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Berufungsverhandlung Nach Angriff eines Mannes aus dem Raum Gardelegen auf eine Frau: Tränen im Gericht

Die Berufungsverhandlung gegen einen 32-Jährigen aus dem Raum Gardelegen endete am Donnerstag im Landgericht Stendal mit der Einstellung des Verfahrens. Der Mann hatte eine Frau zunächst ausgebremst und dann brutal attackiert.

Von Thomas Pfundtner 23.07.2022, 06:45
Am Donnerstag fand die Berufungsverhandlung gegen Paul F. (rechts), hier mit seinem Anwalt Thomas Voigt, vor dem Stendaler Landgericht statt.
Am Donnerstag fand die Berufungsverhandlung gegen Paul F. (rechts), hier mit seinem Anwalt Thomas Voigt, vor dem Stendaler Landgericht statt. Foto: Thomas Pfundtner

Stendal/Gardelegen - „Warum nicht früher, warum nicht früher?“ rief Maria K. immer wieder. Eigentlich war die junge Frau als Zeugin und Nebenklägerin im Landgericht Stendal erschienen, um gegen Paul F. (28) aus Gardelegen auszusagen. Doch nun nahm sie die Entschuldigung des Mannes an. Auch ihr Ehemann, Kevin K., verzieh seinem einst besten Freund, betonte aber, dass es nie wieder so sein könne, wie vor den dramatischen Vorfällen in der Nacht vom 31. August 2019.

Damals hatte alles harmlos begonnen: Maria und Kevin K. waren zu Besuch bei Paul F. und seiner Frau: „Wir wollten, dass unsere Hunde Freundschaft schließen“, sagte Paul F. jetzt in der Berufungsverhandlung. Doch es gab Stress: Kevin K. zoffte sich mit seiner Frau, die Hals über Kopf die Wohnung verließ: „Er war doch mein bester Freund, ich wollte ihm doch nur zur Seite stehen“, erzählte Paul F. Richterin Julia Rogalski.

Als der damals 25-Jährige mitbekam, dass sein Freund Kevin K. später gemeinsam mit seiner Frau nach Hause fuhr, setzte er sich hinter das Steuer und verfolgte das Pärchen. Auf der B 188, kurz hinter Lenz bei Mieste, schob er sich dann vor den Škoda Fabia von Maria K., verlangsamte die Geschwindigkeit und zwang die verängstigte Frau zum Anhalten auf der Straße.

Damit nicht genug: Paul F. stürzte aus seinem Wagen, rannte auf das andere Fahrzeug zu und rüttelte an der Fahrertür. Diese hatte Maria K. zum Glück, trotz aller Panik, im letzten Moment verriegeln können. Ebenso die anderen Türen des Škodas.

Als F. das mitbekam, rastete er aus: Er sprang auf die Motorhaube und hämmerte mit seinen Füßen solange auf die Windschutzscheibe ein, bis diese zerbrach und in sich zusammenfiel.

Das alles hatte Paul F. bereits in seiner ersten Verhandlung ausgesagt und war dafür zu 2700 Euro Geldstrafe verurteilt worden. Diese Strafe und auch eine Vergleichszahlung für das zerstörte Auto und Schmerzensgeld in Höhe von 3000 Euro an Maria K. ist längst bezahlt.

So weit, so gut. Nur, dass er wegen Nötigung gegen Maria K. verurteilt wurde, wollte Paul F. nicht auf sich sitzen lassen. Nur deshalb ging er in die Berufung: „Ja, ich habe mich vor ihr Auto gestellt, aber sie hätte daran vorbeifahren können“, sagte er vor der Berufungskammer, „nein, Frau Richterin, ich wollte der Frau meines besten Freundes kein Leid zufügen. Seitdem ich sie auf die Straße geschubst habe, bereue ich das von ganzem Herzen und wünschte, ich könnte alles ungeschehen machen. Durch meine Taten habe ich meinen besten Freund verloren.“

In Absprache mit der Staatsanwältin Ramona Schlüter schlug Richterin Julia Rogalski vor: „Wenn Sie bereit sind, sich hier im Saal bei Familie K. zu entschuldigen und 500 Euro an die Organisation Krebskranke Kinder in Not zahlen, stellen wir das Verfahren ein. Sie haben sich in den letzten drei Jahren auch nichts mehr zuschulden kommen lassen, was sich in jedem Fall positiv auswirkt.“

Nach einer kurzen Beratung mit seinem Rechtsanwalt, Thomas Voigt, stimmte Paul F. dem Vorschlag zu und bewegte sich mit langsamen Schritten auf Maria K. und ihren Mann zu. „Ich bitte euch um Verzeihung. Ich habe großen Mist gebaut. Das wollte ich nicht“, sagte er unter Tränen.

Während ihm der Ex-Freund verzieh und sagte, dass nun alles erledigt sei, wollte Maria K. noch wissen, warum er sich erst jetzt entschuldige. Darauf entgegnete Paul F. mit brechender Stimme: „Weil ich einfach Angst hatte …“

(* Namen von der Red. geändert)