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Grundschulen im Harz Schulleiter im Prüfungsstress

Mehrere Grundschulleiter im Harz sehen sich mit besonderen Prüfungen konfrontiert. Sie müssen sich auf ihre Stellen komplett neu bewerben.

Von Dennis Lotzmann 06.09.2017, 21:54

Halberstadt/Wernigerode l Insgesamt fünf Schulen betrifft das Prozedere, das in den Sommerferien angelaufen ist. Da wurden die Positionen der Schulleiter im Schulverwaltungsblatt neu ausgeschrieben. Zur großen Überraschung vieler Lehrer und – fast immer – zur noch viel größeren Irritation der jetzigen Amtsinhaber. Die erfuhren nach eigenen Angaben völlig unangekündigt davon, dass ihre Positionen neu ausgeschrieben wurden. Tangiert werden nach Recherchen der Volksstimme die Grundschulen in Derenburg, Silstedt, Ströbeck und Timmenrode sowie die Regenstein-Grundschule in Blankenburg.

„Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen – man hat diese Position seit vielen Jahren inne, hat scheinbar immer gut gearbeitet und wird plötzlich jäh von einer solchen Ausschreibung überrascht. Das war für mich wie ein Brett vor den Kopf“, sagt ein Schulleiter.

Die Volksstimme hat mit mehreren der betroffenen Schulleiter über das aktuelle Verfahren gesprochen. Da offenbar bis auf einen Fall alle gewillt sind, sich der Neuausschreibung zu stellen, sie daher ein Bewerbungsverfahren durchlaufen müssen und dabei keine Nachteile erfahren sollen, erfolgt die Berichterstattung der Volksstimme anonymisiert und die Formulierung geschlechtsneutral als „Betroffener“.

Und die eint – soweit sie befragt wurden – allesamt das Unverständnis über das Verfahren. „Das ist inhaltlich sicher gut gedacht, aber fachlich schlecht gemacht“, sagt einer. Ein Satz, der nur auf den ersten Blick überrascht. Denn letztlich darf man dem Land mit der Ausschreibung durchaus löbliche Absichten unterstellen.

In den vergangenen Jahren sind viele Grundschulen fusioniert – mitunter, um so Mindestschülerzahlen zu erreichen, die wiederum die Antragstellung auf bauliche Fördermittel rechtfertigen. Die dadurch gestiegenen Schülerzahlen haben indirekt dazu geführt, dass nun die jeweiligen Schulleiter anders besoldet werden müssen.

Eine markante Marke liegt bei 80 Kindern pro Schule. Hat eine Grundschule weniger, werden die Schulleiter nach der Besoldungsgruppe A 12 bezahlt. Zwischen 80 und 180 Kindern greift die A 13, darüber die Besoldungsgruppe A 13plus.

Dem Land geht es mit dem aktuellen Schritt augenscheinlich darum, die fünf Schulleiter in ihre aktuell jeweils zutreffende Besoldungsgruppe zu bringen, sie letztlich amts- und funktionsangemessen zu vergüten.

Ein Schritt, der oftmals längst überfällig sei, berichteten mehrere Betroffene. Sie lägen teilweise schon seit Jahren über den magischen Schülergrenzen und würden demnach falsch besoldet. Mitunter leiteten Schulleiter neben ihrer eigenen Einrichtung stellvertretend und kommissarisch noch eine zweite Schule. Und nun – mit zuweilen jahrelangem Verzug – die überraschend Stellenausschreibung.

Die ist letztlich wohl dem Umstand geschuldet, dass das Land vom strikten Sparkurs der vergangenen Jahren abrückt. Einerseits. Andererseits fällt es dem Land zunehmend schwerer, überhaupt noch Direktoren zu finden. Wohl auch deshalb der Schritt zu den Ausschreibungen, um die Funktionen attraktiver zu machen.

Silke Stadör, Sprecherin des Landesschulamtes, bestätigt auf Anfrage die grundsätzlichen Zusammenhänge zwischen Schülerzahlen, Besoldungsgruppen und den jetzigen Ausschreibungen: Das Besoldungsrecht des Landes regele, dass das statusrechtliche Amt und die Funktion eines Schulleiters an die Anzahl der Schüler gekoppelt sind. Das könne bei sinkenden Zahlen zu einer Herabgruppierung führen. „Bei steigenden Schülerzahlen und damit verbundenem Beförderungsanspruch muss eine Neuausschreibung erfolgen, da laut Grundgesetz jedermann Zugang zu einem höherwertigen öffentlichen Amt ermöglicht werden muss“, so die Behördensprecherin mit Blick auf Artikel 33, Absatz 2, Grundgesetz.

Ein Regelung, die nun die oftmals gestandenen Schulleiter zwingt, sich einem aufwändigen Bewerbungsverfahren zu unterziehen. Denn die Eignungsprüfung für Schulleiter ist keineswegs einfach. Der Bewerbung folgen Hospitanzstunden, in denen die Bewerber ihr fachliches Können unter Beweis stellen müssen und in denen sie Kollegen bewerten müssen. Hinzu kommen im mehrstufigen Verfahren Dienstberatungen, Fachgespräche und Auswertungsrunden.

„Letztlich eben das Verfahren, das wir vor Jahren durchlaufen mussten, als wir uns erstmals auf diesen Posten beworben haben“, klagt ein Schulleiter. „Nur mit dem Unterschied, dass wir seither seit 20, 25 Jahren in der Funktion tätig sind.“

Deshalb kann Mike Litschko mit Blick auf die Ausschreibungen nur mit dem Kopf schütteln. „Juristisch ist das Land auf der richtigen Seite“, so der Harzer Kreischef der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Eine Höhergruppierung sei immer mit einer Bewährungsfeststellung verbunden. „Das Problem ist nur: Die Kollegen hier haben sich seit 20, 25 Jahren im Alltag bewährt. Einer war sogar schulfachlicher Referent. Nun zu sagen, wenn ihr das wollt, was euch finanziell zusteht, müsst ihr euch neu bewerben und beweisen, ist menschlich fatal.“

Und Litschko sieht auch Gefahren: „Was habe ich als Land gewonnen, wenn ich am Ende gar keinen Bewerber habe?“ Ein Szenario, das sich dem Vernehmen nach nun mindestens einmal stellen dürfte.

Das Schulamt will den Ball derweil flach halten: Da in der Regel keine Konkurrenzsituationen zu erwarten seien, könnten die Auswahlverfahren niedrigschwellig geführt werden, signalisiert Sprecherin Silke Stadör. Zudem würden die Erfahrungen der bisherigen Schulleiter berücksichtigt.