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Haushalt Kein Rotstift, sondern ein Brandbrief

Der Genthiner Stadtrat und die Verwaltung wenden sich nach gescheitertem zweiten Anlauf für einen Haushalt an die Kommunalaufsicht.

Von Mike Fleske 24.05.2019, 12:33

Genthin l Der scheidende Stadtrat schlägt nur wenige Tage vor der Kommunalwahl laut hinter sich die Tür zu: Die nichtöffentlichen Vorberatungen für einen zweiten Haushalts-Anlauf hat Bürgermeister Matthias Günther (parteilos) am Abend des 22. Mai für gescheitert erklärt. Am 23. Mai wurde ein Brandbrief auf den Weg gebracht.

Zur Vorgeschichte: Nachdem Günther auf Drängen der Kommunalaufsicht den eingereichten Haushalts mit einem Defizit über eine Million Euro zurückziehen musste, verweigerte ihm der Stadtrat die Gefolgschaft, indem er nicht über die Liste von Spar-Optionen der Verwaltung abstimmen wollte. Die konkreten Sparvorschläge blieben dabei in der Öffentlichkeit ein wohlgehütetes Geheimnis des Bürgermeisters, um wie er sagt, vorerst „keine Panik“ zu machen.

Doch das von Günther aus der Taufe gehobene „Projekt Haushaltsstabilisierung 2019“ hinkte von Anfang an: Der Bürgermeister unterstellte bereits nach einer ersten, erfolglosen Zusammenkunft den zögerlich agierenden Stadträten einen mangelnden Entscheidungswillen.

Obwohl unter Ausschluss der Öffentlichkeit beratend, sickerte durch, dass bei den Arbeitsberatungen das rigide Sparpapier aus der Barz-Amtszeit aus dem Jahr 2016 Pate stand und noch einmal aus der Schublade gezogen worden sei. Damit drohte ein Neuauflage eines Schreckensszenarios, dem sich die Stadträte strikt verweigerten. Dazu zählten Stadträten zufolge unter anderem die Erhöhung aller Steuern, Verkauf des Stadtwaldes, Schließung der Bibliothek, höhere Kita- Gebühren, Wegfall für Bezuschussungen für die Jugendarbeit ...

„Eins zu Eins, genau das Gleiche wie vor drei Jahren“, meinten Stadträte unterschiedlicher Fraktionen. Bürgermeister Günther blieb auf Anfrage allgemein und sagte, dass grundsätzlich an allen Stellen ohne Ausnahme nach Einsparungen gesucht werde. Das schließe Kitas, Schulen und alle sonstigen öffentlichen Einrichtungen ein, die auf Zuwendungen der Stadt angewiesen seien. Hier könnten Zusammenlegungen oder Schließungen vorgeschlagene Maßnahmen sein. Auch die städtischen Steuereinnahmen würden im Verfahren bewertet.

Im Verlaufe der nunmehr zweiten Beratung am Mittwoch soll der Brandbrief-Vorschlag ausnahmslos die Zustimmung der Stadträte gefunden haben. Das Schreiben ist adressiert an die Kommunalaufsicht, Kreis- und Landtagsfraktionen sowie den CDU-Bundestagsabgeordneten und die Öffentlichkeit.

Darin heißt es unter anderem: „Wir suchen nach konstruktiven Lösungen und möchten gern wieder zuversichtlich in die Zukunft blicken. Und hier ist die große Politik gefragt, gemeinsam mit uns Lösungsansätze zu erarbeiten.“

Nachdem Bürgermeister Günther bereits am Mittwochabend, 22. Mai, die Unterzeichnung des Brandbriefes öffentlich gemacht hatte, kommen vorerst nur verhaltene Reaktionen aus dem Burger Landratsamt.

Da er den Brandbrief inhaltlich noch nicht kenne, könne er nicht bewerten, welches Ziel dieser verfolgt, welche Forderungen er hat und welche Lösungen aufgezeigt werden, bei denen der Landkreis die Stadt unterstützen könne, sagte Landrat Steffen Burchhardt (SPD) auf Volksstimme-Anfrage. Aktuell sehe er daher auch keinen Handlungsbedarf. Er sehe sich nicht gehalten, die aktuellen Vorgänge in Genthin öffentlich zu bewerten. Burchhardt sagt aber auch: „Meiner Unterstützung und der meines Hauses kann sich die Stadt jederzeit auf ihrem Weg sicher sein.“

Dass die Stadt Genthin mit ihrem aktuellen Haushalt eine derartige Bruchlandung hinlegen könnte, schien noch im Sommer, als die Kämmerei und der Bürgermeister eine relativ positive Entwicklung prognostizierten, unwahrscheinlich.

Die Genthiner atmeten nach harten Einschnitten auf, als Thomas Barz zum Neujahrsempfang 2017 optimistisch in die Zukunft sah und sagte, dass nach unpopulären Entscheidungen die Stadt ruhig nach vorne schauen könne. Es könne nicht nur dargestellt werden, dass in den nächsten Jahren eine dicke schwarze Null und Erträge entstehen würden. Innerhalb weniger Jahre könnten die aufgelaufenen Liquiditätskredite in Höhe von sieben Millionen bis 2019 bereits auf drei Millionen reduziert werden, tat der damalige Bürgermeister kund.

Der Barzsche Konjunktiv hält nun der Realität nicht mehr stand: Der zurückgezogene Haushalt 2019 wies Liquiditätskredite in Höhe von acht Millionen Euro auf. Eine Schwarze Null ist nicht in Sicht. Erklärungen, warum der Haushalt ein Millionendefizit aufweist, gibt es viele.

Die Verwaltung zog zur Begründung unter anderem eine Personalaufstockung im Kita-Bereich bedingt durch den Personalschlüssel des neuen KiFög, Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst und zusätzliche Stellen im Bauhof heran. Insgesamt erhöhen sich die Personalausgaben im Vergleich zum Vorjahr um 18 Prozent.

Seit vielen Jahren beklagen die Stadträte, dass das Land die Kommunen nicht auskömmlich ausstatte und sie wie beim Kifög zu Aufgaben verpflichtet werden, die sie vor finanziellen Mehrbelastungen stelle.