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Pflegehelfer Wenn Warten zur Qual wird

Im Genthiner Stilke-Heim wird auf die Rückkehr von Pflegehelfer Lidon Behrami gewartet, der Deutschland verlassen musste.

Von Simone Pötschke 24.07.2019, 01:01

Genthin l Dass Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sich bei einem Besuch einer deutschen Pflegeschule in Pristina dafür aussprach, das Anerkennungsverfahren für kosovarischen Altenpfleger vereinfachen zu wollen, um den Pflegenotstand in Deutschland zu lindern, kam unter den Bewohnern des Genthiner Stilke-Seniorenheimes vermutlich nur als ein halbherziges Politiker-Versprechen an.

Denn seit April vergangenen Jahres bemühen sich die Heimleitung um Britta Möbes und der Seniorenbeirat erfolglos um die Rückkehr von Lidon Behrami (26) aus dem Kosovo, der im Stilke-Heim als Pflegehelfer händeringend wieder gebraucht wird.

Lidon Behrami sitzt in seiner Heimat auf gepackten Koffern. Doch aus der Abreise wird trotzdem nichts. Er muss im Kosovo auf einen Termin bei der Deutschen Botschaft warten, um ein Arbeitsvisum beantragen zu können. Er braucht dieses Visum unbedingt, um legal nach Deutschland einreisen zu können.

Nach langem Hin und Her und einer drohenden Abschiebung war er Anfang 2018 auf Anraten der Ausländerbehörde freiwillig in der Hoffnung ausgereist, bald wieder nach Genthin zurückkehren zu können.

Lidon Behrami war 2015 aus Halberstadt nach Genthin gekommen. Eine Klage gegen den Abschiebungsbescheid wurde schon 2016 vom Verwaltungsgericht Magdeburg abgewiesen. Kosovo gilt als sicheres Herkunftsland. Auch die Härtefallkommission entschied nicht zu seinen Gunsten.

Der Seniorenbeirat des Stilke-Hauses nutzte auch einen Besuch von Petra Grimm-Benne (SPD), Ministerin für Arbeit, Soziales und Integration des Landes Sachsen-Anhalt, in der Einrichtung, um die Rückkehr des Pflegehelfers zu beschleunigen. Um eine schnelle Wiedereinreise zu erreichen, wandte sich die Ministerin an das Auswärtige Amt. Große Erwartungen wollte sie bei den Senioren jedoch von vornherein nicht wecken.

Für Lidon Behrami gab es trotz der Fürsprache der Landesministerin auch keinen Fortschritt. Heimleiterin Britta Möbes, die telefonisch mit dem jungen Kosovaren in Verbindung steht, weiß um dessen Verbitterung.

Im Frühjahr sei noch von einer Wartezeit von neun bis elf Monaten die Rede gewesen, mittlerweile habe sich die Wartezeit auf bis zu 20 Monate für einen Termin in der Deutschen Botschaft verlängert. Das habe sie aus den Telefonaten, die sie mit dem Kosovaren in drei-bis vierwöchigen Abständen führt, erfahren.

Lidon Behrami kann auf der Grundlage der sogenannten Westbalkan-Regelung, eine Sonderregelung der Bundesregierung aus dem Jahr 2015, dieses Arbeitsvisum beantragen. Diese Regelung wurde getroffen, um die Zahl der unbegründeten Asylanträge zu verringern. Doch die deutschen Botschaften auf dem Westbalkan sind mit dieser Aufgabe massiv überfordert, auch nachdem sie personell aufgestockt wurden.

Die Regelung ist bis 2020 befristet und richtet sich vor allem an Arbeitskräfte aus den Branchen Baugewerbe, Gastronomie und Pflege.

An Lidon Behramis Absicht, wieder eine Arbeit im Genthiner Stilke-Haus aufzunehmen, habe sich auch in Anbetracht der Situation vor Ort in Pristina nichts geändert, berichtet die Heimleiterin. Im Kosovo arbeitet er derzeit in einer Klinik. Ein Termin in der Deutschen Botschaft ist für ihn immer noch in weiter Ferne. Behrami sei dazu verdammt, untätig abwarten zu müssen. Der aktuelle Vorstoß des Bundesgesundheitsministers in Pristina wird daran höchstwahrscheinlich nichts ändern.

Es kämen immer wieder Rückfragen aus den Reihen des Seniorenbeirates, sagt Britta Möbes, doch sie könne darauf immer nur mit Achselzucken reagieren.

„Wir haben in der Pflege einen großen Mangel an Fachkräften. Ich kann es einfach nicht verstehen, dass keine Bewegung in die ganze Sache kommt und einem motivierten, gut ausgebildeten Mann, den wir so dringend brauchen, solche Steine in den Weg gelegt werden.“

In Deutschland kommen in der Pflege auf 100 offene Stellen im Bereich der Altenpflege derzeit nur 19 potenzielle Bewerber.

Der Kosovare, ein gelernter Kinderkrankenpfleger, war zunächst nur stundenweise ehrenamtlich und damit unentgeltlich in der Seniorenbetreuung tätig. Er belegte auf eigene Kosten Sprachkurse und konnte, weil er sprachlich fit war, eine Festeinstellung in der Genthiner Pflegeeinrichtung erhalten.