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Wildschäden Mit den Maisschlägen wachsen die Sorgen der altmärkischen Jäger

Seit Jahren wachsen die Maisfelder im Altmarkkreis Salzwedel - ganz zur Freude der Wildschweine und zum Leidwesen der Jäger, die für Wildschäden aufkommen müssen.

Von Stefanie Brandt Aktualisiert: 28.05.2021, 09:35
Gutes Futter auf den Maisfeldern begünstigt die Vermehrung der Wildschweine, die dann wiederum für mehr Wildschäden auf den Feldern sorgen ? ein Problem für Jäger und Landwirte.
Gutes Futter auf den Maisfeldern begünstigt die Vermehrung der Wildschweine, die dann wiederum für mehr Wildschäden auf den Feldern sorgen ? ein Problem für Jäger und Landwirte. Foto: Tino Plunert/dpa

Gardelegen - „Der Mais, der Mais, der Mais marschiert ...“ – kennen Sie noch diesen Ohrwurm aus den 1980er Jahren? Das Werbelied ist noch heute aktuell. Schaut man auf die Zahlen, ist die Anbaufläche der gelben Körner – wobei es um diese heutzutage meist gar nicht mehr geht – explodiert wie sonst nur der Popcornmais in der Mikrowelle.

Laut Statistischem Bundesamt wuchs die Anbaufläche von unter 500.000 Hektar im Jahr 1970 auf inzwischen bundesweit mehr als 2,5 Millionen Hektar. In Sachsen-Anhalt wurden im Jahr 2016 auf 15.800 Hektar Körnermais und auf 128.000 Hektar Silomais angebaut. 2020 waren es dann schon 17.600 Hektar Körnermais und 159.100 Hektar Silomais (Quelle Statistisches Bundesamt, Stand August 2020).

Für den Altmarkkreis Salzwedel liegen vom Statistischen Landesamt für das Jahr 2016 Zahlen vor. Demnach wuchsen bei insgesamt 93.743 Hektar Ackerland auf 1462 Hektar Körnermais und auf 21.410 Hektar Silomais. Das macht eine Fläche von 22.872 Hektar. In keinem anderen Kreis dieses Bundeslandes, nicht einmal in der Börde mit deutlich mehr Ackerfläche insgesamt, wurde mehr Silomais angebaut.

Die Altmark als Mais-Hochburg

„Der vermehrte Maisanbau, unter anderem für die Biogasgewinnung, ist für uns schon ein Problem“, macht Gerhard Henke, Vorsitzender der Jägerschaft Gardelegen, auf die missliche Lage aufmerksam. Die längste Zeit des Jahres seien die Wildschweine, die besonders bejagt werden sollen, um die Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest zu verhindern, gar nicht zu sehen. „Als der Mais gelegt wurde, haben die Schweine schon im Raps Deckung gefunden“, weiß Henke.

Er berichtet, dass die Wildschweine dann, wenn der Mais groß genug ist, teils gar nicht aus den Feldern kommen. „Die fressen und schlafen dadrin. Wenn dann noch ein Graben oder Tümpel im Feld ist, können sie bis zur Ernte dort bleiben. Der Körnermais steht zum Teil bis Ende November auf den Feldern, und im Mai tauchen die Schweine schon wieder im Raps unter.“

Bejagung ist kaum möglich

Eine Bejagung sei unter diesen Umständen kaum möglich. Dabei wäre diese nicht nur zur Reduzierung der gewachsenen Schwarzwildbestände wichtig. Die Jäger haben auch noch ein ganz anderes Problem, denn für Schäden, die den Landwirten durch das Wild entstehen, müssen sie persönlich aufkommen.

„Die Jäger versuchen in so einem Fall meist, sich mit den Landwirten zu einigen. Viele Landwirte erkennen auch an, dass die Jäger sich Mühe geben, die Felder zu schützen, und sind kulant. Trotzdem kommt es regelmäßig vor, dass Landwirte die Schäden doch bezahlt haben wollen“, berichtet Henke.

Schlaue Schweine

Diesbezüglich droht vor allem Gefahr, wenn der Mais gerade erst gelegt wurde. Die schlauen Tiere finden schnell heraus, wie die Reihen verlaufen, tauchen mit ihrem Rüssel einmal ein und ziehen dann ebenso schnurgerade Linien wie zuvor die Maschinen, um die begehrten Körner wieder aus dem Boden zu holen.

„Durch Kälte und Trockenheit haben wir zum Teil fünf, sechs Wochen an den Maisflächen gesessen, weil er nicht aufging. Es war ein sehr schwieriges Frühjahr. Wenn es feucht-warm ist, ist der Mais in zwei Wochen ein paar Zentimeter aus dem Boden raus, dann kann der Jäger aufatmen“, gewährt Henke Einblick. In diesem Jahr hätten er und seine Jagdgenossen sich aber viele Nächte um die Ohren geschlagen, um die Felder zu bewachen.

Jäger werden zur Kasse gebeten

In Solpke sei seitens der Jäger im vergangenen Jahr schon für Wildschäden gezahlt worden. „Auch in diesem Frühjahr ist es wieder passiert, dass Flächen nachgelegt werden mussten. Einzelne Jäger machen das selbst, wenn nur eine Reihe fehlt, zum Beispiel in Hottendorf oder Jävenitz wurde das so gehandhabt. Aber in der Regel sind die Schäden so groß, dass die Landwirte das mit ihren Maschinen übernehmen“, so der Vorsitzende der Jägerschaft.

Um die Schäden zu begleichen, gibt es in Mecklenburg-Vorpommern eine sogenannte Wildschadensausgleichskasse. „Jäger und Landwirte zahlen darin ein. Das wurde dort nach der Wende eingeführt, weil in Mecklenburg-Vorpommern die Wildbestände sehr hoch waren und es den Jägern nicht zumutbar war, für die gesamten Schäden aufzukommen“, weiß Henke. In Sachsen-Anhalt gibt es Ähnliches nicht. Vorstöße diesbezüglich seien seitens der Landwirtschaftsverbände zurückgewiesen worden, weil die Landwirte nicht gern einzahlen wollten, so Henke.

In Anbetracht immer größerer Maisanbauflächen und – auch durch das dadurch zur Verfügung stehende gute Futter – wachsender Schweinerotten wäre eine solche Kasse für die Jäger wohl eine Entlastung. „Ich glaube nicht, dass es weniger Mais geben wird, denn die Biogasanlagen stehen inzwischen in jedem dritten Dorf und müssen versorgt werden“, rechnet Henke nicht damit, dass die Probleme kleiner werden.

Biogasanlagen müssen versorgt werden

Hilfe zur Selbsthilfe gab den Jägern in dieser Situation eine Gesetzesänderung, die den Einsatz von Nachtsichttechnik bei der Jagd erlaubt. „Früher hatte man in mondfreien Phasen keine Chance. Jetzt hat man die Möglichkeit, bei Dunkelheit zu schießen“, so Henke, der den Eindruck hat, „dass dadurch in diesem Frühjahr die Schwarzwildbestände doch ein bisschen zurückgegangen sind.“ Auch die vom Land eingeführte Prämie von 65 Euro pro erlegtem Wildschwein – eigentlich um die Ausbreitung der Schweinepest einzudämmen – scheine manch einen zu animieren, doch das eine oder andere Schwein mehr zu schießen. Eine weitere Hilfe ist den Jägern der Paragraf 35 des Landesjagdgesetzes, der Bejagungsschneisen in Mais- und Rapsfeldern vorsieht. Sind solche Schneisen nicht vorhanden, muss der Jagdpächter auch nicht für Schäden zahlen. „Allerdings ist diese Gesetzesänderung auf drei Jahre befristet und würde im nächsten Frühjahr auslaufen. Wir hoffen sehr, dass eine Entfristung kommt“, blickt Henke voraus.

Die gute Zusammenarbeit zwischen Landwirt und Jäger bleibt aber das beste und wichtigste Mittel, um Wildschäden gering zu halten. „Und das klappt zum Glück in der Regel gut“, weiß Henke.