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Architektur Gedreht, gerundet, fortgesetzt

Großes Interesse weckte in Halberstadt eine Einladung zur Besichtigung der Lindenhofterrassen. In mehreren Gruppen ging es ums Gebäude.

Von Sabine Scholz 01.07.2019, 01:01

Halberstadt l Einige waren enttäuscht und verließen das rappelvolle Mietercafé kurz nach der Begrüßung. Offenbar wollten sie nur die Wohnungen sehen, die sich hinter den markanten Fassaden der Lindenhofterrassen befinden. Weil aber alle 91 Wohnungen in den drei Häusern vermietet sind, war das zum Tag der Architektur am Samstag nicht möglich.

Dafür gab es viel anderes zu erfahren von den anwesenden Architekten und HaWoGe-Geschäftsführerin Beate Grebe. Die begrüßte die rund 130 Besucher, die sich pünktlich zur ersten Führung vor Hausnummer 24 in der Kühlinger Straße eingefunden hatten und von denen der Großteil auch den Rundgang nach den einleitenden Worten mitmachte. Aufgrund der Vielzahl Wissbegieriger wurden mehrere Gruppen gebildet, die den langen Flur im Erdgeschoss bestaunten, einen Blick in einen Kellerersatzraum erhaschten und beim Gang um das Gebäude erfuhren, warum die Seite zum Lindenweg nicht genauso farbig ist wie die zur Kühlinger Straße. „Hier haben wir genug Farbe rundherum, deshalb halten wir die Seite weiß. Aber an den Seitenfronten ist auch von hier aus die Farbspange der Gebäude zu erkennen“, sagte Steffen Peist, als er mit den Gästen seiner Gruppe auf dem Lindenweg stand.

Rot, grün und beigefarbene Elemente finden sich an den Fassaden der drei Häuser, die sich auf dem durchgehenden Erdgeschoss-Sockel in den Himmel recken. Die Seiten jedes Gebäudes sind gerundet, eine ästhetisch ansprechende Idee, die dazu die jeweiligen Balkonflächen individueller werden lässt. Es gibt auch die rechteckigen Balkonformen, in der Mitte der Gebäude. Doch weil sie nicht vorgehängt, sondern in den Baukörper hineingezogen sind, sind es eher Loggien.

Die Rundungen an den drei einzelnen Häusern geben dem massigen Neubau Leichtigkeit und verleihen dem Komplex seine markante Erscheinung.Doch Rundungen zu bauen, sei eine Herausforderung – sowohl für die bauausführenden Firmen als auch für die Kostenplanung, hatte Beate Grebe vor den Rundgängen gesagt. Als Bauherrin habe die Halberstädter Wohnungsgesellschaft HaWoGe an dieser Idee des Architekten festgehalten. Man wollte an dieser zentralen Stelle, mitten im Herzen der Stadt, ein Statement für modernes Bauen setzen. „Wir machen Stadtentwicklung in dieser Stadt, und setzen dafür mit einer ungewöhnlichen Architektur ein Zeichen.“

Eine Bauherrensicht, die Architekt Steffen Lauterbach natürlich freut. „Eigenständige Architektur zu schaffen, ist Anspruch jedes Architekten", sagte er. Wenn man durch die Lande fährt, sehe man in vielen Orten wiederkehrende Archtektur, wenig Abwandlungen bekannter Typisierungen. „Auf das, was hier entstanden ist, kann Halberstadt stolz sein.“

Wobei es nicht nur um schöne Formen und Fassaden gehe, wie Grebe betonte. Obwohl man bewusst für einen Imagewandel des Standortes Sorge trage, auch mit der Wahl des Namens für die Neubauten auf der Stelle, auf der bis 2015 klassische DDR-Plattenbauten standen. Als Vermieter gehe es dem Unternehmen aber eben nicht nur darum, ein schönes Gebäude ins Zentrum zu setzen. „Natürlich haben wir ein großes Interesse daran, Wohnungen anzubieten, die den heutigen Anforderungen gerecht werden“, so Grebe. Das reiche von den Grundrissen über hochwertige Materialien im Innenausbau oder die Entscheidung, die Bäder mit Wanne und ebenerdiger Dusche auszustatten bis zu der Überlegung, ausreichend viele Wohnungen an einen Lift anzubinden, um die Kosten auf viele Schultern verteilen zu können. Die Miete ist mit rund neun Euro kalt pro Quadratmeter ohnehin nicht gerade billig. „Auf die Fixkosten für Lifte haben wir leider keinen Einfluss. Egal, von welchem Anbieter Sie kaufen, die Lifthersteller machen die Preise und bestimmen auch die Höhe der Wartungsverträge“, sagte Grebe ans Publikum gewandt. Sie hatte zuvor von der Entscheidungsfindung für Abriss und Neubau an der Kühlinger Straße berichtet, über den Ideenwettbewerb und Probleme beim Bau. Der habe länger gedauert als gedacht. So gab es zu Beginn Probleme mit den Pfahlbohrungen, die beauftragte Firma musste alle 322 Bohrpfähle nochmal setzen.

Aufgrund dieser Erfahrungen rechne man beim zweiten Baubschnitt von vornherein mit einer längeren Bauzeit. Im Frühjahr 2020, so Beate Grebe, wird an der Heinrich-Julius-Straße der Startschuss für den zweiten Gebäudekomplex der Lindenhofterrassen fallen. Wieder geschwungen, mit zwei verschiedenen Geschosshöhen, mit leicht zueinander gedrehten Häusern über einem durchgehenden Erdgeschoss-Sockel.

Allerdings wird es in dem Komplex kein Mietercafé geben und fast ausschließlich Zwei-Raum-Wohnungen. Das sei der wachsenden Zahl Alleinlebender ebenso geschuldet wie der älter werdenden Gesellschaft. Die Nachfrage nach kleinen Wohnungen sei deutlich gestiegen, berichtete Grebe.