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Lesung Geschichten von der Dorfhexe

Einen besonderen Text, der weit in die Geschichte zurückreicht, präsentierte Walburg Spitzenberg Zuhörern in der Genthiner Bibliothek.

Von Mike Fleske 11.01.2019, 07:00

Genthin l Als Malerin ist Walburg Spitzenberg vielen Genthinern ein Begriff, hat sie mit ihren Bildern doch schon zahlreiche Ausstellungen in der Kanalstadt bestritten. Als Hobbyautorin begibt sie sich dann und wann auf etwas anderes künstlerisches Terrain.

So präsentierte die 74-Jährige kürzlich im Lesecafé Auszüge aus ihrem autobiografisch gefärbten Roman „Die Dorfhexe“. Die Dorfhexe sei aber nicht die Autorin selbst, konnte Cornelia Draeger zu Beginn korrigieren. Das Manuskript habe Spitzenberg nicht am Computer geschrieben, sondern „ganz klassisch wie früher an der Schreibmaschine“, verriet die Autorin.

Im Roman zeichnet Spitzenberg die Lebensgeschichte einer von den Leuten eines Dorfes als Dorfhexe bezeichneten Frau nach. Dorfhexe wird die Frau im Roman nicht genannt, weil sie mit Katze auf dem Buckel in einem Knusperhaus ihr Unwesen treibt, sondern weil sie eine kluge Person mit besonderen Fähigkeiten ist.

Sie blickt weise auf die Menschen in ihrem Umfeld, erkennt etwa in einem Kleptomanen das Gute und bringt ihn auf den Pfad der Tugend zurück. „Der Text reicht vom Jahr 1945 bis weit in die Zeit der DDR kurz vor der Wende, als es im Land zu knistern begann.“

Die Dorfhexe habe es wirklich gegeben. Allerdings habe sie von der Autorin eine eigene Biografie bekommen. Wahr sei allerdings, dass die Prophezeiungen der Dorfhexe Wilhelmine in Erfüllung gegangen seien. „Bis zu ihrem Tod wussten wir nicht wer sie war, im letzten Kriegswinter kam sie zu uns ins Dorf und wohnte bei den kleinen Häuschen“, erzählen die Dorfbewohner. Wilhelmine sei mit vielen anderen aus dem Osten gekommen. Auf einem Schloss soll sie dort einen alten Grafen gepflegt haben. Keine leichte Aufgabe bei einem Schlossherrn, der schwer krank immer recht unleidlich wirkte und seiner Frau einer strengen vornehmen Dame.

Walburg Spitzeberg beschrieb die Schlossszenen mit lebhafter Freude an den Eigenheiten der Figuren und gesellte das kleine boshafte Flüchtlingskind Pummelchen in den Reigen der Personen.

Dieses Kind, treu dem Führerkult ergeben, meldet gehorsam einen Deserteur, dem rechtzeitig die Flucht gelingt. Später wird Pummelchen zu einer erfolgreichen Sängerin im neuen Gewand – zur roten Diva. Damit spannte die Autorin den Weg von einer Protagonistin zur nächsten durch die Zeitläufe der deutschen Geschichte. Denn viel später im August 1961 lag etwas in der Luft. Auffallend viele Männer bekamen ihre Einberufung zum Reservistendienst, auch die Kampfgruppen machten mobil. Beim Sonntagsfrühstück hörten die Menschen im Radio, dass die Grenze zu Bundesrepublik geschlossen wurde. Viele Menschen befürchteten den nächsten Krieg. Nur die elegant gekleidete Dorfhexe blieb ruhig: „Es wird eine Nacht kommen, da wird sich alles Trennende in Luft auflöst und die Feinde werden aus einem Becher trinken und von einem Teller essen.“

Lange nach dem Tod der weisen alten Dame wurde ihre Vorhersage wahr, wenn auch erst 28 Jahre später. Im November 1989 fiel die Grenze und löste sich in Luft auf. In der Betonmauer ging eine Tür auf, NVA-Soldaten gingen mit Sektflaschen und Pappbecher auf ihre Westberliner Kollegen zu. Damit endet die Autorin bei einem der größten Momente der jüngeren deutschen Geschichte und ist noch lange nicht am Ende. „Ich kann Ihnen einen zweiten Teil androhen“, meinte sie nach 90 Minuten Lesezeit. Diesen werde sie in einem Lesecafé der Bibliothek im Jahr 2019 vorstellen. „Dann werde ich auf die Biografie der Dorfhexe noch deutlicher eingehen und sagen, wer sie eigentlich war.“

Auch solle die Geschichte des Mädchen Pummelchen noch weitererzählt werden. „Ich werde die bisherige Geschichte zu Beginn zusammenfassen, auch wer neu dazukommt, wird der Handlung folgen können“, verspricht die Autorin. Wann die zweite Lesung mit Walburg Spitzenberg stattfindet, wird rechtzeitig im Internet und in der Volksstimme bekannt gegeben.