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Währung Bismarcks Kopf als Zahlungsmittel

Anfang des 20. Jahrhunderts gab es immer wieder Phasen, in denen Kommunen Notgeld herausgaben. Auch in Genthin und Umgebung.

Von Stefan Menzel 21.11.2020, 23:01

Genthin l Zum 1. Juli 1921 brachte die Stadt Genthin die zweite Notgeldserie „Bismarck“ mit den Werten von 25 Pfennige bis fünf Mark heraus. Auch hier war der Grafiker Alfred Hanf bei der Gestaltung federführend. Auf der Vorderseite ist das Familienwappen von Bismarck und die goldgekrönte Gottesmutter mit Kind im Stadtwappen der Stadt Genthin dargestellt, auf der Rückseite der Notgeldscheine sind die Bildnisse Bismarcks aus der Zeit von 1836 bis 1894 abgebildet.

Im Gegensatz zur Notgeldserie „Stadtansichten“ war diese Serie nicht im Umlauf als Verkehrs- und Bedarfsgeld, sondern sollte die Nachfrage der Sammler befriedigen und Geld in die Stadtkasse von Genthin bringen. Erwerben konnte man die Serie in der Genthiner Buchhandlung Friedrich, die im damaligen Ton der Zeit in der Genthiner Zeitung warb: „Die zweite Ausgabe des Genthiner Notgeldes, die Bismarck gewidmet ist, und nicht etwa mit der vom Kreise herausgegebene Serie verwechselt werden darf, ist vielen Mitbürgern immer noch unbekannt, da sie nicht im Verkehr erschienen ist und sich bisher fast ausschließlich in Sammlerbänden befand.

Und doch sind diese prachtvoll gedruckten Blättchen – rein als Kunstwerk betrachtet – eine ganz köstliche kleine Gabe, die jeder Genthiner sich sichern sollte, bevor sie aus dem Handel verschwinden. (…) Der trotzig gestaltete, ohne Vorzeichnung unmittelbar aus dem harten Hirnholz herausarbeitende Holzschnitt eignet sich ja für den Kopf des Alt-Reichskanzlers wie keine andere Technik (…). In fünf verschiedenen Lebensaltern erscheint uns das vertraute gewaltige Antlitz Bismarcks auf den Blättern. (…) In diesem Notgeld besitzt unsere Stadt einen viel zu wenig gewürdigten Schatz.

Da das Notgeld nun einmal zu einem überaus weitverbreiteten Sammelgegenstand geworden ist, der mehr als etwa Plakate für eine Stadt zu werben geeignet ist, wäre es Pflicht jeden Mitbürgers, für seine Verbreitung zu sorgen.“ Auch der Kreisausschuss des Kreises Jerichow II gab am 1. Juli 1921 die Entscheidung bekannt, fünf Notgeldscheine in den Werten von 25 Pfennig bis fünf Mark im Fünffarbendruck in den Verkehr zu bringen. Auf der Vorderseite ist die Stadt Jerichow bzw. das Jerichower Land mit dem Kopfbildnis von Bismarck abgebildet, die Rückseite zeigt die Klosterkirche Jerichow, die „Posaunen von Jericho“ und das Schloss Schönhausen.

In den Folgejahren nach 1919 setzte in Deutschland eine Hyperinflation ein, so dass die bisherigen Notgeldscheine ab 1923 wegen der steigenden Preise nicht mehr den Erfordernissen genügten. Der rasche Währungsverfall machte das Rechnen mit Millionen erforderlich. In Genthin eröffneten während der Jahre 1922/23 mehrere Bankfilialen, um die Geldflut zu beherrschen. Zur Abdeckung des Papiergeldbedarfs wurden immer mehr Druckereien benötigt, die Wertstufen wurden höher und die Ausgabenfolgen immer schneller.

Im Zeitraum von August 1923 bis November 1923 gab der Kreisausschuss Jerichow II am 1. Oktober 1923 neun Geldscheine in den Werten von 500 Tausend Mark bis 100 Milliarden Mark heraus, die nur einseitig bedruckt waren. Hergestellt wurden diese Notgeldscheine in der Genthiner Druckerei Hermann Haack. Auch die Stadt Genthin brachte am 1. Oktober 1923 eine Serie mit sechs Notgeldscheinen im Wert von 50 Tausend Mark bis fünf Millionen Mark und eine zweite Serie mit acht Scheinen im Wert von einer Million Mark bis 100 Milliarden Mark in den Umlauf. Die Serie aus Genthin ist beidseitig bedruckt, die Vorderseite ist mit der Wertangabe, einem Siegel und der Unterschrift versehen, auf der Rückseite sind Motive unter Verwendung der Stadt- und Bismarckserie“ von 1921 abgebildet.

Diese „Großgeldscheinperiode“ sorgte wegen der ständigen Preissteigerungen für Ärger. Im Genthiner Wochenblatt vom 28. Juli 1923 polemisiert ein Bürger unter dem Kürzel „Dr. M. P.“: „Ich bin gespannt, ich giepere nach dem Zeitpunkt, da das Drucken von Geldscheinen nicht mehr die Hauptbeschäftigung des Reiches und einzelner ihnen ins Handwerk pfuschender Böhnhasen, sondern freigegeben wird. Wir können nur zu gesunden Verhältnissen kommen, wenn sich jeder seinen Bedarf an papiernen Zahlungsmitteln selbst herstellen darf. Natürlich gibt es Querköpfe, die von teurem Druck, von noch teurem Papier reden und flau machen wollen. (…) Fürs erste will ich nur behaupten, dass die Entwicklung danach drängt, meinen Gedanken Rechnung zu tragen. Der 500.000 Mark-Schein kommt schon oder ist schon gekommen – dass ich noch keinen in der Hand gehabt habe, ist kein Gegenbeweis – der Millionenschein ist auf dem Wege und der Zehnmillionenschein ist eine Sache von morgen. Man denke, was die Reichsregierung sparen würde, wenn sie mit der Herstellung von Bildchen überlastet wäre. Bildchen ist das richtige Wort. Und früher – immer – muss dieses nichtsnutzige Wort in die Feder kommen – haben große Firmen auch solche Bilderchen serienweise als Reklamematerial herausgegeben. (…) Das Deutsche Reich hat es jedoch nicht nötig, für sich Reklame zu machen, es ist ohnehin bekannt genug und Kredit wird ihm doch nicht gewährt.

Den Zweck aber, als Geld zu dienen, erfüllen die Scheine ebenso gut oder schlecht, wenn sie jeder Privatmann drucken darf. Ich glaube gar nicht, dass die Inflation dadurch sonderlich verstärkt würde. Jedermann würde sich in Acht nehmen, mehr zu drucken als er gerade braucht, weil es doch schade um das gute weiße Papier wäre. Im Gegenteil, die kleinen Scheine, die sich zu drucken nicht lohnt, würden aus dem Verkehr verschwinden und zu nützlichen Zwecken verwendet werden, zum Tapezieren, zu Reklamezwecken, zu Bierflaschenetiketts usw., wobei unter usw. sich jeder das denken kann, was seiner Geschmacksrichtung liegt. Ich sehe schon Frau Neureich, wie sie etliche ihrer Zimmer mit 100 oder 1000 oder 5000 Mark-Scheinen bekleben lässt.

Was erstens billiger ist als Seidendamast und zweitens doch noch einen gewissen Eindruck schindet. Ich verdichte also meinen Gedanken zu einem Antrag an das bekannte hohe Haus: Der Reichstag solle beschließen, jeder mündige Deutsche hat das Recht, Banknoten zu drucken und zu verausgaben. Ich bin sogar bereit, um dieses Begehren durchzusetzen, eine besondere politische Partei zu gründen, und bitte die Herrschaften, die sich anschließen wollen, in frankierten Briefen sich an mich zu wenden.“

Ursprünglich war das Notgeld geschaffen worden, um dem Mangel an Zahlungsmittel zu begegnen. Doch für viele öffentliche und private Stellen war es zu einem bequemen und billigen Finanzierungsmittel geworden. Beschleunigt wurde der Währungszerfall durch mangelnde Kenntnisse monetärer Zusammenhänge der verantwortlichen Stellen. Als die Hyperinflation wirtschaftliche und politische Verwerfungen auslöste, wurden Vorschläge zur Währungsstabilisierung gemacht.

Im Sommer 1923 hatte man mit sogenanntem „wertstabilem Papiernotgeld“ – auch Schatzanweisung genannt – den Versuch gemacht, die Inflation einzudämmen. Dieser Versuch scheiterte jedoch. Letztlich musste die Reichsregierung reagieren, was zur Gründung der Deutschen Rentenbank am 15. Oktober 1923 führte, um mit Zwangshypotheken auf Immobilien von Landwirtschaft, Gewerbe und Industrie sowie die Anbindung an Gold und den Dollar die Währung zu stabilisieren. Aus währungspolitischer Sicht wurden die Inflation und die damit verbundenen Spekulationen am 15. November 1923 durch die Ablösung des Papiernotgeldes mit Einführung der Rentenmark beendet.

Physisch mussten die am 15. November 1923 gültigen Notgeldscheine aber noch bis Anfang 1925 als wertstabiles Notgeld (Kurs: 1 Billion Mark = 1 Rentenmark) dienen, entsprechend dem vor dem Krieg bestehenden Wechselkurs zum US-Dollar von 1:4,2 waren also 4,2 Billionen Papiermark nur 1 US-Dollar wert. Denn die neue Rentenmark konnte nur langsam in Umlauf gesetzt werden.

Die Notgeldverordnung des Generals Hans von Seeckt vom 12. November 1923 machte unter dem Druck der Not die Ausgabe auf Gold lautenden Geldes zu einem Recht für die Länder, Provinzen und Gemeinden. Innerhalb der Ausgabebezirke wurde dieses Notgeld zum gesetzlichen Zahlungsmittel erklärt.

Somit schuf die Notgeldverordnung die Voraussetzungen, dass in der Provinz Sachsen „zur Sicherheit für das ausgegebene Notgeld Schatzanweisungen der wertbeständigen Anleihe des Deutschen Reichs (Goldanleihe bzw. Goldschatzanweisungen) bei der Reichshauptbankstelle in Magdeburg in Höhe des Nennwertes der jeweilig ausgegebenen Notgeldstelle hinterlegt werden und zwar auf ein zu Gunsten des Reichsministers gesperrtes Depot“, so das Genthiner Wochenblatt in der Bekanntmachung vom 17. November 1923.

In Genthin wurde das wertbeständige Notgeld am 16. November 1923 ausgegeben. Auf jedem Schein musste die Bezeichnung „Notgeldschein“ stehen und als Währungseinheit „Mark Gold“ und „Pfennig Gold“ angegeben werden. In der ersten Serie wurden entsprechend des festgelegten Umtauschkurses z. B. für 10 Pfennig = 1/42 Dollar oder für 1 Dollar = 4,20 Mark angesetzt. Es folgte wegen der Erhöhung der Notgeldauflage um 350.000 Mark eine zweite Auflage. Die Kommunen wie die Stadt Genthin bzw. der Kreis Jerichow II mussten als Abnehmer anteilig die Druckkosten für das wertbeständige Notgeld tragen.

Ab dem 1. Dezember 1923 wurde das wertbeständige Notgeld in der Stadt Genthin und im gesamten Kreis Jerichow II für gültig erklärt, die ausgegebenen Notgeldscheine mit Werten von bis zu 100 Milliarden Mark blieben vorerst im Umlauf. Erst eine Bekanntmachung vom 4. Januar 1924 teilte den Bürgern des Kreises Jerichow II und der Stadt Genthin mit, dass mit dem 1. Februar 1924 die Notgeldscheine der Hyperinflationsjahre ihre Gültigkeit verlieren. Damit endete eine Epoche in der deutschen Währungswirtschaft.