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Diskussion Baumschutz erhitzt die Gemüter

Welche Bäume dürfen künftig in Halberstadt gefällt werden?

Von Jörg Endries 31.01.2020, 03:00

Halberstadt l Dieter Kühn will es Grundstücks- und Kleingartenbesitzern im gesamten Stadtgebiet erleichtern, Bäume und Hecken zu fällen und außerdem 15 Euro für den Fällantrag zu sparen. Deshalb stellte der Halberstädter, der für die Freien Wähler im Stadtrat sitzt, im September einen Antrag auf Änderung der Baumschutzsatzung.

Darüber wird in den Ortschaftsräten und Ausschüssen zurzeit diskutiert. So sollen die Regelungen der Satzung nicht mehr auf Kleingärten zutreffen und auch die Liste der Bäume, die nicht unter dem Schutz der Satzung stehen, soll erweitert werden. Bislang fallen darunter Obstbäume in erwerbsmäßig betriebenen Obstanbauflächen, Weihnachtsbaumkulturen sowie Obstbäume in Privatgärten mit Ausnahme von Walnussbäumen und Esskastanien. Laut Kühns Vorschlag sollen auch Koniferen, Birken, abgestorbene Bäume, Nadelgehölze und Pappeln – bis auf Schwarz- und Zitterpappel – in Privatgärten, Kleingartenanlagen und auf Privatgrundstücken nicht mehr geschützt sein. Dazu soll, so der Vorschlag Kühns, eine zusätzliche Ausnahmeregelung automatisch gelten für Bäume, die weniger als fünf Meter Abstand zu Wohngebäuden haben. Sie sollen gefällt werden dürfen, wenn nach der Antragstellung Ersatzpflanzungen von Bäumen auf dem Grundstück oder auf Ausgleichsflächen erfolgen. Ersatz soll dabei nur für Bäume her, die mindestens einen Stammumfang von 35 Zentimetern haben.

Ein Ansinnen, dem die Stadtverwaltung so nicht folgen mag, wie der Stellungnahme zum Antrag, die wie der Änderungsvorschlag allen Ortschaftsratsmitgliedern und Stadträten zugesandt wurde. Darin heißt es unter anderem, dass Kleingärten im städtischen Raum ein hoher ökologischer Stellenwert zukomme, zudem sei die Vielfalt an Gehölzen und Bäumen in den Gartenanlagen wichtig, um die Auswirkungen der klimatischen Änderungen innerhalb der Stadt zu dämpfen sowie Tier- und Insektenarten ein Zuhause zu geben.

Sorge bereitet den Mitarbeitern der Abteilung Stadtgrün die Fünf-Meter-Abstandsregelung in dem Vorschlag, denn das betreffe fast alle Straßenbäume. Auch die Erweiterung der nicht zu schützenden Gehölzarten wird seitens der Abteilung kritisch gesehen. So seien Birken und Pappeln gerade in Stadtgebieten für Insekten sehr wichtig. Und Pappeln gebe es kaum noch im Stadtgebiet. Die Unterscheidung der Pappelarten sei zudem für Laien schwierig.

Abgestorbene Bäume, so die Fachabteilung, sind ökologisch wertvoll. Hinzu komme, dass, wenn Totholz ohne Rodungsgenehmigung gefällt werde, keine Ersatzpflanzung beauflagt werden kann. „Wenn abgestorbene Bäume grundsätzlich nicht ersetzt werden, ist es ein Prozess von 100 bis 200 Jahren, in dem rein theoretisch alle Bäume verschwunden sein werden“, heißt es.

Das sieht Bernhard Daldrup anders. Der CDU-Mann sieht in der Satzung einen Grund, dass Privatleute keine Bäume mehr pflanzten, weil man Angst hat, die dann nicht wieder loszuwerden“, sagte Daldrup in der Sitzung des Sargstedter Ortschaftsrates. Für ihn ist die Satzung ein Eingriff in Privateigentum. Seiner Meinung schlossen sich seine Ortschaftsratskollegen an, alle stimmten für die Änderung.

Etwas anders diskutierten die Ortschaftsräte in Aspenstedt. Dort wurde die Änderung der Satzung mitgetragen, aber man hält sie für nicht ausgereift. So sieht Winfred Fricke (Freie Wähler) auch Platanen als nicht schützenswert. Zudem sei unklar, ob mit der Änderung auf die sich wandelnden klimatischen Bedingungen geachtet werde. Deshalb beschloss der Ortschaftsrat einen Änderungsantrag: Ein Arbeitskreis aus Baumschutzbeauftragten und -sachverständigen sowie einigen Stadtratsmitgliedern soll die Satzung in Ruhe komplett überarbeiten.

Einstimmig votierte der Ortschaftsrat Langenstein für die Änderung der Baumschutzsatzung. Ausschlaggebend für das eindeutige Ja zum durchaus umstrittenen Antrag von Dieter Kühn war die Argumentation des Langensteiner Ortschaftsrats Werner Fricke (FDP). Der ist ehrenamtlicher Kreisnaturschutzbeauftragter. „Wenn die Stadtverwaltung damit argumentiert, dass sich die alte Baumschutzsatzung bewährt hat, dann ist das nicht meine Meinung. Es handelt sich um eine Baumschutzverhinderungssatzung“, kritisierte Werner Fricke. Wäre es anders, dann würden nicht die eintönigen Schotter- und Kiesflächen auf dem Vormarsch sein. Der Langensteiner plädierte dafür, alle Bäume, von denen Gefahr ausgeht, wie Pappeln, rauszunehmen. Auch Hecken müsse man bei Bedarf wieder problemlos entfernen können. Gerade bei den Lebensbaum-Hecken sei immer damit argumentiert worden, dass sie wichtig für Vögel seien. „Da halten sich keine Vögel drin auf.“ Wenn man einen gefährlichen Baum nur kürze, verstoße man bereits gegen die gültige Satzung.

Der Ortschaftsrat Ströbeck stimmte einstimmig gegen die Änderung der Satzung. „Es gibt kein Argument dafür. Fachlich ist das alles nicht plausibel“, sagte Anneli Borgmann (Bündnis90/Die Grünen). „Die Satzungsänderung wäre ein Freibrief und keiner weiß mehr, was gehauen und gestochen ist“, sagte Maik Ledderbohm (CDU).