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Streifenpolizist „Bunter Hund“ geht in Pension

Der Halberstädter Polizeihauptmeister Manfred Kauschus hat 40 Jahre lang für Ordnung und Sicherheit gesorgt. Jetzt geht er in Pension.

Von Dennis Lotzmann 31.01.2016, 00:01

Schachdorf Ströbeck l Kauschus, Manfred, geboren am 31. Januar 1956 in Halberstadt, Polizeivollzugsbeamter im Dienstrang eines Hauptmeisters im Polizeirevier Harz, Regionalbereichsbeamter in Halberstadt. So sieht der Steckbrief eines Harzer Beamten aus, der am gestrigen Freitag zum letzten Mal im Dienst war. Mit seinem morgigen 60. Geburtstag geht Kauschus, der vielen Halberstädtern und Menschen in den angrenzenden Dörfern nicht nur einmal begegnet ist, in Pension.

Damit, heißt es auf den Fluren des Halberstädter Polizeireviers immer wieder, ende so etwas wie eine Ära. Zwar sei Kauschus nur einer von zig Beamten in Uniform oder Zivil im Harz. Aufgrund seiner Tätigkeit als Streifenbeamter habe er jedoch einen direkten Draht zu den Menschen wie nur wenige Kollegen. Und genau das hat Manfred Kauschus so gewollt: „Ich war noch nie der Bürotyp“, sagt der passionierte Hobbygärtner. Ein Wunsch, der sich für Kauschus erfüllte. Er war vier Jahrzehnte unterwegs – überwiegend zu Fuß. Das Resultat bringt Streifenpartner Bernd Borrmann auf den Punkt: „Der Manne kennt Gott und die Welt.“

Der Entschluss, zur damaligen DDR-Volkspolizei zu gehen, reift bei Manfred Kauschus während des Wehrdienstes, den er 1975 bis 1977 in Rostock absolviert. Der 21-Jährige wechselt auf die Polizeischule in Potsdam und geht danach im Harz zur Schutzpolizei.

In den folgenden Jahren ist der gebürtige Halberstädter jedoch nicht nur zwischen Quedlinburg, Wernigerode und Osterwieck im Einsatz, sondern in der gesamten DDR. „Wir haben auch zentrale Ereignisse wie Fußballspiele oder Großveranstaltungen abgesichert. Und wir waren in den 1980er-Jahren auch auf der Baustelle des Atomkraftwerkes Stendal im Einsatz.“

Kauschus lernt so zwar die Republik kennen, fest verwurzelt ist er jedoch im Harz. Dort schiebt er am liebsten Streife, dort kümmert er sich um die großen und kleinen Probleme, mit denen sich die Menschen an die Polizei wenden.

Kauschus erlebt dabei viele tragische Geschichten und wird mit schrecklichen Unfällen und Unglücken konfrontiert. „Ein Großbrand in Groß Quenstedt, bei dem ein Kind getötet wurde, habe ich noch heute vor Augen.“

Er erlebt aber auch viele Momente, in denen ihm wieder klar wird, damals, 1977, die richtige Berufswahl getroffen zu haben. „Wenn man einen Einbrecher geschnappt und den Opfern zu ihrem Recht und einer gewissen Genugtuung verholfen hat oder ein vermisstes Kind wohlbehalten zurück ist, ist man natürlich stolz“, sagt der noch 59-Jährige. Das gelte sowohl für die Jahre als Volkspolizist als auch für die Zeit nach der Wende als Landespolizist in Sachsen-Anhalt.

Wobei der Herbst 1989 auch für ihn eine Zäsur bedeutet. „Ich war am 9. November im Nachtdienst“, berichtet er. Die Straßen seien damals nachts eigentlich völlig leergefegt gewesen. „Plötzlich war Halberstadt ein Highway voller Autokarawanen gen Westen, und wir wussten von nichts.“

Kauschus ist noch heute heilfroh, dass alle besonnen geblieben seien und nichts passierte. Dabei hätte die Situation in dieser Nacht des Mauerfalls im Harz schnell eskalieren können, ist er überzeugt. „In Aderstedt, und damit in unmittelbarer Nähe zur BRD, kletterte in dieser Nacht der Bürgermeister auf eine Planierraupe und kündigte an, dass jetzt die Grenze geöffnet werde.“

Die Situation sei in diesen Stunden extrem aufgeheizt gewesen und die DDR-Polizisten, denen stets der Schutz der Staatsgrenze eingehämmert worden war, auf sich selbst gestellt. Schließlich sei der Druck vom Kessel genommen worden, indem bei Schöppenstedt die Grenze geöffnet wurde. „Bloß gut, dass in dieser Nacht niemand die Nerven verloren hat“, betont Kauschus, der sich wie viele Kollegen damals ins eiskalte Wasser geworfen fühlte.

Er selbst sei erst kurz vor Weihnachten 1989 erstmals rüber in den Westen. „Das war für mich schon eine gewisse Überwindung, ich bin ja hier groß geworden.“ Auch heute noch sehe er die eine wie auch die andere Seite des Mauerfalls: „Reise- und Meinungsfreiheit sind ein Aspekt und natürlich ganz entscheidend.“ Er habe im täglichen Dienst aber auch viele Menschen mit ihren Schicksalen erlebt, die klar zu den Wendeverlierern gehörten.

Manfred Kauschus nimmt die Wende und den beruflichen Übergang mühelos. Soll heißen: Etwaige Verbindungen zu anderen DDR-Diensten wie beispielsweise der Staatssicherheit hat er nie gehabt. Kauschus war Polizist für das Volk – nicht mehr, aber auch nicht weniger.

1990 schaut er den Kollegen im niedersächsischen Salzgitter 14 Tage lang über die Schulter. Später absolviert er einen Anpassungslehrgang an der Polizeischule in Aschersleben und wird zum gesamtdeutschen „Freund und Helfer“.

Auf den direkten Draht zu den Leuten will Kauschus auch jetzt nicht verzichten. Er bleibt im Streifendienst und ist oft zu Fuß unterwegs. Ab 2001 als Regionalbereichsbeamter in Halberstadt und der Vorharz-Region, später als Kontaktbereichsbeamter. In der Funktion begleitet er auch Umzüge, wie in dieser Woche den Karneval der Ströbecker Schüler.

Die vier Jahrzehnte auf der Straße sind auch ein Grund, weshalb sich Kauschus auf die Pensionierung freut. „Das schlaucht schon.“ Nun freue er sich über mehr Zeit für seine Frau Ingeborg, den Garten und seinen in der Schweiz lebenden Enkel. Und für die Bastelei als weiteres Hobby. Ist etwas defekt, sind seine goldenen Hände gefragt. Übrigens nicht nur im Kauschus‘schen Haushalt. Auch die Nachbarn klopfen bei Bedarf an. Der pensionierte Hauptmeister ist eben „Freund und Helfer“ durch und durch.