Viele Kanalstädter nehmen Anteil an der Unglücksgeschichte der 79-Jährigen Ankunft in Genthin: Glückliches Ende der Schiffskatastrophe für Vera Meyer
Vera Meyer aus Genthin zählt zu den deutschen Passagieren, die die Schiffskatastrophe der Costa Concordia vor der italienischen Mittelmeerinsel Giglio am Freitagabend mit viel Glück überstanden haben. Ihre Ankunft in der Kanalstadt löste bei vielen Menschen Freude aus.
Genthin l Als am Montagnachmittag gegen 14 Uhr die 79-Jährige die Tür zu ihrer Wohnung aufschloss, wollte sie einfach nur zu Hause ankommen. Zu aufregend waren die Stunden der Katastrophe und die Heimreise, zu der auch ein Krankenhausaufenthalt in Mailand gehörte. "Aber ehrlich", gesteht Vera Meyer, "ich bin die erste Zeit in meinen vier Wänden nur dumm rumgelaufen".
Es sei schon ein merkwürdiges Gefühl gewesen, von einer Kreuzfahrt, für die man eigentlich nur die besten Sachen mitnehme, lediglich mit einer kleinen Handtasche zurückzukommen. 20 Euro, eine kleine Flasche Parfüm und ein Handy rettete Vera Meyer über die bangen Stunden der Katastrophe. Alles andere, darunter Personaldokumente, Bargeld, EC- und Visa-Card blieben im Stahlkoloss zurück. Auch ein extra schickes Kleid, eigens für den 80. Geburtstag im März gekauft, war im Gepäck.
Verluste, Schrammen, überstandene Ängste - Vera Meyer ist trotzdem die robuste Frau geblieben, wie sie ihre vielen Genthiner Freunde und Bekannten, aber auch ihre ehemaligen Schüler, kennen.
"Viele Bekannte und Freunde rufen an und wollen wissen, wie es mir geht."
Gerade ihre Freunde waren es, die am Montag ungeduldig die Ankunft der 79-Jährigen erwarteten und unbedingt wissen wollten, ob sie ihre abenteuerliche Reise gut überstanden hat. Acht Anrufe auf dem Anrufbeantworter und 36 SMS erwarteten die Genthinerin. "Die Leute wollten einfach wissen, wie es mir geht", erzählt die Seniorin. Dass unter den Anrufern später auch ganz wildfremde Menschen waren, die mit ihr die Freude, alles überstanden zu haben, teilen wollten, sei wirklich "ganz ganz reizend", erzählt die ehemalige Sportlehrerin ergriffen.
Als Überlebende war Vera Meyer auch per Telefon als Gesprächspartnerin bei Rundfunksendungen gefragt. "Nach dem Piepton begann die Aufzeichnung. Ich habe zum Redakteur gesagt, dass er das Gespräch an unvorteilhaften Stellen schneiden soll. Schließlich bin ich hier bekannt", hat Vera Meyer ihren alten Humor wiedergefunden.
Dennoch kann sie die schrecklichen Ereignisse der letzten Tage nicht ganz verdrängen. Seitdem sie aus den Nachrichten erfuhr, dass aus dem vorderen Teil des Schiffes fünf Tote mit Schwimmwesten geborgen wurden, habe sie "ständig Bauchschmerzen", erzählt sie. Ausgerechnet ihrer ängstlichen Tochter habe sie es zu verdanken, dass sie nicht ihre Jacke aus der Kabine, die sich in diesem Teil des Schiffs befand, holte.
Die Genthiner Gruppe saß an dem Unglücksabend im Theater zusammen und folgten einer Show. "Ein Zauberer wollte gerade die Bühne betreten, und als es plötzlich ruckte, dachten wir, das dies zum Programm gehört".
Als dann die Passagiere den Beteuerungen des Personals, dass die Monteure daran arbeiten, den Schaden zu beheben, nicht mehr Glauben schenkten, wollte sie noch einmal zurück in die Kabine, erzählt Meyer. "Das sind über 300 Meter. Wenn Du jetzt gehst, sehen wir uns vielleicht nie wieder", hielt Vera Meyers älteste Tochter Gabi sie von diesem Vorhaben ab. "Da habe ich noch einmal richtig Glück gehabt", kann sich die fast 80-Jährige freuen. Alles andere, die Verletzungen und blauen Flecke , die sie sich auf Weg zum Rettungsboot zugezogen hat, spielten da keine Rolle. "Wichtig ist, davongekommen zu sein. Alles andere habe ich auch gar nicht wahrgenommen", sagt Vera Meyer, die jetzt ihre Verletzungen tapfer und ohne Murren auskuriert.
Für den Kapitän der Costa Concordia hat Vera Meyer allerdings nur Verachtung übrig: "Absolut unmöglich. Ein Macho", sagt sie.
Hilfreich stehen ihr jetzt die vielen guten Wünsche der Genthiner zur Seite. Längst gibt ein buntes Blumenmeer Vera Meyers guten Stube ein lachendes Gesicht. "Viele Bekannte sind in den vergangenen Tagen auch gekommen, um mir zum zweiten Geburtstag zu gratulieren", berichtet Meyer.
"Ich habe nicht gewusst, dass man sich solche Sorgen um ein altes Weib macht."
Angesprochen werde sie eigentlich überall, wo sie auftauche. Ob in Geschäften oder in Ämtern, beispielsweise in der Meldestelle des Rathauses, wo sie ja einen neuen Personalausweis beantragen musste. Vera Meyer lacht herzhaft: "Ich habe nicht gewusst, dass man sich solche Sorgen um ein altes Weib macht".
Ein unbekümmertes Loslassen von den Ereignissen kann es aber für die Genthinerin trotzdem nicht geben. "Die neuen Bilder von der Unglücksstelle will ich mir eigentlich gar nicht anschauen, doch dann muss ich das trotzdem einfach tun. Dabei wühlen mich die Nachrichten sehr auf", sagt die Genthinerin. Es sollte doch eine schöne Kreuzfahrt werden. "Als wir im Theater an einem Tisch saßen, sagte jemand: Heute ist Freitag, der 13., und es ist nichts passiert. Ich glaube, es war Christiane Thomas die darauf erwiderte, dass man dies nicht beschreien sollte, schließlich sei der Tag noch nicht zu Ende".
Kreuzfahrten hat Vera Meyer trotz des schrecklichen Ereignisses jedoch nicht von ihrer Agenda genommen. Solch ein Unglück ereigne sich ja noch nicht einmal alle 50 Jahre, rechnet sie vor. Die nächste Kreuzfahrt ist jedenfalls schon gebucht: Auf dem Rhein. "Da sehe ich immer das Ufer", lacht die 79-Jährige.