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Gedenken Erinnerungen an jüdisches Leben

Die Genthiner Opfer des Holocaust sind bis auf wenige Ausnahmen in der Öffentlichkeit völlig unbekannt geblieben. Eine Spurensuche.

Von Simone Pötschke 27.01.2018, 00:01

Genthin l Der heutige Holocaustgedenktag führt in Erinnerung, dass im Jahr 1933 die jüdische Gemeinde in Genthin 29 Gläubige zählte. Von ihnen hatten 1939 lediglich drei die Stadt noch nicht verlassen. Mitte der 1930 Jahre hatten die Genthiner Juden entweder in der Anonymität der Großstädte Schutz gesucht oder flohen ins Ausland.

So verließ Iser Pfeffer mit Ehefrau Machla und ihren drei Kindern 1933 die Stadt, 1934 folgten ihnen Familie Stern und Blum. Im gleichen Jahr kehrte auch Familie Hirschfeld aus der Mühlenstraße Genthin den Rücken. Max Hirschfeld wird zu Beginn des Krieges nach Theresienstadt deportiert, wo er verstirbt. Tochter Lea (Jahrgang 1911) gelingt mit ihrem halbjüdischen Ehemann die Emigration nach London. Auch Bruder Erwin, Jahrgang 1913) schafft es, ins Ausland zu entkommen.

Mit Familie Magnus, die nach Shanghai flüchten kann, erlischt 1939 eine jahrhundertelange jüdische Tradition in Genthin. Der Textilkaufmann Hugo Magnus wickelt den Verkauf der Synagoge ab, die später in ein Wohnhaus umgebaut wird. In der zentrale Opferdatei der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem ist allerdings kein Name dieser in Genthin lebenden Juden, die Mitglied der Gemeinde waren, aufgeführt.

Es sind ganz andere, insgesamt 13 Ermorderte, die ihr Geburtsort Genthin miteinander verbindet. Fast alle wurden von Berlin aus in die Vernichtungslager deportiert. Eine der ältesten unter ihnen war Margarethe Sara Senger, Jahrgang 1869. Sie ist die einzige unter diesen Opfern, für die sich noch eine Adresse in Genthin nachweisen lässt. 1925 wird ihr Name im Adressbuch als Pensionbetreiberin in der Mühlenstraße 1 geführt.

Bei allen anderen Ermordeten bleiben viele Fragen, auf die es immer noch keine Antworten gibt. Eine riesige Recherchearbeit tut sich nach Jahrzehnten auf. Wer war Alfred Rosenthal? Geboren wurde er am 25. September 1902 in Genthin. Er wurde nach einem Aufenthalt in einem Berliner Arbeits- und Bewährungshaus in das Polizeigefängnis Alexanderplatz eingeliefert und wurde im Juni 1942 mit dem 16. Berliner Osttransport über Königsberg in das Minsker Vernichtungslager deportiert. Von den 201 Berliner Juden, unter ihnen namhafte Vertreter der Reichsvereinigung der Juden, mit denen er die Waggons gepresst wurde, überlebte keiner.

Ein „murdered“ steht auch hinter den Namenszügen von Erwin, Helmut und Martin Rosenthal, deren Geburtsort ebenfalls Genthin gewesen sein soll. Erwin und Martin Rosenthal fanden in Auschwitz den Tod, Helmut Rosenthal in Litzmannstadt.

Welcher Leidensweg lag hinter Mathilde und Benno Mannhalt (beide Ende 1870er Jahren in Genthin geboren), die von Berlin aus deportiert und in Litzmannstadt ermordet wurden? Im Sterbebuch von Auschwitz wird auch die gebürtige Genthinerin Maria Weiß erfasst, die am 6. Dezember 1943 39-jährig ermordert wurde. Gibt es noch Spuren von ihr in ihrer Geburtsstadt?

Nichts ist heute über Hertha Rosenthal bekannt, die am 17. Dezember 1900 in Genthin geboren wurde. Ihr Name wird in der Liste der Überlebenden aus den Archiven des World Jewish Congress geführt. Ein weiterer gebürtige Genthiner, ist Georg Cohn (1887 bis 1943).

Er lebte als erfolgreicher Geschäftsmann in Hamburg und war mit einer Nichtjüdin verheiratet. Cohn war ehrenamtlich für die Hamburger Bezirksstelle des Reichsvereinigung der Juden tätig. Er musste nach der Geschäftsaufgabe Zwangsarbeit leisten und wurde später unter bis heute nicht geklärten Umständen verhaftet. Über das KZ Fuhlsbüttel kam er nach Auschwitz , wo er am 14. September 1943 ermordet wurde. Über ihn liegt eine ausführliche Biografie vor.