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Heimatgeschichte AWO-Fachkrankenhaus Jerichow gibt es seit fast 120 Jahren

Die Anfänge des AWO-Fachkrankenhauses liegen in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts. Damals wurde der Grundstein gelegt für einen Gebäudekomplex, der weit über die Stadt Jerichow hinaus strahlt. Ein Blick zurück.

Von Thomas Skiba 14.05.2021, 18:45
Ab 1900 enstanden nach und nach 20 Häuser, davon dienten elf Gebäude dem Aufenthalt für rund 500 Patienten.
Ab 1900 enstanden nach und nach 20 Häuser, davon dienten elf Gebäude dem Aufenthalt für rund 500 Patienten. Foto: Thomas Skiba

Jerichow - Das AWO-Fachkrankenhaus wird im kommenden Jahr sein 120-jähriges Bestehen feiern. Zeit dafür, einen Blick auf die Anfangszeit des Krankenhauses zu werfen.

Als sogenanntes Landesasyl 1902 in Betrieb genommen, gingen dem Komplex umfangreiche Planungen voraus, die bis in das Jahr 1895 zurückreichten und bis heute kommen immer wieder Erweiterungen dazu. Ursprünglich war das Landesasyl als Außenstelle der ehemaligen Landesheilanstalt Uchtspringe, heute Fachklinikum bezweckt, hier sollte eine „Heilstätte für alle Formen nervöser und psychischer Erkrankungen, ein Zentrum für die ärztliche und wissenschaftliche Erforschung dieser Krankheiten“ entstehen.

Bei der Auswahl des Grundstückes für den Bau ließ man sich „von der Erwägung leiten, dasselbe müsse allen hygienischen Ansprüchen vollauf genügen, vor allem vorzügliche Luft sowie reichliches, gutes Trinkwasser haben und dürfe überdies landschaftlicher Reize nicht entbehren“, wie es in der Konzeption für die Heilanstalt heißt.

Behandlungen mit elektrischem Strom

Trotz des heute unverständlichen Menschenbildes, so sahen Therapien bei Epileptikern den Einsatz von elektrischem Strom oder Behandlungen mit eiskaltem Wasser vor, sahen die Ärzte doch den positiven Einfluss von Wohnen und Landschaft für die Patienten und wollten vor allem Langzeit-Heimbewohnern ein vernünftiges Zuhause bieten. So entstanden in Richtung der Ortschaft Mangelsdorf, folgt man den Aufzeichnungen von Heimatforscher Heinz Mangelsdorf, nach und nach 20 Häuser, davon dienten elf Gebäude dem Aufenthalt der Patienten.

Das Objekt war für die Behandlung von circa 500 Kranken vorgesehen, jedoch waren nicht alle in dem Objekt untergebracht. Schon mit dem Bau des Krankenhauses sollte die „Familienpflege“ Teil der ärztlichen Betreuung darstellen, rund die Hälfte der Patienten wurde durch diese Therapieform außer Haus betreut. Die Familienbetreuung muss sich bewährt haben, so konnten auch dauerhaft in der Obhut des Krankenhause bleibende Patienten ein ihren Fähigkeiten entsprechendes Leben außerhalb der Klinikmauern führen.

Pflegefamilien wurden überprüft

Die Pflege vor Ort war an bestimmte Bedingungen geknüpft: Die Patienten mussten durch das Pflegepersonal zu jeder Zeit erreichbar sein und von ihnen besucht werden können. Dazu kam, dass Ärzte die Pflegefamilien einschließlich der Unterkünfte überprüften, damit es den „Außer-Haus“-Patienten an nichts mangelte.

Insgesamt in 33 Höfen und Haushalten sollen in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts Patienten untergebracht worden sein. Dort halfen sie in der Landwirtschaft oder halfen bei einfachen häuslichen Tätigkeiten. Es gab auch eine zeitliche Begrenzung der Familienpflege, die sich nach der Art der Erkrankung richtete – im Schnitt sollen es sechs Monate gewesen sein.

Ansonsten mussten sich die Kranken auf dem Krankenhausgelände oder den Heilstätten eigenen Äckern und Wiesen nützlich machen.

Diese Arbeiten waren notwendig, musste sich doch das Krankenhaus möglichst selbst mit Nahrungsmitteln versorgen, weshalb zum Wirtschaftsbetrieb der Heilstätte eine Schweinemästerei und eine Gärtnerei gehörten, auch Pferde und Rinder wurden gehalten.

Personalmangel im Ersten Weltkrieg

Den Ersten Weltkrieg spürte man auch im Krankenhaus. Einerseits wuchs die Anzahl der Patienten, andererseits gab es nicht genügend Pflegepersonal. Viele Pfleger und Ärzte mussten an die Front. So standen 36 Pfleger als Soldaten im Feld, von denen sechs nicht wiederkehrten.

Um auf die Situation des Pflegenotstandes aufmerksam zu machen, bat der Direktor der Heilstätte beim Militär um die Entlassung der Pfleger, da kaum noch männliches Personal verfügbar war und das weibliche Pflegepersonal mit den zum Teil gewalttätigen Patienten seine Schwierigkeiten hatte.

Man behalf sich damit, Kriegsgeschädigte einzustellen, die zuvor einen Kurzlehrgang als Pfleger absolvieren mussten. Außerdem arbeiteten die Kriegsgeschädigten als Nachtwächter, Pförtner oder Heizer.

Während des Weltkrieges 1914-18 kamen weitere Gebäude hinzu, unter anderem wurde eine anstaltseigene Kapelle errichtet.

In dieser befindet sich heutzutage auch die Dauerausstellung mit dem Titel „Euthanasie und Eugenik – Das AWO Fachkrankenhaus Jerichow in der Zeit des Nationalsozialismus“.