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Apfelbestimmung Von Ontario und der Gräfin von Paris

„Pinova“, „Rebella“, „Topaz“, klangvolle Namen, die Sigurd Schossig zuordnen kann. Der bekannte Apfelexperte war in Genthin zu Gast.

Von Mike Fleske 23.10.2015, 06:30

Genthin l Alle Hände voll zu tun hatte in dieser Woche Sigurd Schossig aus Biederitz. Der Pomologe bot in den Räumen der Genthiner Baumschule seine beliebte Apfelsortenberatung an und die Nachfrage war immens. Gleich zu Beginn bildeten sich am mit vielen Äpfeln dekorierten Tisch lange Schlangen. In Beuteln, Taschen und Körben hatten die Besucher eine Vielzahl verschiedener Äpfel dabei, die sie von Schossig bestimmen lassen wollten.

Fast schon kleine Schätze legten sie dem mittlerweile 84-jährigen Fachmann vor, der 40 Jahre lang Direktor eines großen Obstbaumbetriebes war. Gut 95 Prozent der mehr als 1000 Apfel- und etwa 400 Birnensorten könne er nach eigenen Angaben bestimmen. Mit geschultem Auge erkannte der Experte Sorten von denen viele kaum wissen, dass es sie (noch) gibt. „Das ist eine Sorte, die sich Geheimrat Breuhahn nennt“, bestimmte er einen kleinen rotgelben Apfel, wie aus der Pistole geschossen. „Der schmeckt sehr gut und hält bis März“, konnte er Heike Stranz und Vitali Müller erörtern, die das Exemplar vorgelegt hatten. „Hier haben Sie einen Apfel mit Namen Gräfin von Paris, das ist eine ganz späte Sorte“, benannte Schossig einen anderen Apfel mit einem klangvollen Namen.

Mit einiger Bewunderung verfolgten die Umstehenden die Apfelbestimmung, die dem langjährigen Pomologen so leicht über die Lippen kam. „Wir haben die Apfelbäume mit dem Grundstück gekauft und wollten wissen, welche Sorten es sind“, erzählt Heike Stranz. Die alten Sorten wollen sie erhalten. „Es ist doch schön, dass es die gibt“, fügt Vitali Müller hinzu.

Der Apfelexperte wandte sich mit Pflegetipps und Hinweisen derweil dem nächsten Gast zu: „Das ist ein Kaiser Wilhelm“, konnte er ein rotgrünes Exemplar bestimmen. „Da haben Sie mir geholfen, jetzt habe ich damit meine Ruhe“, meinte der Besitzer, der nach eigenem Bekunden nie ganz sicher gewesen sei, um welche Sorte es sich handelte. Da sich der Kaiser Wilhelm aufgrund des hohen Baumwuchses nicht so gut für die kommerzielle Nutzung eignete, geriet er etwas in Vergessenheit, wird mittlerweile aber wieder populärer.

„Der hat die Besonderheit, dass das Fruchtfleisch erst fest ist und im Laufe der Zeit mürbe wird“, fügte der Experte hinzu. Zu einer weiteren Sorte erzählte Schossig noch eine hübsche Geschichte. „Dieser Apfel heißt Erwin-Baur-Apfel, er sollte zu DDR-Zeiten den Namen FDJ-Apfel bekommen.“ Doch richtig durchsetzen konnte sich der Name letztlich nicht.

Fast schon poetisch muten hingegen die Namen der Äpfel an, die Gartenbesitzer Klaus Burckert dem Fachmann vorlegte. „Das ist ein Apfel namens Auralia und hier haben Sie einen Ontario.“ Letzterer entstand Ende des 19. Jahrhunderts im Ontario County (Bundesstaat New York) durch Kreuzung. „Ich finde es interessant, eine alte Sorte erhalten zu können“, meinte Burckert nach der Bestimmung. „Man muss den jetzt pflücken, dann lagern, aber man kann ihn bis Mai essen“, erzählte er. Wieder konnte Experte Sigurd Schossig ein wenig weiterhelfen.

Am Ende des Beratungstages hatte er unzählige Apfelsorten bestimmt, dann und wann mithilfe des Bestimmungsbuches für Klarheit gesorgt und Tipps zur Pflege der Bäume gegeben. Wieder konnte der Experte aus einem schier unerschöpflich Fundus an Wissen über Baumobst schöpfen. Es zeigte sich auch diesmal: Wahrscheinlich gibt es kaum jemanden in Deutschland, der so viel über Gala, Topaz und Shampion weiß, wie der Apfelexperte aus Biederitz.