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Waldkamera Staub oder Rauch - das ist hier die Frage

Seit 2004 ist die Waldkamera auf dem Dach des Wasserturms im Dienst. Sie markiert alles, was nach größerer Luftbewegung oder Rauch aussieht.

Von Susanne Christmann 26.08.2020, 01:01

Genthin l Ist das jetzt ein sogenannter Brandverdachtsfall, eine Staubentwicklung oder lediglich eine Luftverwirbelung? Diese Frage stellt sich Forstwirt Herbert Borys während seiner Schicht im Betreuungsforstamt „Elb-Havel-Winkel“ am Überwachungsplatz für die Waldkamera auf dem Genthiner Wasserturm permanent.

Er muss entscheiden, ob er nach dem Heranzoomen die von der Genthiner und fünf weiteren Kameras erfassten Staubentwicklungen oder Luftverwirbelungen wegklickt oder einen Brandverdachtsfall an die Leitstellen des Lankreises im Jerichower Land, in Stendal oder im Altmarkkreis meldet.

„Das ist eine sehr anstrengende Arbeit“, erklärt Forstamtsleiter Peter Sültmann in einem Gespräch mit der Volksstimme. „Die Forstwirte, die an diesem Arbeitsplatz täglich wechseln, müssen permanent voller Konzentration auf den Bildschirm schauen und ständig entscheiden, ob sie wegklicken oder melden.“ Die Überwachungsbilder der Kameras werden als sechs schmale Querstreifen auf dem Bildschirm dargestellt und arbeiten mit Grautönen. Wer diese richtig „lesen“ will, braucht viel Erfahrung, um Staubentwicklung oder Luftverwirbelung vom Brandverdachtsfall unterscheiden zu können.

Jede Kamera, auch die auf dem Genthiner Wasserturm, bewegt sich innerhalb von acht Minuten einmal 360 Grad im Kreis und liefert so entsprechend viele Bilder, auf denen jede größere Luftbewegung oder Rauchentwicklung automatisch markiert wird. Windpark-Gebiete sind logischerweise von einer Kamera-Überwachung ausgeschlossen.

Die Kamera auf dem Genthiner Wasserturm, die wie alle anderen Waldüberwachungskameras in einer Höhe von zehn Metern über den Baumwipfeln agiert, um alles Verdächtige gut erfassen zu können, wurde 2004 in Betrieb genommen. Seitdem hat sie in der jeweiligen Waldbrandsaison – in der Regel von Anfang März bis Ende September – insgesamt 45 424 Meldungen abgegeben, gibt Sültmann Zahlen preis.

Davon seien 168 Brandverdachtsfälle gewesen – alles andere waren Staubentwicklungen oder Luftverwirbelungen. Die sechs Kameras, die von Genthin aus überwacht und ausgewertet werden, gaben bis heute insgesamt 191 151 Meldungen ab, von denen immerhin 714 Brandverdachtsfälle waren.

Was die Überwachung des Waldes mittels eines Kamerasystems, das einst für die Weltraumtechnik entwickelt wurde, so effektiv macht, ist, dass Brände damit oft in einem frühen Stadium entdeckt werden. Durch die Kopplung mit einem digitalem Kartensystem können die Forstwirte, die an den Überwachungsbildschirmen sitzen, den Brand genau orten und, wenn nötig, Feuerwehr und Rettungskräfte schnell und sicher dorthin lotsen. Außerdem würden die Kollegen, so Sültmann, auch schneller als jeder andere erkennen, wenn auf den Äckern und Feldern im Sichtbereich mal ein Mähdrescher, Traktor oder eine andere Maschine brennt.

Bevor es das Kamerasystem gab, so erinnert sich Peter Sültmann, hat sich vor knapp 50 Jahren die Erkenntnis durchgesetzt, dass Waldbrände viel schneller als bisher lokalisiert werden müssen, wenn man verhindern will, dass sich daraus Großbrände entwickelten. Also wurden auf geeigneten Geländekuppen – meistens im Wald – Feuerwachtürme aufgestellt. Von dort oben beobachten Forstleute die Wälder und wenn sie einen Brand entdeckten, bestimmten sie anhand von Kartenmaterial die Entfernung und meldeten das weiter.

Nach der Wende ließ sich das Personal, das für die Überwachung auf den Türmen nötig war, nicht halten. Es seien, so Sültmann, auch in der Forstwirtschaft viele Stellen abgebaut worden. Brandenburg habe sich Mitte der 1990er Jahre als erstes Bundesland mit Kamerasystemen zur Waldüberwachung befasst. Anfang der 2000er Jahre habe sich dann auch Sachsen-Anhalt dazu entschlossen, ein kameragestütztes Waldbrand-Überwachungssystem aufzubauen. Insgesamt sind heute 15 solcher Kameras in Sachsen-Anhalt stationiert. Deren Bilder werden von drei Zentralen aus – Annaburg, Plötze und Genthin – ausgewertet. Nicht alle Waldgebiete lassen sich mittels Kamera gut überwachen.

Beim Harz zum Beispiel sei das mit seinen vielen unterschiedlichen Höhen, Gipfeln und Tälern kaum möglich, sagt Sültmann. Es gebe beim Land die Überlegung, sieht Sültmann voraus, die bisherigen drei Zentralen zu einer zusammenzufassen. Diese eine, große Zentrale solle dann hier in Genthin angesiedelt werden.