1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Genthin
  6. >
  7. Einleitvertrag ist nun perfekt

Abwasser Einleitvertrag ist nun perfekt

Die Verbandsversammlung des TAV Genthin hat dem Einleitvertrag für die Abwasserreinigung mit ReFood zugestimmt.

Von Simone Pötschke 01.09.2017, 08:00

Genthin l Die Weichen für eine Zustimmung zum vorliegenden Einleitvertrag waren bereits in vorangegangenen Stadtratssitzungen der Mitgliedskommunen gefallen. Die Vertreter der Stadt Jerichow, der Stadt Genthin, der Einheitsgemeinde Elbe-Parey und der Stadt Möckern waren mit einem entsprechenden Votum ausgestattet worden, den Vertrag über ein Entgelt in Höhe von 1, 31 Euro pro Kubikmeter (netto) zu unterzeichnen. Inhalt des Vertrages wird auch eine Preisgleitklausel sein, die ab 1.1.2020 in Kraft treten wird.

Eingang in den Vertrag hat auch eine veränderte Preisberechnung beim Klärschlamm gefunden.

Die TAV-Geschäftsführung und die Verbandsversammlung hatten sich in den vergangenen Monaten insbesondere der von ReFood eingeforderten Preisgleitklausel widersetzt. Erfolglos. „ReFood beharrt auf die Preisgleitklausel, mehr als ein Inkrafttreten zum 1. 1. 2020 auszuhandeln, war für uns nicht drin“, sagte TAV-Geschäftsführerin Loretta Kablitz sowohl bei der Stadtratssitzung als auch in der Verbandsversammlung.

Der Vertreter der Stadt Genthin Klaus Voth (CDU) in der jüngsten Verbandsversammlung drängte darauf, jetzt ohne weiteren Zeitverlust konsequent die Schritte der Variantenuntersuchung anzupacken und keine Zeit zu verlieren. Erste Gelder dafür sollten bereits im Nachtrag zum Wirtschaftsplan 2017 eingestellt werden, was aber an den Beschlüssen der Mitgliedsgemeinden scheiterte. Jetzt wird der Wirtschaftplan 2018 avisiert.

Im Vorfeld der TAV-Verbandsversammlung hatte sich - wie in den anderen Mitgliedskommunen auch - der Genthiner Stadtrat zusammengefunden, um ihren Vertreter Klaus Voth mit einem Votum auszustatten. Das war notwendig geworden, weil in der vorangegangenen TAV-Verbandsversammlung die TAV-Geschäftsführerin Loretta Kablitz lediglich ermächtigt worden ist, in dem Vertrag unter das Abwasserreinigungs-Entgelt in Höhe von 1,31 Euro ihre Unterschrift zu setzen, nicht aber unter die Preisgleitklausel.

Während die Vertreter der TAV-Versammlung von Möckern, Jerichow und Elbe-Parey zügig von ihren Stadträten mit einem Votum ausgestattet wurden, ging dies in Genthin problematischer vonstatten. So attackierte zunächst Horst Leiste (SPD) den TAV. Er sei in großer Sorge über die Entwicklung, die der TAV nehme. „Wir wollen wissen, was der jahrelange Streit mit ReFood an Kosten für Rechtsanwälte und Gutachten gekostet hat.“ Einst habe eine Erhöhung von drei Cent pro Kubikmeter bei der Abwasserbeseitigung zur Debatte gestanden, heute seien es 21 Cent. Das sei unverantwortlich. „Was passiert im Industriepark, was kommt auf die Bürger zu?“, stellte der SPD-Mann in den Raum.

In dieser Thematik, entgegnete der Bündnisgrüne Lutz Nitz, gebe es leider keine leichten Antworten. Der TAV habe bisher für landesweit gute Gebühren bei der Abwasserbeseitigung gesorgt. Auch in Zusammenarbeit mit ReFood. Nitz widersprach Leiste und entgegnete ihm, dass die Angaben bezüglich der Ausgaben für Gutachten und Rechtsstreitigkeiten in den Wirtschaftsplänen des TAV nachzulesen seien. Er stellte den nunmehr im Vertrag festgeschriebenen Basisbetrag von 1,31 Euro pro Kubikmeter in den Zusammenhang mit einem inzwischen erhöhten Investitionsstau der ReFood-Kläranlage. Aus seiner Sicht kämen die versteckten Investitionen nun beim Bürger an. „Aber“, schränkte er auch ein, „wir stecken in einem Dilemma, weil der TAV in der Abwasserbeseitigungspflicht steht und das Ministerium, wenn wir uns nicht für die 1,31 Euro entscheiden, eine zwangsweise Anordnung erteilen kann, bei der wir möglicherweise noch mehr bezahlen müssen.“

Nitz wurde dann grundsätzlich: „Für mich sind die Lebensbedürfnisse, zum Beispiel faire Gebühren für die Gebührenzahler wichtiger als die Wunschlisten von Wirtschaftslobbyisten. Damit meine ich ausdrücklich nicht die Wirtschaft, die Arbeitsplätze vorhält, sondern die Lobbyisten, die sich aus dem Solidarprinzip zur Profitmaximierung herausziehen wollen.“ Deshalb stimme er dem Einleitvertrag nicht zu, auch weil die Handhabung der Preisgleitklausel nicht kontrollierbar sei.

Anders gelagert war die Skepsis bei Norbert Müller (CDU): „ReFood hat jahrelang nichts an der Kläranlage investiert, jetzt ist es soweit, dass die Bürger die Zeche mitbezahlen.“ Der Stadtrat habe jetzt keine andere Wahl und muss dem Vertrag mit ReFood zuzustimmen, um einer Zwangsanordnung durch das Ministerium zu entgehen.

Franz Schuster (Ländliche Wählergemeinschaft Fiener) resümierte: „Das alles hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack.“

Klaus Voth wandte sich an Horst Leiste, als er feststellte, dass der Stadtrat die Situation seit dem Jahr 2012, als der TAV den Neubau einer eigenen Kläranlage verkündete, sehr wohl miterlebt habe. „Ich kann Dir das nicht ersparen, aber auch Du warst zu jeder Zeit über den Stand der Dinge informiert und hast Entscheidungen des TAV mitgetragen“, sagte Voth. Jetzt befinde sich der TAV in einem schwebenden Verfahren, bei dem ermittelt würde, ob mit dem Bau einer eigenen Kläranlage eine Verbesserung der Abwasserentsorgung für die Bürger möglich sei.

Bürgermeister Barz beendete die Diskussion mit grundsätzlicher Kritik am TAV, bei der er den Bau einer kommunalen Kläranlage und die Verhandlungsführung des TAV generell in Frage stellte. Er sagte, wenn man in den Jahren 2012 bis 2014 eine belastbare Einschätzung beider Wege dargestellt hätte, würde anstatt der nunmehr 1,31 Euro pro m³ ein Vertrag vorliegen, der langfristig oder in der Übergangszeit deutliche geringere Preise vorsehen würde. Nunmehr stünde eine Vergleichskostenrechnung an, die beide Wege beleuchtet. Neben der Variantenuntersuchung sei nach dem Dafürhalten des Bürgermeisters die Frage des Erschließungsbeitrages essentiell. „Den Bürgern und Unternehmen muss hier reiner Wein eingeschenkt werden,“ erklärte er. Barz wurde sehr direkt: „Ich bin irritiert, wie hier insbesondere mit den Genthiner Unternehmen sowie mit den Interessen des Gebührenzahlers umgegangen wurde.“ Nach über neun Jahren, Barz berief sich auf ein Schreiben von ReFood, werde nach den Investitionen eine fast neuwertige Klärananlage abgeschrieben. Er setzte doppelsinnig nach: „Dann soll ein Gutachten darlegen, das ein Neubau wirtschaftlicher ist.“

Die Erklärung des Bürgermeisters, die in Schriftform vorlag, wurde auf Antrag von Klaus Voth der TAV-Verbandsversammlung zugeleitet, die sie zur Kenntnis nahm.

Die Zukunft der Abwasserreinigung im Einzugsbereich Genthin wird seit Jahren kontrovers diskutiert.

Rückblende: Im Jahr 2010 erklärte der TAV die Absicht, eine kommunale Kläranlage bauen zu wollen, um als kommunales Unternehmen nicht von ReFood und damit von der Preisgestaltung eines marktwirtschaftlich agierenden Partners abhängig zu sein.

ReFood argumentierte in den Preis-Auseinandersetzungen unter anderem, dass die günstigen Gebühren, die der TAV für die Abwasserbeseitigung in der Vergangenheit erheben konnte, unter anderem darauf zurückzuführen gewesen seien, dass die ReFood-Kläranlage mit geringen Fixkosten belastet sei und sich Synergie-Effekte bei der gemeinsamen Klärung von industriellen und kommunalen Abwässern ergeben.

Die Situation spitzte sich nach erfolglosen Verhandlungen zwischen dem TAV und ReFood um Kosten und Kalkulationen zu, so dass ReFood im Januar 2016 den bestehenden Vertrag überraschend kündigte. Als Knackpunkt erwiesen sich notwendige Investitionen an der Kläranlage in Millionenhöhe. Ein langfristiger Vertrag sollte, so ReFood, Rahmenbedingungen für diese Investitionen schaffen.

Nach der Vertragskündigung liefen intensive Verhandlungen, bei denen auch das Landesumweltministerium einbezogen wurde. TAV und ReFood einigten sich letztlich darauf, einen Einleitvertrag für einen Übergangszeitraum von neun Jahren abzuschließen. In dieser Zeit soll nun eine Variantenuntersuchung vorgenommen werden, die den Bau einer kommunalen Kläranlage oder die Vergabe der Leistung der Abwasserreinigung an einen Dritten darstellt. Nur in diesem zeitlichen Rahmen ist der Abschluss eines befristeten Vertrages mit ReFood ohne Verstoß gegen das Vergaberecht möglich.