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CoronavirusErmittlungen nach Zast-Tumulten

Bis zu 150 Bewohner der Zast in Halberstadt protestierten und warfen Zäune um. Eine Frau erhebt Vorwürfe gegen die Security.

Von Dennis Lotzmann 05.04.2020, 17:18

Halberstadt l Die Lage in der unter Corona-Quarantäne stehenden Zast ist eskaliert, als am Samstagmittag das Essen verteilt wurde. Nach Angaben von Denise Vopel, Sprecherin des Landesverwaltungsamtes, verweigerten 100 bis 150 Zast-Bewohner die Annahme des Essens, anschließend spitzte sich die Situation zu. Zäune, mit denen die Migranten in den unterschiedlichen Wohnblöcken voneinander getrennt worden waren, wurden umgestoßen. Zudem gab es Rangeleien zwischen Bewohnern und Wachleuten. Die Polizei eilte mit einem Großaufgebot vor Ort, hielt sich zur Deeskalation aber zurück, blieb außerhalb der Zast und musste nicht eingreifen.

Videosequenzen, die in den sozialen Medien kursieren, zeigen, wie angespannt die Situation zeitweilig war. Migranten warfen Absperrzäune um, zudem lösten Bewohner die Brandmeldeanlage aus, sodass die Feuerwehr anrücken musste. Eine schwangere Frau hockte weinend am Boden und warf Wachleuten Übergriffe vor.

Laut Polizei wurde die Frau später medizinisch untersucht und kam eine Nacht zur Beobachtung ins Krankenhaus. Verletzungen seien nicht festgestellt worden. Dennoch soll im konkreten Fall ein Verfahren wegen Köperverletzung eingeleitet worden sein. Nach Angaben einer Polizeisprecherin ist über Verletzte bei den Auseinandersetzungen nichts bekannt. Es gebe aber mehrere Anzeigen wegen Körperverletzung – sowohl von Bewohnern der Zast als auch vom Wachpersonal, in allen Fällen liefen die polizeilichen Ermittlungen.

Auslöser der Proteste waren nach Angaben des Solidaritätsnetzwerks Halberstadt Defizite bei der Essensversorgung und der Bereitstellung von Hygieneartikeln sowie die allgemeine Angst der Zast-Bewohner, sich im Lager mit dem Coronavirus zu infizieren. In einem offenen Brief des Antirassistischen Netzwerks Sachsen-Anhalt werden die Zustände in der Zast angeprangert und eine dezentrale Unterbringung der Flüchtlinge gefordert.

Ende vorletzter Woche war ein 27-Jähriger aus Kamerun nach seiner Verlegung nach Halle positiv auf Corona getestet worden. Der Mann hatte zuvor 18 Monate in der Zast gelebt. Daraufhin wurde das Lager von der Polizei abgeriegelt und unter Quarantäne gestellt. Lagerintern wurden fünf abgetrennte Bereiche gebildet und damit begonnen, alle Bewohner auf eine Corona-Infektion zu testen. Bis zum Freitag seien 24 Personen positiv getestet und daraufhin in ein Quarantänelager gebracht worden.

Alexander Schröder vom Solidaritätsnetzwerk berichtete, dass das Essen für die Zast-Bewohner insbesondere für Männer zu knapp bemessen sei – laut Anwohnern normales Brot und Tütensuppe. Denise Vopel sprach von angemessener Versorgung. Natürlich treffe man bei 850 Personen nicht immer jeden Geschmack.

Gleichwohl wollen die Verantwortlichen aufgrund der Proteste nun nachjustieren. Man wolle den Bewohnern die Möglichkeit einräumen, über ein Bestellsystem auf eigene Kosten Dinge zu ordern. Offenbar schließt man auch nicht aus, den Migranten mehr Taschengeld in die Hand zu geben, um ihnen mehr Eigenversorgung zu ermöglichen.

Inwieweit die Tumulte in der Zast, bei denen es zu Kontakten von Menschen in unterschiedlichen Bereichen kam, Auswirkungen auf die Quarantäne haben, blieb zunächst unklar. Hier müsse das Gesundheitsamt eine Bewertung abgeben.

Die Linkenfraktion im Landtag hat in einem offenen Brief an das Innenministerium eine denzentrale Unterbringung der Flüchtlinge gefordert. "Die Geflüchteten in der ZASt müssen sofort alle Gesundheitsinformationen zur SARSCoV-2-Pandemie und der Situation in der ZASt in ihren jeweiligen Sprachen erhalten und medizinische Beratungsangebote mit Sprachmittlung sichergestellt werden", heißt es weiter. Zusätzlich zur Überprüfung und Anpassung des Caterings müsse das Land kostenfrei Lebensmittel des Grundbedarfs zur eigenen Versorgung der Geflüchteten zur Verfügung stellen, solange die Quarantäne andauert. Darüber hinaus sei sicherzustellen, dass die Geflüchteten Zugang zu bezahlbaren Einkaufangeboten erhalten.