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Ehemalige Schüler treffen sich 60 Jahre nach dem Abitur im Bismarck-Gymnasium "Wisst ihr noch, als uns im Juli 1951 der Rundfunk aufgenommen hat?"

Von Mike Fleske 18.06.2013, 03:19

60 Jahre nach ihrer Reifeprüfung trafen sich die damaligen Abiturienten im Bismarck-Gymnasium. Dabei wurde manche Erinnerung an die Schulzeit wach, die mit besonderen Lehrerpersönlichkeiten und einer Aufnahme des Rundfunks verbunden war.

Genthin l Sechs Jahrzehnte nach ihrem letzten Schultag trafen sich rund 30 der damaligen Abiturienten im Bismarck-Gymnasium. Während eines Rundgangs durch ihre damaligen Klassenräume wurden manche Erinnerungen an die Schulzeit wach. "Wer hier nicht von morgens bis abends streng arbeitet, ist in dieser Anstalt fehl am Platze", das seien die ersten Worte des damaligen Direktors Paul Stendel bei der Aufnahmefeier gewesen. "Mein erster Eindruck war Angst, weil er sofort im donnernden Ton zu schimpfen begann", erinnerte sich Klaus Kottmann in der Runde. Aber dann sei es doch ganz gut gegangen. In bester Erinnerung ist den ehemaligen Schülern auch Zeichenlehrer Werner Otto Alisch. "Der war ein echtes Original und hatte bei Max Liebermann studiert." Die Runde erinnerte sich auch daran, dass ihr Lehrer in Naturwissenschaften bewandert war.

"An Nachmittagen hat er Exkursionen angeboten und Pflanzen und Bäume erläutert." Vor einigen Jahren war Alisch eine Ausstellung in Genthin gewidmet, wodurch er vielen Bewohnern in der Kanalstadt bekannt sein dürfte. Er sei nicht nur ein sehr gebildeter Mann gewesen, auch habe er seine Schüler zu mancher künstlerischen Leistung von Bestand animiert.

"Meine Abschlussarbeit in der 8. Klasse war ein genau berechnetes Modell des Wasserturms aus Pappmache", erläutert Dr. Inge Frank. Vor einigen Jahren habe sie das Werk der Touristinfo in Genthin zur Verfügung gestellt. Heute ist es in einer Vitrine ausgestellt und findet nach wie vor viele Betrachter. Der künstlerische Bereich sei ohnehin groß geschrieben worden. Musiklehrer Krüger sei ein sehr exakter und auch strenger Pädagoge gewesen.

"Bei ihm durfte niemand fehlen, als Entschuldigung galt nur der Tod", erinnert sich Brigitte Hetz mit einem Lachen. Dennoch wollten die meisten in seinem A-Chor singen. "Es gab auch einen B-Chor, aber da wurden nur Loblieder auf Stalin eingeübt." Der A-Chor hingegen kam zu besonderen Ehren. "Im Juli 1951 kam der Rundfunk und machte hier im Gymnasium mit uns eine Aufnahme der Johannes-Passion."

Der Übertragungswagen habe im Hof gestanden und die Aufnahmetechnik nebst Mikrofonen sei in der Aula aufgebaut gewesen. "Als wir uns dann während der Radioausstrahlung selbst hören konnten, waren wir furchtbar gerührt", erzählt Klaus Kottmann. Mancher Schüler wurde mit besonderen Aufgaben betraut. "Ich hatte aus dem Westen eine Armbanduhr bekommen und war deshalb dafür zuständig, pünktlich die Schulglocke zu läuten", erzählt Dieter Sänger. Lachend fügt er hinzu: "Morgens bin ich manchmal ein wenig später an die Glocke gegangen, damit meine Mitschüler etwas mehr Zeit hatten."

Eine schöne Zeit sei es gewesen, waren sich viele Anwesende einig. Allerdings hätten auch die politischen Spannungen nicht vor den jungen Leuten haltgemacht. Als der damalige Schüler Norbert Heise eine Mitschülerin, die Mitglied in der Jungen Gemeinde der Kirche war, verteidigte, flog er vorübergehend von der Schule. "Sie war konfirmiert und stand nur für ihren Glauben ein", erläutert Heise. Doch das war in der angespannten Phase vor dem 17. Juni 1953 zu viel, auch den Glauben zu verteidigen.

"Ich kam mit neun anderen aus meinem Jahrgang auf eine Liste von denen, die zu entlassen sind", so Heise. Allerdings wandelte sich der Kurs in der Zeit der Arbeiterproteste. "Vier Wochen später durfte ich doch mein Abitur machen", meint Heise. Es seien Zeiten gewesen, die mit der heutigen gar nicht vergleichbar seien. Und doch bleibt manches immer aktuell.

"Es wird viel über Sinn und Unsinn des Abiturs nach zwölf Jahren diskutiert", meint Klaus Kottmann. Wir sind auch nur zwölf Jahre zur Schule gegangen und wurden Ärzte, Lehrer und Ingenieure." Vielleicht mache das jungen Leuten Mut, dass sie mit einer kürzeren Schulzeit nicht schlechter gebildet seien. Vielen Teilnehmern, die von weit her angereist waren, fiel auch etwas an ihrer alten Heimatstadt auf: "Genthin hat sich sehr gut entwickelt", meint beispielsweise Bernd Sänger.

Der Marktplatz sei sehr schön geworden. Dass auch die gute alte Persiluhr immer noch vorhanden ist, freute die Besucher, die unter anderem aus Hamburg oder gar vom Bodensee in die Kanalstadt kamen.