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Ausstellung Flimmerstunde mit Tiefgang in Genthin

Im Genthiner Kreismuseum wird Filmgeschichte des frühen 20. Jahrhunderts lebendig.

Von Simone Pötschke 07.03.2018, 06:51

Genthin l Edlef Köppen hat es wahrscheinlich gekannt, das einstige Museum des Vereins für Altertumsfreunde, das sich seit 1928 in der Obhut des Kreises Jerichow II befand. Ob er das Haus an der Ecke Schenkestraße/Mützelstraße bei seinen Genthin-Besuchen jemals betreten hat, ist allerdings nicht überliefert. Sein Leben zieht jedoch mit einer weiteren Sonderausstellung in das Haus ein.

Köppen ist in seiner Geburtsstadt längst als eine bedeutende Schriftsteller-Persönlichkeit gesetzt, die von der Literaturwissenschaft lange fast vergessen war, jetzt aber in einer Reihe mit Erich-Maria Remarque, Arnold Zweig oder Alfred Döblin gesehen wird.

Die traditionellen Köppen-Tage bildeten so den Rahmen einer weiteren Sonderausstellung des Kreismuseums, deren Konzept auf die neuesten Forschungsarbeiten der Bibliothek und des Förderkreises Edlef Köppen aufbauen konnte.

So gelingt es den Machern der aktuellen Ausstellung, sie ist die nunmehr 4. des Hauses seit 2002, wieder einmal eine neue Facette Edlef Köppens abzubilden. Sie thematisiert seine letzte Schaffensperiode nach seinem politisch-motivierten Rauswurf beim Rundfunk. Erstmals wird in einer Ausstellung der Versuch unternommen, Köppens Tätigkeit als Dramaturg bei der Filmgesellschaft Tobis und seine Rolle in der Filmproduktion in der Zeit 1934 bis 1939 zu reflektieren.

Es war für Köppen keine normale Arbeit in einer normalen Zeit. Er musste bei der Arbeit an Filmdrehbüchern die ideologischen Vorgaben der Machthaber berücksichtigen und geriet selbst in das Blickfeld von Propagandaminister Joseph Goebbels. Köppen war nach der Machtübernahme von den Nazis geschmäht und aus dem Rundfunk vertrieben worden. Er hatte jüdischen Autoren viel Platz in den Sendungen der „Funkstunde“ eingeräumt, was den Nazis ein Dorn im Auge war. Vielleicht war auch Köppens Weigerung, an NS-Filmen mit rassistischen Inhalten mitzuwirken, einer der Gründe dafür, dass ihn Goebbels 1937 einbestellte. Allerdings verzichtete Goebbels letztlich auf weitere Maßnahmen, ein Gespräch fand nicht statt. statt. In der Ausstellung steht dieser Umstand allerdings nicht so stark im Vordergrund.

Trotz der beengten Ausstellungsfläche und begrenzten technischen Möglichkeiten, über die das Museum verfügt, ist den Machern der Ausstellung dennoch eine beachtliche, wenn auch überschaubare Präsentation gelungen, die selbst für Köppen-Kennern einiges Neues bietet. Sie schafft es, dicht am Menschen Edlef Köppen zu sein.

Die Ausstellung vermittelt dank einer durchdachten Konzeption ein authentisches Bild von Edlef Köppen. Ein Sahnehäubchen sind da nachzulesende Passagen aus Originalbriefen - transkribiert von Mitgliedern des Freundeskreises - in denen Köppen von privaten, ungezwungenen Kontakten plaudert, die er zu den damaligen Stars unterhielt. Darunter der Schauspieler und Sänger Hans Albers, dem Tenor und Schauspieler Jan Kiepura, der Film- und Theaterschauspielerin Paula Wessely und der Schauspieler Emil Jannings. Kino-Atmosphäre kommt auf, wenn die Besucher in einer kleinen Kinositzreihe Platz nehmen und die Spielfilme „Die Fledermaus“ (1937), „Es leuchten die Sterne“ (1937/38) und „Verwehte Spuren“ (1938) in Originallänge über „die Mattscheibe“ flimmern.

 

Bei der Produktion dieser Filme war Köppen nachweislich als Dramaturg tätig. Zeitgemäße Ausstellungsmethodik hat damit wieder einmal auch im Kreismuseum Einzug gehalten. Im Hinblick auf Köppens Tätigkeit beim Film, das sagte Bibliotheksleiterin Gabriele Herrmann bei der Eröffnung, gebe es noch viele Ansatzpunkte, für die eine weitere Recherche lohnenswert sei. Gegenwärtig gebe es noch keinen vollständigen Überblick, an wievielen Filmen er als Dramaturg mitgewirkt habe, auch deshalb, weil der Dramaturg im Abspann namentlich nicht aufgeführt wurde. Nicht nur sehend oder lesend, sondern auch hörend vermittelt die Ausstellung den Zeitgeist der 30er Jahre. Auf einem CD-Player ist neben Schlagern dieser Zeit unter anderem auch eine Reportage über die Bücherverbrennung auf dem Berliner Opernplatz am 10. Mai 1933 abrufbar.

Vervollkommnet wird die Ausstellung durch einzigartige Leihgaben der Familie Köppen, etwa Arbeitsverträge und Lohnzettel ihres bekannten Vorfahren. Gezeigt wird auch eine Cabrio-Haube von Hete Köppen, die sie als Beifahrerin ihres autobegeisterten Ehemanns trug. Um ein liebevolles Detail wurde die Ausstellung mit dem Kassenfenster des Kinos aus der 20er Jahre, einer Leihgabe vom heutigen Kinobetreiber Lars Hoffmann, bereichert. Vielleicht schaute Edlef Köppen bei einem Besuch des Genthiner Kinos einst auf dieses Kassenfenster.