1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Genthin
  6. >
  7. Dicke Luft im Tourismusverein

Konflikt Dicke Luft im Tourismusverein

Das Verhältnis zwischen den Mitgliedern des Tourismusvereins ist angespannt. Der Konflikt soll nun im Genthiner Stadtrat diskutiert werden.

Von Simone Pötschke 20.06.2020, 01:01

Genthin l Der schlichte Tagesordnungspunkt „Tourismusverein und QSG – Information Status“ im nichtöffentlichen Teil lässt nichts Außergewöhnliches vermuten. Dahinter aber verbirgt sich ein handfester Knatsch, der Genthins Bürgermeister Matthias Günther (parteilos) und den Stadtratsvorsitzenden Gerd Mangelsdorf (CDU) veranlasst hat, ihn auf die Agenda der Sitzung am Montag zu setzen.

Noch bevor der Termin in der vergangenen Woche öffentlich wurde, sprach Günther ungewöhnlich deutlich von einem „massiven Vertrauensbruch“ in der Führungsspitze des Tourismusvereins. Das Verhältnis zwischen ihm und seinen Bürgermeisterkollegen aus Jerichow und Elbe-Parey – sie bilden gemeinsam den geschäftsführenden Vorstand – ist bereits seit Längerem angespannt. Sebastian Haas und Peter Jelitte vom Gesamtvorstand des Tourismusvereins bestätigen die heftigen Zerwürfnisse. Bürgermeister Günther geht weiter: Die Spannungen gehen aus seiner Sicht weit über persönliche Animositäten hinaus und schaden der Stadt Genthin. Um diesen Vorwurf zu erhärten, führt der Bürgermeister exemplarisch den Erwerb eines Altenplathower Hausmeister-Service durch die Qualifizierungs- und Strukturfördergesellschaft (QSG) an, deren alleiniger Gesellschafter der Tourismusverein ist. In den Kauf des Hausmeister-Service sei er als erster Vorsitzender des Vereins jedoch nicht eingebunden gewesen, sagt Günther. Er sei vor vollendete Tatsachen gestellt worden.

Gesamtvorstandsmitglied Peter Jelitte widerspricht Günthers Angaben nicht und redet vorsichtig von „starken Indizien“, die für Günthers Darstellung sprechen. Klären konnte Jelitte die Frage nicht. Seinen Angaben zufolge war es die Pareyer Bürgermeisterin Nicole Golz, die ihm Auskunft über den Kauf des Hausmeister-Service verweigert habe. Ihre Begründung: Als Mitglied des Gesamtvorstandes stehe ihm, Peter Jelitte, keinerlei Information zum Erwerb zu.

Der Volksstimme liegt dazu ein vertrauliches Papier vor, in dem durch einen Juristen bestätigt wird, dass weder die Mitgliederversammlung noch der Vorstand über den Erwerb des Hausmeister-Service durch die QSG sowie einen Verkauf der Kaimauer im Genthiner Industriepark durch die QSG informiert worden waren. Sein rechtliches Fazit: Demnach sei keine Zustimmung des Tourismusvereins als alleinigem Gesellschafter erfolgt.

Das ist insofern brisant, weil auch in Frage steht, ob der Erwerb des Hausmeisterservice mit dem eigentlichen Gesellschaftszweck der QSG vereinbar ist. Der besteht nach wie vor in der Arbeitsförderung. Der Gesellschaftsvertrag der QSG lässt erwerbswirtschaftliche Aktivitäten zu, soweit diese dem Unternehmensinteresse dienen. Das hat die QSG jahrelang neben einer stattlichen Zahl von ABM-Maßnahmen sowie Aus- und Weiterbildungen, zum Betreiben einer Küche und der Touristenstation in Ferchland sowie zur Bewirtschaftung des Industrieparkes legitimiert.

Doch das hat sich geändert. In diesem Jahr wurden nach Auskunft der Agentur für Arbeit Jerichower Land für den Träger QSG mbH ganze zehn Teilnehmerplätze für Maßnahmen nach dem Sozialgesetzbuch bewilligt. Damit nimmt der ursprüngliche Gesellschaftszweck aktuell nur noch einen verschwindend kleinen Teil der Geschäftsfelder der QSG ein. Die einstige Qualifizierungsgesellschaft hat sich zum marktwirtschaftlich orientierten Privatunternehmen entwickelt.

Dabei hatte Elbe-Pareys Bürgermeisterin Nicole Golz noch vor zwei Jahren vor Genthiner Stadträten erklärt, dass es perspektivisch nicht Aufgabe eines Tourismusvereins sein kann, unternehmerisch tätig zu sein.

Darüber, ob sich die Genthiner Stadträte am Montag auch mit der finanziellen Situation der QSG beschäftigen werden, herrscht aus ihren Reihen bisher beharrliches Schweigen. Als Mitgesellschafter dürfte die Stadt allerdings ein vitales Interesse daran haben, darüber informiert zu werden, wie die QSG wirtschaftlich aufgestellt ist. Dem öffentlich zugänglichen Bundesanzeiger ist zu entnehmen, dass seit 2016 sowohl das Anlagevermögen als auch das Eigenkapital der Gesellschaft um etwa ein Drittel geschrumpft sind.

Damit droht weiterer Ärger: Vor der Veröffentlichung der 2018er Zahlen kam die Mitgliederversammlung nicht zusammen. Im Rahmen ihrer Recherche hat die Volksstimme Anfragen sowohl an den geschäftsführenden Vorstand als auch an den Gesamtvorstand gestellt und Gesprächsangebote unterbreitet. QSG-Geschäftsführer Lars Bonitz erhielt die gleiche E-Mail-Post zur Kenntnisnahme. Nicole Golz und Harald Bothe vom geschäftsführenden Vorstand reagierten darauf nicht. Nach Informationen der Volksstimme scheiterte unter den Angeschriebenen auch der Versuch, sich auf eine gemeinsame Antwort zu einigen.

Während die Kommune Jerichow schon seit den 1990er Jahren Mitglied des Fremdenverkehrsvereins ist, wurde Elbe-Parey erst 2016 Mitglied, ohne Anteile am Vermögen des Vereins eingebracht zu haben. Damit einher ging die Änderung des Vereinsnamens in „Tourismusverein Genthin, Jerichow, Elbe-Parey e.V.“ In einer Pressemitteilung vom 3. Februar 2017 erklärten seinerzeit die Bürgermeister der drei Mitgliedskommunen, zukünftig eine gemeinsame touristische Leitidee entwickeln und einen „Touristentisch“ ins Leben rufen zu wollen. Dazu kam es jedoch nicht.

Während der Fremdenverkehrsverein Genthin jährlich öffentlich auf Mitgliederversammlungen über touristische Aktivitäten, unter anderem über die Entwicklung der Übernachtungszahlen und über Veranstaltungen, informiert hatte, unterlässt der Tourismusverein dies seit 2017. Der Verein trat im vergangenen Jahr touristisch öffentlich nur als Veranstalter eines Blasorchester-Konzertes im Stadtkulturhaus in Erscheinung.