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Tote Schafe Wolfsangriff mitten in Kade

Wölfe haben in Kade am Donnerstag drei Kamerunschafe gerissen. Das Besondere daran: Die Tiere befanden sich mitten im Dorf.

Von Thomas Skiba 01.05.2020, 13:46

Kade l Marcel Gröppler steht vor dem toten Mutterschaf und ist den Tränen nahe: „Ich hoffte, dass die durchkommt, sie doch war die Mutter meiner kleinen Schafherde.“ Verschreckt stehen die anderen Schafe auf dem etwa 4000 Quadratmeter großen Gelände, das direkt an den Park des Ortes angrenzt – lediglich durch einen großmaschigen Zaun davon getrennt. Hin und wieder schert eines der noch sehr schreckhaften Tiere hilflos blökend aus.

Wölfe fielen das Muttertier in der Nacht zum Donnerstag an und fügten ihm tödliche Verletzungen zu. Es verendete erst am Nachmittag. Insgesamt töteten oder verletzten die Raubtiere vier weitere Schafe. Zwei Tiere konnten vorerst nicht gefunden werden, die anderen zwei Schafe befinden sich mit ihren Bisswunden in der Herde und werden tierärztlich versorgt. Kinder aus dem Dorf haben die Überreste eines Schafbocks im Gestrüpp direkt im Kader Park neben der Kindertagesstätte gefunden. Dort fraßen die Wölfe den kleinen Schafbock nahezu vollständig auf.

Fassungslos ist auch Mathias Holzberger. Er wohnt nicht nur in Kade, sondern ist auch Vorsitzender der Jägerschaft Genthin. Er geht davon aus, dass sich der oder die Wölfe sehr wahrscheinlich über längere Zeit im Dorf aufhielten und fraßen. Nachdenklich stimmt die Tatsache, dass der Kader Park sich in der Dorfmitte befindet, hier habe auch der Kindergarten sein Domizil. „Umso schlimmer noch, dass die Fraß-Stelle sich direkt neben der Kindertagesstätte befand, sagt Holzberger. Der Jäger überprüfte das Gelände auf Wolfsspuren und wolfstypische Hinterlassenschaften, wie Trittsiegel und Kadaverreste. „Nachdem ich mir selbst ein Bild von den Ereignissen gemacht habe, steht zweifelsfrei der Wolf als Verursacher fest“, so der Weidmann. Zum Tathergang vermutet er: Der Wolf überwand einen etwa 1,80 Meter hohen Zaun, tötete oder verletzte die Tiere und zog zwei Schafe (davon ein Lamm) über den Zaun. Weitere Wolfsspuren dokumentierte der Jäger in dem Graben und auf dem Sandweg des Parks.

Das Wolfskompetenzzentrum, ansässig in Iden an der Elbe, war vor Ort und bestätigte die Vermutung. Gröppler wie Holzberger sind überrascht. Rund um den Park stehen Gehöfte und Einfamilienhäuser. Hier herrscht meistens Bewegung, Hunde schlagen an und die Straßenbeleuchtung lässt es nie richtig dunkel werden.

Die Dorfbewohner sind verunsichert, gerade Familien mit kleinen Kindern fragen sich, wie es soweit kommen kann, dass der Wolf sich schon mitten in den Ort traut. Einwohner sagen, ohne ihre Namen zu nennen, dass sie selbst Verluste an Schafen erlitten haben und dies auch meldeten. „Doch passiert ist nie etwas.“ Erst vor einigen Tagen sahen Bürger ein Rudel Wölfe mit zwölf ausgewachsenen Tieren, was laut Anwohner die Aussage widerlege, „dass Wölfe scheue Tiere seien“. „Von dem gesichteten Wolfsrudel existiert sogar ein Video, aufgenommen von einem erschrockenen Autofahrer“, so Holzberger, der die Aufnahmen sichtete.

In Kade stellen sich die Bürger deshalb die Frage, was noch passieren müsse, damit seitens der Politik verantwortungsvoll gehandelt werde. Marcel Gröppler jedenfalls will sich vom Wolf nicht unterkriegen lassen. „Die Kita-Kinder kommen zu den Schafen und füttern sie, dieses Erlebnis will ich erhalten.“ Wie, das weiß er noch nicht genau, denn Strom als Schutzmaßnahme komme für ihn nicht in Frage - eher ein noch höherer Zaun. Doch in erster Linie sieht er wie auch die Jäger um Matthias Holzberger die Politik in der Pflicht. „So kann es jedenfalls nicht weitergehen. Das ist eine echte Gefahr“, sagt Gröppler. Denn dass Wölfe ohne Angst durch Ortschaften streifen und jagen, habe es seit Jahrhunderten nicht mehr gegeben. „Die Sorgen und Ängste der Bevölkerung auf dem Land müssen ernst genommen werden“, fordert Holzberger. Durch Bejagung und die damit verbundene Vertreibung aus der Nähe menschlicher Siedlungen würden die schlauen Tiere sehr schnell lernen, dass es gefährlich wäre, sich Ortschaften zu nähern.

Der Deutsche Jagdverband (DJV) fordert indessen, den Wolf in das Jagdgesetz aufzunehmen. Laut Wolfskompetenzzentrum leben in Sachsen-Anhalt 15 Rudel mit etwa 108 Tieren, Tendenz steigend. Das Parchener Wolfsrudel zählte beispielsweise 2019 fünf Tiere, vier Nutztierrisse wurden bislang gemeldet.