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InsolvenzverfahrenWende bei Vermieter in Halberstadt

Die drohende Pleite von Harzblick Projekt sorgte für Wirbel in Halberstadt. Nun gibt es eine Wende bei der Insolvenz der Immobilienfirma.

Von Sandra Reulecke 25.09.2020, 01:01

Halberstadt l Mit dieser Entwicklung hätte wohl niemand gerechnet: Kurz vor der Eröffnung des Verfahrens gegen die Harzblick Projekt GmbH ist deren Insolvenz vom Tisch. Überraschenderweise habe die Gläubigerin – es handelte sich um einen Fremdantrag – den Insolvenzantrag zurückgezogen, informiert Ingo Schorlemmer auf Volksstimme-Nachfrage.

Schorlemmer ist der Pressesprecher von Schultze & Braun, einen Dienstleister für Insolvenzverwaltung und Beratung im Sanierungs- und Insolvenzrecht. Das Amtsgericht Wolfsburg, von dem das vorläufige Verfahren gegen die Projekt Harzblick GmbH eingeleitet wurde, hat den Wirtschaftsjuristen Tobias Hartwig von Schultze & Braun zum vorläufigen – und mittlerweile ehemaligen – Insolvenzverwalter bestellt. „Die Forderung der Antragstellerin wurde zuvor von dritter Seite beglichen“, erläutert Ingo Schorlemmer weiter. „Damit ist der wesentliche Grund für das Insolvenzverfahren weggefallen.“

Klingt zunächst nach einer guten Nachricht für die betroffenen Mieter der Blöcke Juri-Gagarin-Straße 1-9, Maxim-Gorki-Straße 11-18, Puschkinstraße 4-5 und Richard-Wagner-Straße 43-46 in Halberstadt, die allesamt zum Immobilienunternehmen Harzblick Projekt GmbH mit Sitz in Mariental (Landkreis Helmstedt) gehören.

Doch der Insolvenzverwalter sieht das anders. „Herr Hartwig bedauert diese Entwicklung sehr“, teilt Ingo Schorlemmer mit. „Das ganze Verhalten der Eigentümerin lässt für Herrn Hartwig nur den Schluss zu, dass eine sogenannte Entmietung der Immobilie angestrebt wird, was dazu führt, dass man sie leichter sanieren kann.“ Tobias Hartwig sei erschrocken und verärgert über dieses Vorgehen und fordere den Eigentümer auf, die Interessen der Menschen, die dort leben, ernst zu nehmen und zu wahren.

Ein Gespräch zwischen Insolvenzverwalter und Projekt-Harzblick-Geschäftsführung sei nicht zustande gekommen. Was nicht verwundert: Im Internet ist lediglich die Postanschrift, nicht aber eine E-Mail-Adresse oder Telefonnummer des Unternehmens zu finden, wie eine Volksstimme-Recherche bestätigt. Es sei Hartwig schlichtweg unmöglich gewesen, Kontakt zum Geschäftsführer herzustellen und Informationen von diesem zu bekommen. „Und das trotz gerichtlicher Maßnahmen gegen den Geschäftsführer“, wie Ingo Schorlemmer betont.

Ein Umstand, der die Arbeit der Verwalter erschwert habe. „Herr Hartwig und sein Team sind beispielsweise von Briefkasten zu Briefkasten gegangen und haben die Schilder abfotografiert, um zumindest halbwegs die Mietparteien identifizieren zu können“, berichtet der Sprecher. Dabei sei festgestellt worden, dass es sich um 306 und nicht, wie zuvor angenommen, um 100 Wohnungen in dem Fall handele.

Das viele davon nicht mehr bewohnt sind, ist nicht zu übersehen. In den wenigstens Fenstern ist mehr zu entdecken als vergilbte Gardinen und verblasste Fensterbilder, kaum ein Balkon ist noch mit Pflanzen und Sonnenschirmen versehen. Stattdessen wuchert Unkraut auf den Gehwegen und verwilderten Grünflächen vor den betroffenen Blöcke zwischen Bahnhof und Gericht. Der Zustand der in die Jahre gekommenen Häuser steht im starken Kontrast zu vielen anderen Gebäuden in unmittelbarer Umgebung. Diese sind saniert, mit einem Anstrich in hellen Farben versehen, wirken gepflegt.

Dass an den Blöcken der Harzblick Projekt GmbH schon lange keine Reparaturen stattfanden, bestätigten – nun ehemalige – Bewohner im Juli gegenüber der Volkstimme. Jedoch ist die Immobilienfirma noch nicht lange Eigentümer der Wohnhäuser – sie habe die Blöcke erst 2019 gekauft, wie Ingo Schorlemmer berichtet. Die Vorbesitzerin der Häuser sei diejenige gewesen, die den Insolvenzantrag beim Gericht gestellt hatte, nachdem „ein erheblicher Teil des Kaufpreises“ unbezahlt geblieben ist. Den Namen der Gläubigerin nennt der Pressesprecher nicht.

Jedoch ist die Immobilienfirma nicht nur bei ihr in Zahlungsverzug gekommen. Bei den Halberstadtwerken häufte das Unternehmen ab Oktober 2019 Außenstände an, die sich im Frühjahr auf einen sechsstelligen Betrag beliefen.

Konsequenz: Ohne dass die Mieter etwas dafür konnten, drohte ihnen die Sperrung für Wasser und Heizung. In letzter Minute konnte das verhindert werden. Wie Sebatian Hübner, Sprecher der Halberstadtwerke, damals der Volksstimme mitteilte, wurden Einzelverträge mit den Mietern geschlossen, sodass sie die Energiekosten direkt bei den Stadtwerken bezahlen und nicht wie zuvor an den Vermieter. Viele der Mieter, so sagte Hübner, hätten aber bereits im Frühjahr die Notbremse gezogen und seien umgezogen.