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Artenschutz Störchin findet neue Familie in Jerichow

Storchenwaise wird in Jerichow von einer Storchen-Familie adoptiert. Dabei half die Vogelschutzwarte Storchenhof.

Von Thomas Skiba 25.06.2020, 23:01

Jerichow l Großes Kino am Klostergarten Jerichow. Begleitet von zahlreichen Zuschauern gaben Michael Kaatz von der Vogelschutzwarte Storchenhof Loburg e. V. gemeinsam mit der Freiwilligen Feuerwehr Jerichow Jungstörchin Rosalie in eine neue Storchen-Familie.

Mit Hilfe des Drehleiterwagens setzte der Storchexperte den Jungvogel in das Nest auf dem Schornstein des ehemaligen Heizhauses – der wird für diesen Sommer das Zuhause des Adoptivvogels sein. Kaatz hat drei Storchenwaise im Kofferraum, welcher zu der Situation im Storchennest passt, entscheidet er vor Ort, beim Sichten der Verhältnisse. „Ich nehme zwei Jungstörche mit hoch und vergleiche die Größe der Jungstörche in Nest“, erklärt Kaatz und beschreibt: „Die Jungstörche sollten in ihrer Konstitution ähnlich sein, dann vertragen sie sich.“

Rosalie hat jetzt schon einen bewegten Lebenslauf: Gelegt und bebrütet in Redekin, dann ausgeschlüpft auf dem Storchenhof Loburg und jetzt adoptiert von einem Storchenpaar der Klosteranlage Jerichow. „Ich habe unser Storchenpaar in Redekin beobachtet, es nistet direkt vor meiner Haustür“, sagt Katja Urbach. Dabei fiel ihr auf, dass mit einem Mal nur noch ein Storch in das Nest zurückkehrte, der andere blieb verschollen.

Anfangs wartete sie ab, war unschlüssig, nahm dann aber ihr Telefon und schilderte Dr. Michael Kaatz die Situation. „Ich dachte erst, ich bekomme als Antwort, ‚Lassen Sie der Natur ihren freien Lauf‘, doch Herr Kaatz lebt ja für die Störche“, schildert Katja Urban den ersten Kontakt zum Storchenhof.

Auf die Frage von Michael Kaatz, „ob denn der Storch noch brüte“, sagt Urban ja. Dann müssen die Loburger die Eier holen und auf dem Storchenhof ausbrüten lassen, gab ihr Kaatz zu verstehen.

Katja Urban war in ihrem Element: „Ein Anruf bei Stadtwehrleiter Ralf Braunschweig genügte und wir bekamen den Drehleiterwagen gestellt, um die Eier aus dem Nest zu holen.“ Noch am selben Abend holte Kaatz vier Eier aus der Redekiner Brutstätte und nahm sie mit zur Storchenhof-Amme, der Pute „Erna“.

Von den vier Eiern schaffte es die Pute zwei auszubrüten, die kleinen Störche wurden dann von den Storchenhof-Mitarbeitern einen Monat gepflegt und gehegt. Jetzt, mit rund 80 Zentimeter Größe und circa drei Kilogramm Gewicht, ist Rosalie soweit, bei einer neuen Familie Unterschlupf zu finden. Drei Familien standen zur Auswahl, und jede hat ihr Nest in und um Jerichow. Das Nest im Klostergarten war für Kaatz auch deshalb erste Wahl, da von den Eltern ein Junges aus dem Nest geworfenen wurde. Schuld daran war die niederschlagsarme letzte Zeit, in der die Elternvögel nur wenig Nahrung für ihre Nachkommen fanden.

Ob Rosalie von den neuen Eltern angenommen wird, zeigt sich, so Michael Kaatz, nach drei Tagen. Dazu muss sich die kleine Störchin durchsetzen, wetteifert sie jetzt mit zwei weiteren Jungstörchen der Alt-Familie um Futter. Bisher fütterten sie die Mitarbeiter des Storchenhofes, da gab es keinen Futterneid. Die Storchenadoption, bei der Jungstörche zu intakten Familien gesetzt werden, wird durch den Storchenhof Loburg oft praktiziert und gilt als erste Wahl bei der Auswilderung. Die Erfolgsquote liege hier bei mehr als 90 Prozent, folgt man Michael Kaatz. Geht es nicht anders, können Störche auch auf dem Storchenhof großziehen können, „aber dann wäre die menschliche Prägung zu stark geworden“. Für Katja Urban war damit das Drama um den Redekiner Storch noch nicht beendet.

Der fing, nachdem sein Gelege entnommen wurde, schon am folgenden Tag an zu balzen und musst sich eines fremden Storchpaares erwehren, dass das Nest für sich beanspruchte. Jetzt sei er unterwegs und fresse sich Energie für den Vogelzug im August an, so Urban: „Ich hoffe, sie findet einen Partner und besetzt im nächsten Jahr wieder das Nest in Redekin.“