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Schuldnerberatung Viele kommen erst, wenn es fast zu spät ist

Die Schuldner- und Insolvenzberatung des Diakonischen Werks in Gardelegen ist in die Ernst-Thälmann-Straße 40 gezogen.

Von Ulrike Demuth 14.09.2017, 01:00

Gardelegen l Grau und unscheinbar hebt sich das Gebäude mit der Hausnummer 40 in der viel befahrenen Gardeleger Ernst-Thälmann-Straße kaum gegen den Himmel ab. „Diakonisches Werk Altmark West e.V., Schuldner- und Insolvenzberatung, Eingang über den Hof“, mehr ist am Schaufenster nicht zu lesen. Durch eine Toreinfahrt gelangt man zum Eingang. Gleich im Erdgeschoss befindet sich die Tür zur Schuldnerberatung. Auf das Klingeln öffnet eine schlanke und tatkräftig wirkende Frau: Mandy Beneke, das „Gesicht“ der Gardeleger Schuldner- und Insolvenzberatung. Der Besucher wird in ein Büro geleitet, das weder zum Äußeren des Hauses noch zur Thematik passt: helle Möbel, Topfpflanzen, ein großes Fenster, durch das man auf die Straße blicken kann.

„Sie sehen uns nicht, aber wir sehen sie“, sagt Beneke mit einem Augenzwinkern und deutet hinaus auf die vorübergehenden Passanten. „Viele, die zu uns kommen, haben Angst davor, dass die Familie oder der Bekannten- und Freundeskreis von ihrer Situation erfahren“, berichtet sie, daher sei die Anonymität ihrer Klienten ein wichtiger Punkt, der immer gewahrt bleibe.

„Meistens sind es nicht nur finanzielle Probleme, mit denen die Menschen uns aufsuchen. Oft hängen damit weitere Schwierigkeiten zusammen, etwa Drogensucht oder familiäre Streitigkeiten.“ Daher sei sie sehr froh, dass die Schuldner- und Insolvenzberatung vom Aschberg in die Ernst-Thälmann-Straße gezogen ist, denn hier seien sie „unter einem Dach“: Im Erdgeschoss befindet sich ihr Büro, in den oberen Etagen die Schwangerschafts-, Erziehungs- und Familienberatungsstelle

„Wir bilden schon seit Jahren ein festes Team, das sich regelmäßig trifft, aber nun, da wir alle im gleichen Haus unsere Arbeitsräume haben, geht natürlich vieles einfacher und schneller“, zeigt sich Beneke erfreut. „Und es ist für unsere Kunden auch anonymer und dadurch leichter, da ein Außenstehender ja nicht nachvollziehen kann, zu wem man geht, wenn man unser Gebäude betritt.“

Und ihren Klienten mit allen Möglichkeiten zu helfen, das ist ihr wichtigstes Anliegen, das merkt man schnell, wenn man Mandy Beneke gegenüber sitzt.

Doch wie genau sieht die Hilfe aus? „Viele kommen leider erst, wenn es schon fast zu spät ist, wenn Wohnungsverlust droht oder Ähnliches“, berichtet sie. „Meine Hilfe besteht dann darin, sich zunächst einen Überblick über alle Schulden zu verschaffen.

Oft bringt das schon das böse Erwachen, denn viele schätzen die Situation meist weniger prekär ein, als sie ist.“ Danach müsse man sich auf die Beratungsbedingungen einigen: ehrlich sein, Aufträge erledigen, Termine einhalten. Gerade der letzte Punkt allein sei schon sehr schwer für viele, ist aber für Benekes Arbeit von zentraler Bedeutung: „Wir haben sechs bis acht Wochen Wartezeit für das erste Treffen, unter anderem deshalb, weil viele ihre Termine nicht absagen und ich dann hier sitze und warte“, so Beneke.

Nach diesen ersten Schritten sei ihr Prinzip: Hilfe zur Selbsthilfe. „Ich kann den Hilfesuchenden nur die Wege zeigen und sie unterstützen, die Dinge in Angriff zu nehmen und etwas zu verbessern, aber aktiv werden müssen sie selbst auch.“ Das eigene Verhalten zu ändern sei schwer, aber einen anderen Weg gebe es nicht, um die Schulden dauerhaft loszuwerden. Dafür ist die Beratung kostenlos für den Schuldner, es zahlt der Altmarkkreis Salzwedel, im Fall einer Insolvenz sogar die Landesverwaltung Sachsen-Anhalts.

Aber die Arbeit, die Mandy Beneke hier tut, ist nicht mit Geld aufzuwiegen: „Es ist meine Berufung“, sagt sie. „Einmal sagte ein Klient zu mir: Wussten Sie schon, dass die Leute, die aus ihrem Raum kommen, immer ein Lächeln im Gesicht haben?“

„Ich kann den Hilfesuchenden nur die Wege zeigen, aktiv werden müssen sie selbst auch.“

Oft erschienen die Menschen bedrückt, verstört, sogar unter Tränen bei ihr, aber spätestens ab dem zweiten Beratungsgespräch kämen sie gern, und das gebe ihr Kraft. Und die brauche sie, denn der Bedarf sei riesig: 480 Fälle habe sie im letzten Jahr bearbeitet. Der Kundenkreis komme aus allen sozialen Schichten: Hartz-IV-Empfänger beträfe es ebenso wie Rentner, Arbeitnehmer oder gescheiterte Selbstständige. Ein Schuldenberg türme sich schnell an, und Mandy Beneke hilft in Gardelegen mit allen Mitteln, aus dieser Falle herauszukommen.

 

Die Schuldner- und Insolvenzberatung bittet um telefonische Anmeldung unter 03907/779217. Die Öffnungszeiten sind dienstags 10 bis 15 Uhr, donnerstags von 9 bis 13 Uhr sowie montags und freitags nach Vereinbarung. Mittwochs ist die Beratungsstelle geschlossen.