnen. Diskutiert werden kann beim dritten Gang: Hauptspeisen vom Büfett. Auf den Tischen liegen Zettel, auf denen die Premierengäste ihren Mörder-Favoritzen ankreuzen und als Zusatz das Motiv notieren können.
In der vierten Spielszene, natürlich bei Schnaps, Wein und Bier in Elfis "Bar jeder Vernunft", lösen die Darsteller den Fall auf. Die Mordszene wird, in blaues Licht getaucht als Mittel der Rückblende, sogar nachgespielt. Wer mit dem gezielten Schuss eine freie Stelle im Finanzamt geschaffen hat, wird an dieser Stelle natürlich nicht verraten. Denn nach der gelungenen Premiere und einer geplanten Vorstellung in Arend- see soll es nach Wunsch der MFG weitere Krimi-Dinners auch in Gardelegen geben.
Am Sonnabend haben zwölf Zuschauer den richtigen kriminalistischen Spürsinn. Während sich die Gäste den vierten Gang, das Dessert, schmecken lassen, zieht Wirtshaus-Koch Thomas Siegemund als Glücksfee die Gewinnerin eines 50-Euro-Gutscheins. Den darf Stefanie Wiesel mit nach Hause nehmen. Als sie den Schlussapplaus genießen, merkt man den Darstellern die Erleichterung an. "Wir haben heute ein neues Genre ausprobiert und waren ganz schön aufgeregt", verrät Volker Winkel, der nicht nur selbst auf der Bühne stand, sondern auch Regie geführt hatte. Das Experiment, so nah dran am Publikum und streckenweise in Interaktion mit diesem zu spielen, ist auf jeden Fall gelungen.