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Plätzchen Tradition mit einer Prise Hirschhornsalz

Bei Bäckermeister Thomas Osterburg in Tucheim glüht der Backofen. In der Vorweihnachtszeit verkauft er vor allem traditionelle Backwaren.

Von Susanne Christmann 17.12.2020, 07:00

Tucheim l Ob die Butter-Vanille-Kipferl, die Thomas Osterburg gerade zuhauf in der Vorweihnachtszeit in seiner Backstube in der Tucheimer Kurzen Straße aus dem Ofen holt, noch mit dem Etikett „Oberleckerer Geheimtipp“ behaftet werden können, sei dahin gestellt. Schließlich kennen die Tucheimer und auch viele über die Gemeindegrenzen hinaus ihren Bäcker und seine in traditioneller Handarbeit entstehenden Backwaren seit Jahrzehnten. Auf jeden Fall, verriet Osterburg der Volksstimme in einem Gespräch, liege seinen Kipferln ein Rezept zugrunde, das einst in altdeutscher Schrift aufs Papier gebannt wurde und noch von seinem Großvater stammt. Kipferl seien recht aufwendig in der Herstellung, erklärt er, und bei ihm werden sie Stück für Stück von Hand exakt geformt. Zum Glück habe er da eine Mitarbeiterin, die das perfekt beherrsche. Er kümmere sich zuvor um die exakte Mischung der Rezeptzutaten und die sonstige Behandlung des Teiges.

Ansonsten kommen bei ihm in der Weihnachtszeit vor allem traditionelle, nach seinen Worten „einfache Sachen“ in und aus dem Ofen. „Ohne Schnickschnack“, wie der zupackende Bäckermeister resolut befindet. Als da wären neben den erwähnten Vanille-Kipferln: Butter- und Cranberry-Stollen (anstelle von Rosinen), Butterplätzchen, Heidesand-Plätzchen und Mürbeteig-Gebäcke – Ochsenaugen mit Marzipan und Marmelade, Nougat-Ringe mit Sahne und für all jene, die Sahne nicht so mögen, Osterburgs Florentiner Plätzchen.

Obwohl Thomas Osterburg so viel Erfahrung hat, dass er immer in etwa weiß, wie viel und welche seiner Backwaren er wann am besten herstellt, findet er es gerade in der Weihnachtszeit doch am besten, wenn seine Kunden bei größeren Mengen ein paar Tage vorher telefonisch eine Vorbestellung aufgeben.

„Kannst Du mir für morgen Nachmittag zehn Liebesknochen machen?“ lässt einer von ihnen am Telefon nachfragen. Das ist dann selbst für einen erfahrenen Profi wie Osterburg zu kurzfristig. Schließlich verlange der Brandteig für dieses Gebäck einen bestimmte zeitliche Behandlung. „Für Morgen klappt es nicht mehr“, lässt er deshalb ausrichten. „Aber für übermorgen“.

Er müsse sich die fertigen Liebesknochen aber dann am Nachmittag bei ihm in der Backstube und nicht im Ladengeschäft in der Ziesaer Straße abholen.

Der Familienvater dreier Kinder ist in diesen Tagen doppelt froh, dass er stets ganz auf die traditionelle Versorgung der Leute vor Ort gesetzt hat. Andere Bäckereien und Filialbetriebe, die ihre Brötchen bisher vor allem mit der Versorgung von Hotels und anderen Großabnehmern verdienten, bekämen schon länger die Auswirkungen der Coronakrise in der Firmenkasse zu spüren und nun mit dem zweiten harten Lockdown wohl noch mehr.

Gänzlich sorgenfrei ist aber auch Thomas Osterburg in diesen Tagen nicht. Ob er mal einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin für seinen Bäckereibetrieb findet, sei, so bekennt er, vollkommen ungewiss. Nachtarbeit und körperliche Beanspruchung seien dabei das eine, das andere: Wo bekommt man in Zukunft noch gute Fachkräfte als Angestellte her, die auch dann mitziehen, wenn noch ein ungeplanter Auftrag hereinkommt?

Einstweilen kann Thomas Osterburgs eingespieltes Team den Backofen in der Kurzen Straße ordentlich glühen lassen. Und der Bäckermeister jongliert täglich mit Siedepunkten, Ruhe- und Kühlungszeiten für den jeweiligen Teig, Konsistenzen und Schmelzpunkten, natürlichen Zutaten und traditionellen Rezepten. Und auch wenn seinen Pfannkuchen die Handarbeit anzusehen ist – sie sind nicht gleichmäßig prall aufgeplustert wie industriemäßig hergestellte und sehen auch nicht alle gleich aus – Osterburg ist keiner, der sagt, „früher“ habe alles besser geschmeckt, also sollte es auch heute möglichst noch so hergestellt werden wie damals.

Schon allein deshalb nicht, weil er heute alle Zutaten für seine Backwaren bekomme, die er sich wünsche und die es früher eben oft nicht beziehungsweise nicht immer gegeben habe. Aber für seine Amerikaner, da nehme er immer noch Hirschhornsalz als Backtriebmittel wie früher und nicht Backpulver, wie bei vielen heute üblich. Eben wegen des charakteristischen Geschmacks, den das Hirschhornsalz dem flachen Backwerk auch gebe. Auf die Frage, wie viele verschiedene Brötchen- und Brotsorten er im Angebot habe, muss Thomas Osterburg erst einmal nachzählen. Bei den Brötchen sind es satte 15, beim Brot 13. Da bleiben also kaum Kundenwünsche offen.

Thomas Osterburgs Sohn hat sich übrigens für das kommende Wochenende gewünscht, dass der Papa gemeinsam mit ihm Weihnachtsplätzchen backt. Der Junge liebe es nämlich, den Teig dabei nach seinen Wünschen auszustechen. Osterburg erfüllt ihm natürlich diesen Wunsch. Weil das zum Weihnachtsfest für seinen Sohn dazugehöre.

Mit seiner Mutter und Schwiegermutter würden sie das eigentliche Fest gemeinsam feiern. Klein, aber fein. Wie wohl in vielen anderen Familien coronabedingt in diesem Jahr auch.