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Erinnerungen Weihnachten im Wandel der Zeit

Ist Weihnachten immer gleich? Wie verändern sich die Bedeutung und die Traditionen im Laufe eines Lebens? Senioren erinnern sich.

Von Sandra Reulecke 26.12.2015, 06:00

Halberstadt l 87 und 94 Jahre – wer so alt ist, hat eine Menge gesehen, viel Wandel erlebt. Die Art, wie Weihnachten gefeiert wird, bildet da keine Ausnahme.

Rosemarie Thiele und Gustav Holz leben im Seniorenheim am Dom in Halberstadt. In der Adventszeit wird in der Einrichtung festlich dekoriert, Kindergartenkinder backen Plätzchen, Konzerte finden statt. Aber was bedeutet Weihnachten für die beiden Bewohner persönlich? Wie feiern sie?

„Meine Familie kommt zum Kaffee“, sagt Rosemarie Thiele. Es sei schön, dass die Verwandten an sie denken. Gustav Holz verbringt die Feiertage bei seinem Sohn und dessen Familie. Mit dabei ist auch das jüngste Familienmitglied: Gustav Holzmann ist seit gut einem Monat stolzer Uropa. „Da ist immer viel Trubel“, berichtet der 94-Jährige. „Die jungen Leute sind immer unterwegs, müssen zu jedem Weihnachtsmarkt, wollen viel erleben.“

Wenn er sich an Weihnachten in seiner Jugend zurückerinnert, habe das nicht viel miteinander gemein. Gustav Holz wuchs auf einem Bauernhof im damaligen Ostpreußen auf. Der nächste Nachbar lebte einen halben Kilometer entfernt.

Blinkende Lichterketten, Fernsehen, Radio, Handys, Autos, große Weihnachtspartys – das gab es alles nicht. „Wenn die Arbeit auf dem Hof getan war, haben mein Vater, meine Mutter und ich zusammen gegessen. Hinterher wurde vielleicht noch gelesen“, erinnert sich der Rentner an die Heiligen Abende seiner Kindheit. Auch Geschenke spielten nur eine untergeordnete Rolle. Es gab einen bunten Teller. Manchmal Mandarinen.

Als junger Erwachsener hatte er von Weihnachten gar nichts mehr. Fünf Jahre lang kämpfte er im Zweiten Weltkrieg, es folgten fünf Jahre in Gefangenschaft. „Danach war es auch nicht einfach. Ich hatte keine Familie, keine Heimat mehr“, sagt er leise. „Erst als ich geheiratet habe und unser Sohn geboren wurde, habe ich so richtig Weihnachten gefeiert.“ Gustav Holz lächelt.

„Das war die schönste Zeit, als die Kinder noch klein waren“, stimmt Rosemarie Thiele zu. „Sie haben sich die Nase am Fenster platt gedrückt, wenn der Weihnachtsmann kam.“ Den Weihnachtsmann spielte ihr Mann. Er hielt eine Maske ans Fenster, um die Kinder zu überraschen. „Meine Nichte hatte Angst. Aber unsere Tochter nicht. Sie wollte ganz genau sehen, was da los ist und mein Mann musste sich ganz schön beeilen, damit sie ihn nicht erwischt.“

Bei ihrer Tochter führte Rosemarie Thiele die Traditionen ihrer eigenen Kindheit fort: Den Baum schmückten die Eltern und die Kinder durften erst dann den Raum betreten, wenn alles fertig war. Und die Bescherung gab es nicht am Heiligen Abend, sondern erst am Morgen des ersten Feiertages.

Rosemarie Thiele ist in Halberstadt geboren und aufgewachsen. „Plätzchenformen wie es sie heute gibt, hatten wir nicht.“ Dafür Einfallsreichtum: Mittels eines Trinkglases wurden Kreise, Ellipsen und Halbmonde ausgestochen. Vorbereitet wurde zu Hause, gebacken beim Bäcker, genascht erst an den Festtagen. Nur in einem Jahr gab es da eine Ausnahme. „Im Schrank habe ich eine Tüte Rosinen gefunden. Sie war so groß und ich dachte, wenn ich ein paar nasche, fällt das gar nicht auf“, berichtet Rosemarie Thiele lachend. Aus „ein paar“ wurde die halbe Tüte. Ob es für die heimliche Nascherei Ärger gab, weiß sie nicht mehr.

Dafür kann sie sich lebhaft an die festlich dekorierten Schaufenster und Geschäfte der Vorweihnachtszeit in Halberstadt erinnern. „Die Wände waren über und über mit Puppen geschmückt“, schwärmt die 84-Jährige. Gewünscht hat sich aber meistens Bücher, zum Beispiel die Geschichten vom „Nesthäkchen“. „Bis heute bin ich eine Leseratte“, verrät die zweifache Großmutter.

Das schönste Geschenk, dass sie je bekommen hat, hatte jedoch nichts mit bedruckten Seiten zu tun. Sie erhielt es im ersten Jahr ihrer Ehe. „So kurz nach dem Krieg waren die Verhältnisse ärmlich. Wir hatten ein paar Geschenke für das Kind und sonst nicht viel auf dem Tisch.“

Aber ein Baum musste sein. Den hatte ihr Vater, der in der Forst beschäftigt war, aufgebaut. „Er fragte, ob mir nichts an dem Baum auffalle“, erinnert sich die Seniorin. Erst nach mehrmaligen Hinschauen entdeckte sie, was er meinte: Eine Armbanduhr hing an einem Ast. „Keine Ahnung, wie mein Mann sie aufgetrieben hat. Das war wirklich eine Überraschung.“

Generell sei Weihnachten früher bescheidener gewesen, sind sich beide einig. „Und ruhiger. Es gab nicht diesen ganzen Kommerz, wie es heute der Fall ist“, sagt Gustav Holz. Früher ging es mehr um die engste Familie und Zusammensein.

Generell habe das Fest in ihrem Alter nicht mehr eine so hohe Bedeutung, geben beide zu. Doch so ganz ohne geht es nicht: Rosemarie Thiele freut sich zum Beispiel auf die Weihnachtsmusik. Und auch in den Zimmern der beiden Senioren findet sich die ein oder andere weihnachtliche Dekoration.