Cage-Projekt Zukunft für einen 5000 Jahre alten Tiroler
Was hat Ötzi, die berühmteste Mumie der Welt, mit Halberstadt zu tun? Nun, die Wissenschaft schafft ungewöhnliche Verbindungsachsen.
Halberstadt l Es wird voll im Saal des Cage-Hauses. Viele wollen dabei sein, wenn eine auf den ersten Blick seltsam anmutende Verbindung dingfest gemacht wird. Eine Tafel beim Cage-Orgel-Projekt für Ötzi, die älteste Mumie der Welt.
Für Angelika Fleckinger sind ungewöhnliche Verbindungen Alltag. Die Direktorin des Archäologiemuseums Bozen berichtet von ihren Reisen in alle Welt, weil überall Wissenschaftler damit beschäftigt waren und noch sind, mehr zu erfahren über den Mann, der vor mehr als 5.200 Jahren lebte, und über seine Umwelt damals. Sie kann viel berichten über den Star ihres Museums, der seit 1991 die Menschen begeistert und ihnen eine neue Sicht auf die frühbronzezeitliche Geschichte ermöglicht.
Die Wissenschaftlerin spricht bestes Hochdeutsch mit dem sympathischen Akzent, der weit verbreitet in ihrer Heimat Südtirol ist. In diesem Jahr erinnert die Region an ihre Zuordnung nach Italien im Jahr 1919. Viele Menschen sind deutschsprachig in dieser Alpenregion, in der schon vor mehr als 5300 Jahren Menschen lebten und, wie der Fund der Gletschermumie belegt, auch schon Kupfer bearbeiten konnten.
Die Untersuchungen an der Mumie sind es, die den Bogen schlagen nach Halberstadt. Dass sie hier dem Werk des amerikanischen Künstlers John Cage begegnet, ist auch für sie überraschend. „Ich konnte mich nicht vorbereiten, will heute mehr erfahren zu diesem Projekt“, sagt sie, bevor der offizielle Teil des Vormittages beginnt und Prof. Dr. Steffen Rickes die Fäden verknüpft zwischen Ötzi und Halberstadt. Der Mediziner ist Vorsitzender des Walter- Krienitz-Vereins zur Förderung der Medizin. Der vergibt nicht nur Preise für besondere wissenschaftliche Leistungen in der Medizin, sondern hält damit auch das Ansehen eines Halberstädters hoch, der im Jahr 1906 Magenbakterien beschrieb. Als einer der ersten weltweit durchbrach Walter Krienitz das Dogma des sterilen Magens, wie Rickes erläuterte. Doch erst 1982 sollte diese lange Zeit nicht akzeptierte Meinung sich Bahn brechen – mit dem Nobelpreis für zwei Australier, die das Bakterium Heliobacter Plyori im Magen nachgewiesen hatten. So wie der seiner Zeit hochgeschätzte Magen-Darm-Spezialist Krienitz.
Ein anderer Fachmann dieser Medizinrichtung ist der aus Südtirol stammende Prof. Dr. Peter Malfertheiner, der inzwischen an der Uniklinik Magdeburg lehrt und bei dem Steffen Rickes in der Ausbildung war. Malfertheiner ist eines der Bindeglieder zu Ötzi, denn er untersuchte mit seinem Team den Magen Ötzis und entdeckte, dass der Mann aus dem Eis bereits vor mehr als 5000 Jahren mit Heliobacter Plyori infiziert war. „Und mit diesem winzigen Keim haben wir die Verbindung zu Krienitz und damit nach Halberstadt“, sagt Rickes.
Und als er im vergangenen Sommer das Bozener Archäologiemuseum besuchte, kam ihm die Idee, Ötzi eine Tafel beim Cage-Projekt zu widmen. Und weil dieses Projekt bis ins Jahr 2639 angelegt ist, gehe man mit der Tafel auf eine Zeitreise, sagte Hans Jörg Bauer, Vorstand der John-Cage-Orgel-Stiftung bei der Begrüßung der Gäste. Zum einen reise man mit Ötzi mehrere Tausend Jahre in die Vergangenheit, mit dem Cage-Projekt mehre Hundert in die Zukunft.
Angelika Fleckinger, die sich sehr erfreut zeigte, bei der Enthüllung der vom Krienitz-Verein finanzierten Tafel dabei sein zu können, stellte Halberstadt wegen ihrer Besuche bei den Wissenschaftlerteams weltweit in eine Reihe mit Städten wie Canberra, Tokio, Los Angeles – was die Gäste mit Erheiterung quittierten. Ob sie alle auch den Mann aus dem Eis und damit Teil der jährlich 300.000 Besucher bei Ötzi werden, blieb offen. Nur beeilen sollte man sich, denn Ötzi schrumpft. Er verliert jedes Jahr zwei Gramm Gewicht.